Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Mit Video: Zufällig vom Westen in den Osten
Gilian Gerke lehrt und forscht an der Hochschule Magdeburg-Stendal zum Thema Müll und Kreislaufwirtschaft. Im Osten erlebte sie Zuspruch und Vorbehalte gleichermaßen.

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Gilian Gerke, Professorin an der Hochschule Magdeburg-Stendal.
Was verschlägt eine Rheinländerin an die Elbe und wie geht es ihr mit ihrem westdeutschen Hintergrund im Osten. Diese Fragen könnte man sich bei der Geschichte von Gilian Gerke stellen. Den Fall der Mauer hat sie während ihrer Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin in Burscheid, im Bergischen Land, erlebt.
Video: Serie 35 Jahre Deutsche Einheit: Gilian Gerke, Hochschule Magdeburg-Stendal
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Der Letzte macht das Licht aus
Besonders erinnern kann sie sich noch an eine Karikatur im Kölner Stadtanzeiger: „Das war ein Bild von Honecker mit der Hand am Lichtschalter. Auf dem Teppich unter ihm stand ‚DDR - Der Letzte macht das Licht aus‘.“ Ansonsten war sie bis dahin nur einmal in Ost-Berlin gewesen, auf dem Weg zu ihrem Bruder in West-Berlin.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung hat sie in einer Apotheke in Aachen gearbeitet. Allerdings zog es sie immer mehr zu den Studierenden. „Ich bin ein ehrgeiziger Mensch und lerne wahnsinnig gerne, das mache ich immer noch. Von daher wollte ich unbedingt studieren und mich weiterentwickeln“, erzählt sie. „Ingenieurin klang spannend und bei der Studienberatung wurde mir dann die Abfallwirtschaft empfohlen.
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Das entsprach meiner Vorstellung, etwas Sinnvolles und Nachhaltiges zu tun, auf das ich später mit Stolz zurückblicken kann.“ Nach der Promotion ging sie nach Köln zum Grünen Punkt und hatte von da an beruflich viel in Ostdeutschland zu tun.
Nicht viel über Magdeburg gewusst
Der Wechsel von der Wirtschaft in die Lehre und vom Westen in den Osten war eher zufällig: „Ich habe nicht nach einer Professur gesucht und Magdeburg kannte ich nur privat von einem Ruder-Wander-Treffen am Mückenwirt in Buckau.“
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Ein Kollege hatte sie auf die Ausschreibung aufmerksam gemacht und sie fand das Thema der Kreislaufwirtschaft sehr interessant. Also entschied sie spontan, sich zu bewerben und sich möglicherweise auf einen neuen beruflichen Weg einzulassen. Das Vorstellungsgespräch war dann am 11.11., für eine Kölner Närrin ein ganz besonderes Datum. Fast 2 Jahre später, im Oktober 2012, ist sie dem Ruf zur Professur an die Hochschule Magdeburg-Stendal gefolgt.
Kein einfacher Start an der Elbe
Der Start an der Elbe war allerdings nicht ganz so einfach. „Die Magdeburger sind schon recht norddeutsch verschlossen und von der Mentalität her ganz anders als die Kölner“, lacht sie. „Diese Unterschiede habe ich anfangs verkannt, daher war es auch nicht einfach Anschluss zu finden und neue Freundschaften aufzubauen.“
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Heute lebt sie sehr gern in Magdeburg und es gibt viele Orte, an denen sie unterwegs ist. Von ihrem ersten Eindruck des grauen und kaputten Stadtteils Buckau ist zum Glück nichts mehr übrig. „Magdeburg hat sich total positiv entwickelt. Wir haben einen wunderschönen Campus und tolle Projekte.“ Darüber hinaus ist sie gern im Kino oder einem der vielen Cafés und sie engagiert sich ehrenamtlich als Palliativbegleiterin bei den Pfeifferschen Stiftungen.
Mentalitäten und Vorbehalte
Was den Vergleich zwischen Ost und West betrifft, so gibt es aus ihrer Sicht noch immer Struktur- und Gehaltsunterschiede sowie verschiedene Mentalitäten und auch Vorbehalte. Diese haben vor allem mit den unterschiedlichen Prägungen zu tun und auch mit der allgemeinen Entwicklung Deutschlands: „Wir waren das Land der Dichter und Denker. Jetzt sind wir eher das Land der Verhinderer und der Stagnation. Wir müssen wieder wichtig werden für Deutschland, für Europa und für die Welt.“ Um dies zu erreichen, müssen wir zusammenhalten und gemeinsame Ideen und Ziele entwickeln.
Abfall ist ein Spiegel unserer Kultur
Für die Zukunft wünscht sie sich als Professorin noch mehr Internationalität und Interdisziplinarität. „Gerade an der Hochschule hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan und ich konnte meinen Horizont nochmal erweitert. Diese Freiheit in Forschung und Lehre sowie die Arbeit mit den jungen Menschen macht einfach Spaß“, freut sie sich.
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Daher würde sie auch nicht woanders arbeiten wollen. „Meine Mutter sagt immer - ganz liebevoll - ich bin promovierte Müllologin. Aber ich finde das Thema einfach spannend und ich liebe Abfall, denn das was wir wegwerfen, ist ein Spiegel unserer Kultur.“ Von daher wird es ihr weder beruflich noch privat in Magdeburg nicht langweilig werden.