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Selbstversuch Januar ohne Alkohol, Zucker und tierische Produkte: So ist das Experiment gelaufen

Volksstimme verzichtet: Nach einem Monat ohne Alkohol, tierische Produkte und Industriezucker ziehen wir Reporterinnen Bilanz. Was hat das Weglassen bestimmter Lebensmittel mit uns gemacht?

Von Sabine Lindenau, Lena Bellon und Romy Bergmann Aktualisiert: 01.02.2024, 11:08
Es geht auch ohne: Für die Serie „Volksstimme verzichtet“ haben Sabine Lindenau ohne Alkohol (von links) , Lena Bellon ohne tierische Produkte und  Romy Bergmann  ohne Industriezucker gelebt. Alle Teile der Serie sind über den QR-Code per Handykamera kostenlos abrufbar.
Es geht auch ohne: Für die Serie „Volksstimme verzichtet“ haben Sabine Lindenau ohne Alkohol (von links) , Lena Bellon ohne tierische Produkte und Romy Bergmann ohne Industriezucker gelebt. Alle Teile der Serie sind über den QR-Code per Handykamera kostenlos abrufbar. Foto: Sandra Niclaus

Magdeburg. - Am Anfang war es eine Schnapsidee. Doch sie reifte immer mehr zu einem festen Entschluss: Wir machen mit bei den Trends, die seit ein paar Jahren durchs Internet geistern. Dass der Januar nach einem Dezember voller süßer, alkohol- und fettreicher Genüsse kein einfacher Monat werden würde, war uns klar. Aber wir wollten herausfinden, was es mit uns macht, auf Alkohol, tierische Produkte und Industriezucker zu verzichten.

Um die Challenge nicht ganz so schwierig zu machen, haben wir den „Dry January“ (trockener Januar), „Veganuary“ (veganer Januar) und den zuckerfreien Januar aufgeteilt. Und Ihnen, liebe Leser, mit täglichen Kolumnen einen Einblick in unseren ungewohnten neuen Alltag gewährt. Uns haben mehrere Nachrichten erreicht, wir wurden angesprochen. Mal wurden wir motiviert, mal aber auch belächelt. Nun ist die Herausforderung vorbei. 31 Tage, die Spuren hinterlassen haben. In unserem Körper, in unserer Denkweise, aber auch in unserer Geldbörse.

Es ist an der Zeit, ein Fazit zu ziehen. Und noch einmal zu reflektieren, was der Januar mit uns gemacht hat. Wir haben nach wenigen Verzichtstagen mit Ernährungsexpertinnen und einem Arzt aus dem Klinikum Magdeburg gesprochen. Können uns diese Internettrends helfen, alte Gewohnheiten zu durchbrechen und bewusster mit uns umzugehen?

Dry January

Sabine Lindenau: Ein Aperol in geselliger Runde, ein Wein zum Abendessen, ein Schweden-Eisbecher zum Nachtisch: Alkohol gehört zum Alltag. Auch für mich. Zwar nur ganz selten allein daheim, aber in Gesellschaft nahezu immer. Mein Dezember war glühweindurchtränkt.

Da kam der trockene Januar genau richtig. Die positiven Effekte auf die Gesundheit, von denen auch die Experten gesprochen haben, konnte ich zunächst gar nicht spüren. Zum Ende fiel es mir aber beim Tennistraining besonders auf: Ich war viel fitter als sonst.

Den deutlichsten Vorteil habe ich tatsächlich im Portemonnaie gesehen: Ich habe richtig gut gespart. Gehe ich im Schnitt zweimal im Monat essen, dazu vielleicht noch einmal in eine Bar, gehen da locker 50 Euro, wenn nicht gar 75 Euro für alkoholische Getränke drauf. Und auch im Supermarkt gebe ich im Monat bis zu 50 Euro für Alkohol aus. Der Verzicht lohnt sich also. Womit ich umgehen kann, sind die teils ironischen Bemerkungen aus dem Umfeld. Nüchtern betrachtet prallen die an mir ab.

Veganuary

Lena Bellon: Ich habe es mir immer mal vorgenommen, mich mehr mit Ernährung zu befassen und wieder mehr zu kochen. Der Selbstversuch hat mir den nötigen Anlass gegeben, mich auch mit der Industrie dahinter zu befassen. Aus anfänglicher Trauer um Käse und Rührei wurde eine spaßige Suche nach neuen Alternativen und ich konnte mit Vorurteilen aufräumen.

In den Gesprächen mit den Ernährungsexpertinnen wurde mir dann auch die Sorge genommen, dass vegane Ernährung sehr mangelhaft ist. Mit den richtigen Tricks kann ich sie gesund – aber auch weniger gesund gestalten. Beim Einkaufen habe ich gerne mal zu Bio-Produkten gegriffen.

Das war zwar etwas teurer, aber dafür habe ich auch einige Lebensmittel (und Kosmetik und Co.) gar nicht mehr gekauft und mir das tägliche Geld in der Kantine gespart. Im Geldbeutel herrscht also Gleichstand.

Zuckerfrei

Romy Bergmann: Die Idee kam spontan, geplant war das nicht. Aber ich hatte direkt Lust, mich der Herausforderung zu stellen.

Noch motivierter war ich nach dem Gespräch mit dem Ernährungsteam im Klinikum. Denn: Zugesetzten Zucker braucht der Körper nicht – also habe ich dadurch keinen Mangel. Aber Fruchtzucker und Co. kann ich beruhigt zu mir nehmen und muss nicht auf Süße verzichten. Finanziell gab es kaum einen Unterschied. Gespart habe ich dadurch, dass ich keine Süßigkeiten oder Chips mehr gekauft habe und auch nicht in Restaurants gegangen bin. Die einzelnen Produkte, die ich dann gekauft habe, waren aber eher etwas teurer. Ich habe mich dann gelegentlich für die Bio-Variante entschieden. Oft habe ich die Frage nach Gewichtsverlust bekommen. Das war auf keinen Fall das Ziel der Challenge, aber ein schöner Nebeneffekt. Insgesamt habe ich fast drei Kilo verloren.

Das war meine größte Herausforderung

Sabine Lindenau: Ganz klar der Jahreswechsel. Aufs neue Jahr nicht mit Prosecco anstoßen, während die Prickelbrause in den Gläsern meiner Freundinnen blubberte, fiel mir echt schwer.

Lena Bellon: Definitiv das tägliche Vorkochen, um mittags ein leckeres, gesundes und sättigendes Essen zu haben. Sich nach Feierabend zum Schnippeln und Kochen aufzuraffen, war etwas nervig.

Romy Bergmann: Am schwierigsten war der allererste Einkauf. Obwohl ich mich vorher belesen hatte, welche Lebensmittel für eine zuckerfreie Ernährung geeignet sind, gibt es doch viele Zuckerfallen.

Das hat mich überrascht

Sabine Lindenau: Dass ich keine eindeutigen positiven Verzichtseffekte gespürt habe. Ich konnte genauso gut schlafen und war nicht konzentrierter als in den Monaten zuvor. Erst als eine Ernährungsexpertin meinte, beim Ausdauersport würde man zuerst spüren, dass der Körper lange keinen Alkohol bekommen habe, ist es mir aufgefallen. Die Treppen zur Redaktion habe ich müheloser gemeistert und auf dem Tennisplatz fühlte ich mich fitter.

Lena Bellon: Zwei Dinge: Dass eigentlich alles, was ich gekocht oder in Restaurants bestellt habe, gut geschmeckt hat. Mich hat aber auch überrascht, dass viele Dinge nicht vegan sind, über die ich zuvor nicht nachgedacht habe. Säfte und Wein oder Sekt zum Beispiel sind in der Verarbeitung nicht ohne tierische Produkte.

Romy Bergmann: Ich habe absolut keine Entzugserscheinungen gespürt. Auch die Lust auf Alkohol und Snacks, wie Chips oder Weingummi, ist gesunken. Stattdessen fühle ich mich tagsüber etwas energiegeladener und schlafe nachts etwas besser.

Das waren meine schwachen Momente

Sabine Lindenau: Da muss ich überlegen. So echte schwache Momente hatte ich gar nicht. Vielleicht die Volksstimme-Gala zum Magdeburger des Jahres, als um mich herum fast jeder ein Glas Sekt in der Hand hatte, während ich nur Wasser getrunken habe.

Lena Bellon: Im Januar gab es beruflich ein paar Neujahrsempfänge und Einladungen. Fast nirgends konnte ich etwas essen und musste dann doch oft hungrig ausharren. Außerdem habe ich in den ersten zwei Wochen schon sehr meine Käse-Stulle vermisst. Denn der vegane Scheibenkäse ist leider nicht so mein Fall.

Romy Bergmann: Bei der Magdeburger-des-Jahres-Gala in der zweiten Woche hatte ich versehentlich ein paar Schlucke Sekt getrunken. Ansonsten fiel es mir bei Feiern oder beim Ausgehen mit Freunden schwer, zuckerfreie Alternativen zu finden. Deshalb hatte ich dann meistens gar nichts gegessen.

Was ich für die Zukunft mitnehme

Sabine Lindenau: Alkohol (besonders Aperol, guter Wein und Prosecco) sind lecker. Ich kann aber auch drauf verzichten. Nur mein Umfeld muss ich noch davon überzeugen, dass es mich nicht stört, beim Ausgehen auch mal zur alkoholfreien Alternative zu greifen.

Lena Bellon: Es ist ein gutes Gefühl, sich mal einer Herausforderung zu stellen. Für vier Wochen ist fast alles möglich und kann Spaß machen.

Romy Bergmann: Man braucht keinen Industriezucker, um lecker essen zu können. Auch bin ich überzeugt, dass ich keine Schokolade mehr brauche, um meiner Seele etwas Gutes zu tun. Es gibt genug leckere gesunde Alternativen.

Wie geht es jetzt weiter?

Sabine Lindenau: Obwohl ich nicht zu den Menschen gehöre, die allein daheim Alkohol trinken, werde ich mir heute Abend nach Feierabend einen Aperol gönnen. Aber mit dem Wissen, dass Alkohol ein Zellgift ist, werde ich ihn sicher noch bewusster als ohnehin schon trinken. Weniger ist mehr.

Lena Bellon: Die Frage habe ich oft bekommen. Ich werde erst mal weitermachen. Jetzt sind die tierischen Produkte außer Haus und ich muss zunächst keine mehr einkaufen. Je mehr ich mich damit befasst habe, umso entschlossener bin ich, das Tierleid nicht mehr zu unterstützen. Aber zu streng werde ich nicht mit mir sein und auch nicht hungern, wenn es nichts Veganes gibt. Da würde ich immer auf meinen Körper hören.

Romy Bergmann: Ich werde definitiv weiterhin keine Produkte mehr kaufen, denen Zucker zugesetzt wurde. Denn die Ernährungsumstellung hatte viele positive Effekte auf mein Wohlbefinden, die ich nicht mehr missen möchte. Doch abseits meines Haushalts möchte ich gerne Ausnahmen machen: Restaurants besuchen, mit Freundinnen etwas trinken gehen, Geburtstagskuchen essen – einfach das Leben genießen.