Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Liebe zu Elbe und Dom in Magdeburg
Christian Scheller ist in Magdeburg heimisch geworden. Menschen sind für ihn zwar wichtiger als ein Ort - aber in Magdeburg passe beides zusammen, sagt er.

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Christina Scheller, Klinikum Magdeburg.
Als der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher im Wendeherbst 1989 vom Balkon der Prager Botschaft zu den aufgebrachten Menschen spricht, ist Christian Scheller gerade 16 Jahre alt. Doch es sind Genschers Worte und die überbordende Reaktion der Masse, die ihn bis heute tief berühren. „Das ist sicher der emotionalste Moment für mich. Bis heute.“
An den 3. Oktober 1990 kann er sich nicht bewusst erinnern. Irgendwie nur „ein formales Datum“, wie er sagt. „Was ich aber sagen kann: Bei mir und in unserer Familie war die Freude über die offene Grenze sehr, sehr groß. Auch, weil wir viele Kontakte und familiäre Verbindungen in den Osten hatten.“
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Denn Christian Scheller verfolgt Genschers Balkonrede nicht etwa von Magdeburg aus, sondern in seiner Geburts- und Heimatstadt Nürnberg. „Meine Oma kommt aus Berlin, mein Opa hat vor 1961 in Sachsen als Arzt gearbeitet und meine Mutter ist in Bautzen und Görlitz aufgewachsen“, sagt der Chefarzt für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie am Klinikum Magdeburg. „Pakete packen für den Osten war für mich nie abstrakt, sondern immer ganz konkret. Und wir hatten auch viel Besuch von drüben.“
In Nürnberg zur Schule, in Ulm zum Doktor
Christian Scheller geht in Nürnberg zur Schule und anschließend fürs Medizin-Studium an die Uni nach Erlangen-Nürnberg. 1997 beginnt er seine Doktorarbeit und geht nach Ulm. Als sein Doktorvater an die Saale nach Halle wechselt, entscheidet sich der junge Arzt dazu, ihm zu folgen. „Am dortigen Universitätsklinikum habe ich dann von 2007 bis Ende 2021 als Oberarzt in der Neurochirurgie gearbeitet“, berichtet der gebürtige Franke. „Und wie es das Schicksal so will, habe ich in Halle meine Frau kennengelernt, die genau wie ich aus Nürnberg kommt.“ Drei gemeinsame Kinder kommen zur Welt „Und das sind richtige Sachsen-Anhalter. Sachsen-Anhalt ist ihre Heimat, das ist ganz klar.“
Liebe zu Dom und den Ottonen
Am 1. Juli 2022 übernimmt Christian Scheller, nach einem kurzen Abstecher an das Klinikum Bremerhaven, die Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie des Klinikums Magdeburg, das 23 Fachbereiche und Institute vorweisen kann. „Ich hätte auch in Bremerhaven bleiben können, habe mich aber bewusst für Magdeburg entschieden. Ich kannte die Stadt schon von verschiedenen Ausflügen und großen Kongressen“, sagt der passionierte Schach- und Tennisspieler.
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Der Mediziner liebt die Elbe und die Historie mit dem Dom und den Ottonen. „Im Mittelalter gehörten Magdeburg und Nürnberg zu den größten und wichtigsten Städten Deutschlands. Das muss man sich mal vorstellen.“
Menschen sind wichtiger als der Ort
Christian Scheller liebt und lebt den Arztberuf. Er hat immer den Menschen im Blick und an die Sachsen-Anhalter sein Herz verloren. „Wenn man ihnen gegenüber bodenständig, gradlinig, aufrichtig und ehrlich ist, dann bekommt man ganz viel zurück“, sagt der dreifache Familienvater. „Menschen sind wichtiger als der Ort. Aber hier in Magdeburg kommt glücklicherweise beides zusammen.“ Innerhalb seines Teams im Klinikum Magdeburg bescheinigt er den Mitarbeitenden aus Magdeburg eine „ungeheure Identifikation mit ihrer Stadt“.
Mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen
Der gebürtige Nürnberger sagt, dass nach der Wiedervereinigung natürlich Fehler gemacht worden sind. „Viele persönliche Schicksale wurden damals besiegelt, vielen hat man die Identität genommen“, erklärt er. „Für ausnahmslos jeden Einzelnen war die Wende sicher nicht gut, doch für das gesamte Land schon.“ Aber gerade weil Deutschland immer schon föderal strukturiert war, werde es immer regionale Unterschiede geben.
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Auch zwischen Ost und West, da ist sich Christian Scheller sicher. „Deutschland war noch nie ein zentralistisches Land. Das Zusammenwachsen beider deutscher Staaten ist noch nicht überwunden.“ Der Mediziner wünscht sich, dass die Menschen viel mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen, dass sie stolz sind auf das Miteinander. „Es wird immer Herausforderungen geben, doch man muss sie selbst lösen und niemals darauf warten, dass es jemand anderes tut.“ Magdeburg kann das.