Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Mit Video: Magdeburg braucht mehr Zuversicht und Lächeln
Annelie Mrowetz vom Fraunhofer-Institut kümmert sich dort um den Einkauf. Magdeburg wünscht sie mehr Zuversicht und den Einwohnern mehr Lächeln.

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. HierAnnelie Mrowetz, Fraunhofer-Institut Magdeburg.
Serie 35 Jahre Einheit: Annelie Mrowetz, Fraunhofer-Institut
(Stadtmarketingverein Pro M Magdeburg) Hinweis: Sollte das Video nicht angezeigt werden, laden Sie bitte Ihren Browser neu.Annelie Mrowetz ist ein Berliner Mädchen. Sie kommt in der Metropole zur Welt und wird da groß, „wo das DDR-Fernsehen sitzt“ – im Stadtteil Adlershof. „Mein Opa war Meteorologe und hat im DDR-Fernsehen das Wetter gemacht“, erzählt die Einkäuferin am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und –automatisierung (IFF) in Magdeburg. Die Mauer trennt und prägt nicht nur Berlin; sie trennt und prägt auch die Familie von Annelie Mrowetz.
Zettel auf dem Tisch: „Ich bin im Westen“
„Im Juni 1961, also kurz vor Beginn des Mauerbaus im August, hat meine Oma einen Zettel auf den Tisch gelegt, in dem sie mitteilte, dass sie nach West-Berlin in eine Flüchtlingsunterkunft geht“, erzählt sie aus der Familiengeschichte. „Sie hat nur ihre jüngste Tochter mitgenommen, die damals zehn Jahre alt war. Meine Mutter war 21 und blieb im Osten.“ Von da an habe sie bis zum Mauerfall eine „West-Oma“ gehabt, die in den 70er und 80er Jahren regelmäßig zu Besuch gekommen ist und sie dadurch auch gelegentlich „kleine Sachen aus dem Westen“ genießen durfte.
Gorbatschow gesehen und zu Dank verpflichtet
Annelie Mrowetz erlebt die Umbrüche und den Mauerfall im pulsierenden Berlin. Sie geht einige Male auf Demos, sieht den ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, über den sie heute sagt, dass wir ihm viel zu verdanken haben. Weil sie in der DDR direkt nach der Schule kein Abitur machen darf, absolviert sie nach einer Lehre zum Wirtschaftskaufmann in Dresden ein Studium an der Fachschule für Binnenhandel, die größte Ausbildungseinrichtung ihrer Art in der DDR.
„Ich erinnere mich auch, dass wir im Juni 1989 wegen des Geburtstags meiner Oma rüber nach West-Berlin wollten und einen Antrag gestellt haben“, berichtet sie. Obwohl nur wenige Monate vor der Grenzöffnung, sind die Entscheider in der DDR streng mit ihr. „Meine Mutter und meine Schwester durften, ich nicht.“
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Erst als Annelie Mrowetz die Unterschrift ihres Fachschuldirektors besorgt, öffnet sich der Schlagbaum. „Ich war zwei Tage in Westberlin. Ich sah das Schloss Charlottenburg und wir waren beim Italiener essen. Und obwohl da ja nur diese Mauer war, roch der Osten nach Trabi und der Westen nach Waschmittel.“ In der Zeit um den 9. November 1989 arbeitet sie im Berliner Kohlehandel und bekommt am eigenen Leib mit, wie Betriebe und Firmen abgewickelt und runtergewirtschaftet wurden. „Wir hatten plötzlich West-Chefs und die waren protzig wie Könige. Ich wünschte, da wäre einiges anders gelaufen.“
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Im Januar 1990 lernt sie in Berlin ihren späteren Mann und Vater ihrer Tochter kennen. Nach der Wende kommt sie durch seine Arbeit nach Magdeburg. „Ich war vor 1990 nie hier. Und das, obwohl meine Familie hier verwurzelt ist. Allerdings haben 1954 meine Großeltern Magdeburg verlassen, da war meine Mutter 14. Meine Urgroßeltern hatten in Stadtfeld einen Drogeriegroßhandel und in Sudenburg eine Drogerie.“ Rückblickend beschreibt Annelie Mrowetz das Magdeburg von 1990 als „mir zu der Zeit unbekannt, aber in Gedanken als nicht so schön“.
Sechs Jahre pendelt ihr Mann zwischen Berlin und Magdeburg, erst 1997 zieht die Familie in ein Haus in Niederndodeleben, das im Magdeburger Speckgürtel liegt. „Anfangs hatte ich viel Heimweh, aber dann fing ich an, das Landleben zu genießen.“
Tochter wohnt jetzt in Neukölln in Berlin
Nach mehreren beruflichen Zwischenstationen macht sie eine Nachbarin 1999 auf eine Stelle im Fraunhofer-Institut aufmerksam. Seitdem kümmert sich Annelie Mrowetz um den Einkauf, besorgt von Schrauben, Papier bis zur Maschine und Roboterarme so ziemlich alles, was den Betrieb des renommierten Technologie- und Forschungsinstituts am Laufen hält. Magdeburg ist Heimat geworden.
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„Ich nehme hier ganz viel Kultur mit“, sagt die begeisterte Radfahrerin und Naturgenießerin. „Meine Tochter wohnt jetzt in Neukölln. Berlin ist heute schnell, laut und krachig. Das ist nicht mehr mein Ding.“
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„Ich wohne heute in der Nähe vom Elberadweg. Einfach toll, dass ich mit dem Fahrrad durch das grüne Umland zur Arbeit fahren kann.“ Von den Menschen in Magdeburg wünscht sie sich weniger Negativität und Gemeckere und mehr Optimismus und Zuversicht. Lieber geht sie mit einem Lächeln durch die Stadt, in der sie seit mehr als einem Vierteljahrhundert arbeitet und glücklich ist. „Ich lebe im Hier und Jetzt. Und das Hier und Jetzt ist Magdeburg.“