1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Mit dem Fahrrad um die Welt: Magdeburger über scharfes Essen, Tigerangriffe und Gastfreundschaft

Mit dem Fahrrad um die Welt Magdeburger über scharfes Essen, Tigerangriffe und Gastfreundschaft

Ein Jahr lang ist der Magdeburger Alexander Heinrich mit dem Fahrrad um die Welt gefahren. Dabei hat er viele Hürden genommen, viel Gastfreundschaft erlebt und von Unterstützern 80 000 Euro Spenden für die Villa Wertvoll gesammelt. Volksstimme-Reporterin Lena Bellon spricht mit ihm im Interview über seine Reise.

26.07.2023, 03:30
Alexander Heinrich, Fahrradtour, Weltreise, Villa Wertvoll, Mit dem Fahrrad um die Welt
Alexander Heinrich, Fahrradtour, Weltreise, Villa Wertvoll, Mit dem Fahrrad um die Welt Hammad Alharbi

Der 30-jährige Magdeburger Alexander Heinrich ist ein Jahr um die Welt gereist – mit seinem Fahrrad. Die erste Hälfte erlebte er das Abenteuer zusammen mit seiner Freundin Karolin Knothe, die zweite Hälfte reiste er alleine. Insgesamt hat er 12 700 Kilometer zurückgelegt.

Seit zwei Wochen sind Sie wieder in Magdeburg. Wie lange und wo waren Sie unterwegs?

Ich war ein Jahr lang unterwegs mit meinem Fahrrad. Ich bin durch Europa durch nach Istanbul, durch die Türkei. Von da nach Zypern, Israel, Palästina, Jordanien, Saudi-Arabien, Arabische Emirate, Oman. Von da nach Indien, Nepal. Von da bin ich nach Rom geflogen und dann durch die Alpen wieder nach Hause geradelt.

Wie kamen Sie auf die Idee?

Ich saß im Pandemiewinter daheim und habe mich in die Ferne geträumt, wollte die Welt sehen. Ich habe mal jemanden kennengelernt, der das gemacht hat. Da wusste ich, dass das geht.

Wie sah die Vorbereitung aus?

Mit der Planung habe ich mich eineinhalb Jahre vorher beschäftigt. Zum Glück habe ich einige internationale Freunde, die mir Auskunft über das Wetter geben konnten und sagen, worauf ich achten muss. Drei Monate vor Abfahrt habe ich dann die Spendenkampagne gestartet und alles gekauft, was ich brauchte.

Mit dem Rad und viel Gepäck im Straßenverkehr.
Mit dem Rad und viel Gepäck im Straßenverkehr.
Ahmed Alahmed

Wie lief die Finanzierung ab, was hat das Jahr gekostet?

Ich bin Fundraiser bei der Villa Wertvoll. Meine Reise war gleichzeitig eine Spendenkampagne für den Erweiterungsbau. Von unterwegs konnte ich als Teilzeitstelle weiterarbeiten, Anträge stellen beispielsweise. In Magdeburg habe ich meine Wohnung untervermietet. Außerdem ist die Reise mit dem Rad sehr günstig. Ich habe jeden Tag 25 bis 30 Euro ausgegeben. Man kauft nichts, weil man es nur schleppen muss und eigentlich brauchte ich nur Essen, Trinken und ab und zu eine Übernachtung. Oft habe ich aber im Zelt geschlafen.

Was waren Hürden?

Mein Ziel war eigentlich Hongkong, aber das habe ich nicht erreicht. Das Visum wurde nicht bewilligt – vermutlich weil ich zu lange in der Türkei war. Es gab immer mal politische Hürden wie beispielsweise die Demonstrationen im Iran, auch noch geschlossene Grenzen wegen Corona. Indien beispielsweise war eine große Herausforderung wegen des Verkehrs. Unheimlich dreckig, staubig und chaotisch, viele Geisterfahrer. Hupen ersetzt im Zweifel in manchen Teilen Indiens auch mal den Rückspiegel. Dort war auch ganz extrem, dass uns viele Menschen angestarrt haben, Selfies machen wollten. In der Türkei und in Griechenland waren Straßenhunde eine große Herausforderung, die uns auf den Rädern gejagt haben.

Die zwei Magdeburger beim Holi Festival in Indien.
Die zwei Magdeburger beim Holi Festival in Indien.
Davide Didier

Welche Verkehrsmittel mussten Sie noch nutzen?

Ich bin mit Fähren gefahren. Nach Indien und von dort wieder zurück bin ich geflogen und viermal getrampt. Davon war ich zweimal krank, hatte Fieber und mir den Magen verdorben. Einmal gab es in Indien Tigerangriffe, weshalb die Polizei keine Radfahrer an einer Strecke erlaubt hat. Einmal in der Wüste hatte ich noch keine SIM-Karte für das Land, konnte daher nicht absehen wo die nächste Versorgungsstation ist – das wollte ich nicht riskieren.

Wie viele Pannen gab es?

Das Fahrrad hat gehalten, ich fahre noch immer damit. Ich hatte nur zehnmal einen platten Reifen und ansonsten nur kleine Reparaturen. Aber das Fahrrad habe ich auch extra für diesen Zweck gekauft, es hat dicke Räder und hält viel Gepäck aus.

Was war das Schönste?

Wir haben in ausschließlich allen Ländern eine großartige Gastfreundschaft erlebt. Überall waren Menschen hilfreich, haben uns aus schwierigen Situationen geholfen, haben uns eingeladen. Wir haben nie erlebt, dass Menschen böswillig eingestellt waren oder uns bestohlen haben. Oft bekommen wir in Deutschland nur die politischen Umstände oder Entscheidungen in anderen Ländern mit. Aber vor Ort merkt man erst, dass die individuellen Menschen, die dort leben, nicht ihre Politik sind. Sie haben uns am Wegesrand angehalten, uns Essen geschenkt und Schlafplätze angeboten. Das war großartig zu erleben.

Der Magdeburger und seine Freundin zu Gast im Oman.
Der Magdeburger und seine Freundin zu Gast im Oman.
Foto: K. Knothe

Was ist Kurioses passiert?

Das ist natürlich von Land zu Land unterschiedlich. Ich war zum Beispiel mal auf einem Kamelfestival eingeladen. Das Tier ist im Herzen der saudischen Kultur. In der Wüste waren überall Kamele. Es gab Handel, ein Wettrennen, Babykamele. Man kann verschiedene Dattelsorten kosten. Und was auch witzig war: Kamele laufen nicht auf den Transporter, sondern werden mit einem Kran hinein gehoben.

Was war überraschend?

Das Wetter. Wien war mit 38 Grad die heißeste Stadt meiner Reise. In der Wüste war ich allerdings auch im Winter unterwegs. In Saudi Arabien hatte ich die meisten Regentage. Aber hauptsächlich haben Kulturen mich überrascht. Die arabische Kultur funktioniert sehr hierarchisch. Das ist zunächst ungewöhnlich für mich gewesen, aber dort war es für viele nicht unangenehm. Ich musste lernen, dass es einige Kulturen gibt, bei denen Freiheit einfach für viele kein wichtiger Wert ist.

Die Karte zeigt die ungefähre Route des Magdeburgers.
Die Karte zeigt die ungefähre Route des Magdeburgers.
prePress Media Mitteldeutschland

Wie lief es mit dem Essen?

In Indien musste ich mich an die Schärfe gewöhnen. Nach einer Woche musste ich nicht mehr heulen beim Essen, nach zwei Wochen ist es lecker und nur noch die Nase läuft. Dass im Oman oder den Emirates oft mit der Hand gegessen wurde, war auch erst eine ungewöhnliche Erfahrung. Vor allem dass alle von einem Teller essen.

Bleiben Sie erstmal in Magdeburg?

Man lernt wieder das eigene Bett schätzen. Ich mache erstmal wieder Urlaub im Schrebergarten. Aber sicher zieht es mich mal wieder weg in ein paar Jahren.

Was nehmen Sie von der Reise mit in den Alltag?

Ich hatte das Erlebnis, dass mir im Fahrradladen jemand meinen Einkauf geschenkt hat. Er wollte damit ein Zeichen für unser Miteinander zwischen der westlichen und arabischen Welt setzen. Und das ist auch die Nachricht, die ich verbreiten möchte. Dass wir als Menschen zusammenhalten sollten.