Theater Magdeburg Nach 46 Jahren sagt Bühnenmeister Frank-Peter Lange Adieu
Frank-Peter Lange ist Magdeburgs dienstältester Bühnenmeister. In 46 Jahren am Theater Magdeburg hat er einiges erlebt. Was er mitnimmt, sind Erinnerungen an tolle Kollegen, abenteuerliche Inszenierungen und ein Leben im Traumberuf.

Magdeburg - Eine große Versicherung hatte Frank Peter Lange als Bühnenmeister am Magdeburger Theater abgeschlossen, als er in dem sanierten Gebäude am Uniplatz zu arbeiten begann. Die Technik, die dort zum Einsatz kommt, koste Millionen. Zum Glück hat er die Versicherung nie gebraucht, sagt er nach 46 Dienstjahren und kurz vor Ende seines Berufslebens. In zwei Wochen geht er in Rente und reicht den Staffelstab als dienstältester Bühnenmeister des Hauses weiter an den nächsten. „Ich möchte mit meinen Enkelkindern etwas erleben, ganz viel Ruhe haben und Zeit zum Musik hören“, sagt er nach 197 Inszenierungen, die er begleitet hat.
Schlüsselerlebnis während der Ausbildung zum Tischler
Tischler habe er werden wollen, berichtet Frank-Peter Lange, wie alles begann. Am Theater Magdeburg wurde eine Ausbildung zum Dekorationstischler ausgeschrieben. Auf die Stelle bewarb er sich und wurde genommen. Noch während seiner Ausbildung hatte er ein Schlüsselerlebnis. Weil in der Technik Personal fehlte, half er in der Inszenierung „Der Bettelstudent“ aus. „Da hat es mich richtig geflasht“, erzählt er. Nach der Armeezeit erwog er aus finanziellen Gründen zunächst einen Einstieg im Sket. Doch nachdem er die Werkhalle gesehen hatte, beschloss er, zurück ans Theater zu gehen und dort seinen Weg zu gehen. Zwei Jahre war er als Vorarbeiter tätig, ehe er sich als Bühnenmeister bewarb und das entsprechende Fernstudium absolvierte.

Was man als Bühnenmeister macht, erklärt er anhand der Inszenierung „Jekyll und Hyde“. Da kamen Bühnenbilder Court Watson vom Broadway in New York und Regisseur Christian Struppek zu ihm, schwärmten von großen Häuserschluchten und einem riesigen Pool. „Wir setzen uns dann mit dem Technischen Direktor und den Werkstätten hin und schauen, was überhaupt möglich ist“, erzählt er. Der Bühnenbildner komme mit 100 Prozent. Wenn er mit 95 oder 90 Prozent hinausgeht, ist er immer noch zufrieden und merke die Abstriche kaum.
Gegenseitiges Vertrauen und eine verlässliche Truppe
Etwa sechs bis zehn Wochen vor der Premiere gebe es dann die technische Einrichtung, bei der das Bühnenbild grob aufgebaut werde. Erst danach beginnen die Fein- und Dekorationsarbeiten, bei denen Frank-Peter Lange immer im Blick behält, ob alles passt. Ein dreiviertel Jahr werde an einer Inszenierung gearbeitet. „Und nach der Premiere möchte man schlafen gehen und am liebsten drei Wochen nicht wieder aufstehen“, erzählt er. Denn immer neue kreative Einfälle sind gefragt. Es sind die Herausforderungen, die der Bühnenmeister, der ursprünglich von der Küste kommt, so schätzt. Manches Mal sei er nachts aufgewacht, weil er eine Idee hatte, wie er diesen oder jenen Wunsch umsetzen könnte, und machte sich gleich Notizen. Im „Zauberer von Oz“ zum Beispiel sollte eine Figur fliegen und während der laufenden Szene dafür präpariert werden. Die Sicherheit der Beteiligten geht natürlich immer vor – vor allem, wenn es um Bewegungen geht, die der Schauspieler nicht selbst vollführt. Also wenn er fliegen soll oder sich auf einer Drehplatte befindet. Gegenseitiges Vertrauen ist wichtig. „Und da lasse ich auf meine Truppe nichts kommen“, sagt er. Er betont zudem, wie wichtig die Werkstätten für die Inszenierungen seien, und ist voll des Lobes für die Kollegen.
Trotz aller Vorsicht und Umsicht hat Frank-Peter Lange auch den einen oder anderen Sturz gesehen. Zum Glück gingen sie alle glimpflich aus. Ein Kollege sei beispielsweise mal in den Orchestergraben gefallen, ein anderer stürzte mit zwei Stehtischen zwei Meter in die Tiefe. „In meiner Ausbildung zum Bühnenmeister haben sie uns von Unfällen mit tödlichem Ausgang erzählt“, erinnert er sich, damals hatte er schon kurzzeitig gehadert, ob die Entscheidung ob der Verantwortung richtig gewesen war.
Ein düsteres Kapitel in der Geschichte war der Theaterbrand, bei dem das Magdeburger Theater zerstört wurde. An einem Sonntag sei das gewesen, seine Mutter hatte Mittag gekocht und als er dazu kam, habe sie gesagt: „Frank-Peter, dein Theater brennt.“ Er wollte es erst nicht glauben, machte sich aber auf den Weg und sah schon von weitem die Rauchwolken aufsteigen. Kurze Zeit später watete er durch das knietiefe Löschwasser: „Da habe ich das ganze Grauen gesehen.“
Übergangsquartier am Jerchichower Platz
Erst im Kuppeltheater, dann im Alten Theater am Jerichower Platz konnte die kulturelle Arbeit auf der Bühne aber fortgesetzt werden. Die technischen Voraussetzungen haben sich stark verändert: Nach der Wende konnten Nagelbohrer und Nageleisen gegen Akkuschrauber eingetauscht werden und im sanierten Haus wurde es dann richtig modern.
Was Frank-Peter Lange auszeichnet, ist sein Bestreben, dass sich die Leute wohlfühlen. „Bei uns werden die Schauspieler immer auch ein bisschen betuddelt, und das machen wir gern“, erzählt er, „dann geben sie auch 100 Prozent.“ In der Inszenierung „Die Schöne und das Biest“ beispielsweise wurden Wasserhalterungen installiert, damit der Darsteller, der den Kerzenleuchter spielte und deshalb die Hände nicht frei hatte, zwischendurch trinken konnte, für die Kommode und die Kaffeekanne fertigten die Bühnenbauer Spezialhocker, als diese erwähnten, dass sie in ihren Kostümen nicht sitzen könnten. Und so sei das in allen Abteilungen des Theaters.
Ein Umbau in zwölf Sekunden
Proben müssen aber nicht nur die Schauspieler, Sänger oder Tänzer. Auch die 21 Bühnentechniker üben. Nicht selten steht Frank-Peter Lange mit der Stoppuhr daneben, weil der erste Durchlauf eines Umbaus eine Minute dauerte, aber nur 12 Sekunden zur Verfügung standen. In der Inszenierung „Die drei Musketiere“ zum Beispiel gab es sechs Häuser, jedes 800 Kilogramm schwer, die alle von allen Seiten bespielbar waren: 120 unterschiedliche Positionen wurden einstudiert. Manchmal sei gar die Premiere die letzte Probe gewesen.
„Und dann gibt es auch mal Hände schütteln und man liegt sich in den Armen, weil alles gut gelaufen ist“, erzählt er und ärgert sich, wenn er im Fernsehen Ballettinszenierungen anschaut, bei denen die Operafolie im Hintergrund Falten schlägt. „Das können wir nicht anbieten“, sagt der Perfektionist. Kein Wunder: „Das Theater ist mein Leben.“ Seine Tochter sei dort groß geworden, seine Frau Kassenchefin. Einzig die Arbeitszeiten seien manchmal schwierig mit Freunden und Familie vereinbar gewesen: „Aber dafür habe ich so einen geilen Job“, sagt Frank-Peter Lange.
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