Gedenken Nach Diebstahl von Stolperstein in Magdeburg: So geht es nun weiter
Im Dezember 2021 verschwand ein Stolperstein in der Magdeburger Innenstadt. Mutmaßlich wurde die symbolische Erinnerung an das jüdische NS-Opfer Otto Wolff gestohlen. Sein Platz soll nicht leer bleiben.

Magdeburg - Irgendwann zwischen dem 15. und 22. Dezember 2021 ist der kleine Betonstein mit Messingplatte verschwunden. Der materielle Wert ist gering, der ideelle umso größer. Es handelt sich um den Stolperstein für Otto Wolff, Makler aus Magdeburg, der laut Inschrift 1942 ins Warschauer Ghetto deportiert und bald darauf im Vernichtungslager Treblinka ermordet worden war. Der Stein erinnert seit 2014 an sein Schicksal, das ihm die Nationalsozialisten aufzwangen, nur weil er jüdischen Glaubens war.
Eingelassen war der Stein vor der Kita in der Max-Otten-Straße (damals Schrotdorfer Straße), zusammen mit denen seines Bruders Leopold und dessen Frau Frieda. Schüler des Ökumenischen Domgymnasiums hatten sie gespendet, wie Rudolf Haas in einem Leserbrief erinnert. Der frühere Pfarrer dokumentiert regelmäßig die Stolpersteinverlegungen in der Stadt.
„Was will eigentlich der Ausgräber mit dem Stolperstein anfangen? Sollte er ihn in eine Glasvitrine in sein Wohnzimmer stellen? Er müsste aber, wenn Gäste fragen, auch antworten können“, schreibt er. Er könne nur hoffen, dass er wieder auftaucht. „Vielleicht finden ihn in den nächsten Tagen frühmorgens die Kinder der Kita vor ihrer Tür“, schreibt er.
Ersatzstein ist bestellt
Darauf will sich Waltraut Zachhuber von der AG Stolpersteine nicht verlassen. Diese koordiniert die Verlegungen, sammelt die Spenden dafür und recherchiert die Biografien der jüdischen Magdeburger, an die erinnert werden soll. „Natürlich soll der Stolperstein so schnell wie möglich ersetzt werden. Ich habe gleich einen neuen bestellt und hoffe, dass er bald da sein wird“, erklärt sie. Leider dauere dies seine Zeit. Sie hoffe aber, dass der Stein spätestens im März wieder in der Erde liegen wird.
„Für uns ist es immer wichtig, dass Lücken und Beschädigungen nicht lange bleiben“, erklärt sie. Auch beim Banner für die geplante Synagoge in der Julius-Bremer-Straße müsse man regelmäßig eingreifen, weil es mutwillige Zerstörungen gibt.
Unvorsichtige Bauleute
Lücken bei den Stolpersteinen habe es bislang nur gegeben, wenn Bauleute bei Gehwegarbeiten nicht genau aufgepasst hatten. „Da wurden jeweils durch die Verursacher die neuen Steine bezahlt“, erklärt Waltraut Zachhuber. Ihrer Erinnerung nach sei das bislang viermal passiert. „Dass ein Stein vermutlich absichtlich entwendet wurde, geschah nun zum ersten Mal“, sagt sie.
Dietrich Lührs, Direktor des Domgymnasiums, findet deutliche Worte dafür: „Was wie ein Kavaliersdelikt aussieht, ist moralisch äußerst verwerflich und perfide.“ Den Tätern sei offenbar nicht klar, dass sie das Gegenteil von dem erreichen, was sie vorhatten: „Durch das absichtliche Entfernen von Stolpersteinen erinnern sie an die Gräueltaten der Nazizeit“, erklärt er. Das Ganze zeige auf, „wie wichtig es ist, dass wir dies dunkle Kapitel der Geschichte nie zuschlagen dürfen.“
Schüler reinigen Stolpersteine
Im Rahmen der Schulaktionswoche „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ werden Schüler des Domgymnasiums demnächst wieder Stolpersteine reinigen und Blumen niederlegen und sich mit dem Schicksal der Menschen auseinandersetzen, an die die jeweiligen Steine erinnern, erklärt der Schulleiter.
Laut einer Polizeisprecherin habe sich bislang kein Zeuge zu dem Fall des vermissten Stolpersteins gemeldet. Erst am 5. Januar 2021 hatte die Polizei das Verschwinden gemeldet und um Hinweise gebeten. Die Ermittlungen dauern an.