Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Mit Video: Nach Levis-Jeans aus dem Intershop - Neustart als Unternehmer
Eigentlich waren Autos die Leidenschaft von Jörg Heinecke. Doch es kam mit der Wende anders: Er wurde erfolgreicher Unternehmer in einer ganz anderen Branche.

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Jörg Heinecke, Gründer und Betreiber eines Sanitätshauses.
Kommt Jörg Heinecke über die aufregende und schnelllebige Wendezeit ins Sinnieren, so malt er ein Bild mit den berühmten Türen, die plötzlich offenstanden. „Und ich bin bis heute nicht durch alle hindurch“, sagt der Geschäftsführer der Magdeburger Orthopädie-Technik GmbH (MOT) mit einem Schmunzeln.
Video: Serie 35 Jahre Deutsche Einheit: Jörg Heinecke, Gründer und Betreiber eines Sanitätshauses
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Und auch, wenn es in der DDR kaum offene, beziehungsweise zu öffnende Türen gegeben hat, so sagt der gebürtige Magdeburger über diese Zeit: „Alles, was der Osten geboten hat, haben wir als Kinder und vor allem als Jugendliche mitgenommen. Und einmal im Jahr hat Oma eine Levis Jeans aus dem Intershop spendiert - da war die aus dem Vorjahr schon lange durchgerubbelt.“
Plötzlich war ein ganzer Staat weg
Als SED-Politbüromitglied Günter Schabowski am 9. November 1989 seine berühmte „Sofort, unverzüglich“-Pressekonferenz hält, sitzt der junge Jörg Heinecke vor dem Fernseher. „Das war schon komisch. Da ist einfach ein Staat von der Bildfläche verschwunden. Da stand einfach mal eine komplette Neuorientierung an.“
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Im Jahr 1990 wird für alle alles anders. „Ich erinnere mich natürlich an den 3. Oktober, denn das ist mein Geburtstag.“, lacht er. Damals sei etwas zu Ende gegangen und alle hätten noch einmal nach hinten geschaut und sich gefragt, was da eigentlich gewesen sei. „Und nach vorne haben wir gehofft. Wir waren alle in Aufbruchstimmung. Wir wollten die Welt sehen“, erzählt der dreifache Familienvater, dem dazu Schlagworte wie Zuversicht, Freude und Euphorie einfallen. „Wir hatten väterlicherseits Verwandtschaft in West-Berlin. Die konnten wir jetzt endlich besuchen.“
Leidenschaft sind Autos und Fußball
Weil er gute Zeugnisse und auch ein paar Kontakte hat, kann Jörg Heinecke zu DDR-Zeiten den Beruf des Kfz-Mechanikers lernen. Zu seiner Auto-Leidenschaft gesellt sich eine zweite: Fußball. „Ich stand im Tor in Fermersleben. Wir haben relativ hochklassig gespielt und waren alle sowas wie Halbprofis“, sagt er.
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Wie damals üblich, gibt es einen sogenannten Trägerbetrieb - und das war ein echtes Magdeburger Schwergewicht. „Unser Trägerbetrieb war das Schwermaschinenkombinat Karl-Liebknecht und ich habe über den Fußball im SKL eine Anstellung zum Krankenwagenfahrer bekommen.“ 1988 heiratet Jörg Heinecke, der heute Vater zweier Söhne und einer Tochter ist und in einem Dorf nahe der Landeshauptstadt wohnt.
Sanitätshaus gegründet
Noch im Wendejahr wagt er den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit – und das noch Wochen vor dem 3. Oktober. Sein Schwiegervater, damals Abteilungsleiter im Pharmazeutischen Zentrum, gibt dafür den entscheidenden Impuls. Warum kein Sanitätshaus? Jörg Heinecke sagt ja, sieht das Potenzial und den Bedarf in Magdeburg. Und er sieht, dass er sich mit einem in der Branche erfahrenen Unternehmen „aus dem Westen“ zusammentun muss.
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„Es gab einige, die mich gewarnt haben, doch meine Erfahrungen waren nur gute.“ Jörg Heinecke kooperiert mit dem alteingesessenen Sanitätshaus Kohlbauer in Braunschweig. Seine große Autoaffinität stellt er hinten an. „Ich habe den Weg damals gesehen und bin ihn gegangen. Und ich hatte auch keinen Drang, unser Unternehmen woanders als in Magdeburg anzusiedeln.“
Ostalgie und SED-Bubble
Ohne Schabowski-Rede und anschließendem Mauerfall hätte Jörg Heinecke mit Sicherheit irgendwas mit Autos gemacht und seine sportliche Karriere als Fußballtorwart ausgebaut, schätzt er. „Aber die Zeit ist durch. Wir sollten da auch nicht mehr allzu oft in den Rückspiegel schauen.“ Mit Ostalgie kann er leben. „Ich finde das gut, weil mich das geprägt hat. Trotzdem ich will die DDR nicht hypen. Das war einfach nur eine große SED-Bubble.“
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Vereint sei Deutschland „im Großen und Ganzen“ schon und er merke an seinen drei Kindern, wie Ost und West immer mehr ineinander verflochten werden. „35 Jahre reichen noch nicht, um zwei Staaten auf eine Ebene zu kriegen“, sagt Jörg Heinecke, der auch Vorstand im Verein Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung Magdeburg e. V. ist.
Viele sportliche Erfolge
Seine Geburts- und Heimatstadt Magdeburg liebt und schätzt er. Vor allem die sportlichen Erfolge, mit denen die Stadt nach außen strahlt. „So viele Sportarten auf allerhöchstem Niveau. Da hängen wir einfach nirgends hinterher.“ Magdeburg werde sich immer weiterentwickeln.