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Neue Synagoge Liberale Juden wollen gemeinsames Zentrum

Neben der Synagogengemeinde Magdeburg gibt es auf dem Magdeburger Werder die liberale Jüdische Gemeinde. Auch sie braucht eine Synagoge.

Von Martin Rieß 03.06.2016, 01:01

Magdeburg l  Gemeindevorsitzender Igor Tokar war lange Zeit auf der Suche nach einer eigenen neuen Bleibe für die liberalen Juden. Er sagt: „Mit den Familienangehörigen umfasst unsere Gruppe etwa 350 Personen.“

Faina Lyashkevich arbeitet in der Jüdischen Gemeinde mit und führt durch die bisherigen Räume. Zwar wirken diese freundlich und hell. Doch ein Saal mit rund 30 Plätzen reicht für eine Gemeinde dieser Größe kaum aus. In einer Ecke befindet sich in einem Schrank die Torarolle. An diesen Saal schließt sich ein Speiseraum an, über dem auf Fotowänden die Aktivitäten der liberalen Gemeinde zu sehen sind. Feiern vom Laubhüttenfest oder eine Reise nach Israel sind hier zum Beispiel Thema. Dahinter ein kleiner Flur mit dem Zugang zu den beiden Küchen, auf der anderen Seite der Ausgang zu einem Balkon. Hier ist eine Holzkonstruktion zu sehen, die zu einem Laubhüttenfest gefertigt worden ist. Auf der anderen Seite des Saals befindet sich ein kleines Gemeindebüro mit drei Schreibtischen. Faina Lyash­kevich sagt: „An einigen Stellen müssen wir sehr improvisieren, um alles unterzubringen.“ Ein Beispiel sind Beratungsgespräche: „Wie soll man denn etwas in Ruhe besprechen können, wenn man keinen Raum hat, in dem das ungestört möglich ist“, fragt sie.

Denn klar bei aller Flexibilität der Raumaufteilung in der Markgrafenstraße und bei aller Liberalität der Jüdischen Gemeinde zu Magdeburg: An die religiösen Traditionen und Vorschriften halten sich die Mitglieder. Und das bedeutet eben unter anderem, dass zwei Küchen – eine für die Zubereitung von Speisen mit Fleisch, die andere für die Zubereitung von Speisen mit Milch – erforderlich sind.

Bis vor wenigen Jahren hatte die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Strömungen des Judentums in Magdeburg recht gut geklappt. Doch im Jahr 2005 kam der Bruch. Igor Tokar sieht diesen vor allem in der religiösen Auslegung der Vorschriften. Er sagt: „Das ist ein wenig wie mit den christlichen Konfessionen. Natürlich gibt es viele Gemeinsamkeiten. Es gibt aber auch gravierende Unterschiede.“ Ein Beispiel ist das gemeinsame Gebet von Frauen und Männern. Dieses ist in der Jüdischen Gemeinde gang und gäbe – die Synagogengemeinde plant für ihre Neue Synagoge entsprechend ihren Traditionen eine räumliche Trennung. Ein anderer Unterschied ist die Ordination von Frauen zu Rabbinern.

Über Jahre hatte der Gemeindevorstand versucht, ein eigenes neues Haus zu finden. Der Knackpunkt: Es sollte zentral sein, durfte aber nach Möglichkeit nichts kosten. Entsprechende Nachfragen bei der Stadt blieben ohne Erfolg.

Jetzt aber, so Igor Tokar, hat sich Oberbürgermeister Lutz Trümper gemeldet. Im Gespräch ist jetzt, dass die Neue Synagoge, deren Bau in der Julius-Bremer-Straße neben dem Ratswaagehotel geplant ist, ausdrücklich Platz für beide jüdischen Gemeinden bieten soll. Igor Tokar: „Wir stimmen dem Vorschlag unseres Oberbürgermeisters zu.“ Doch einfach als Gast möchten die liberalen Juden nicht bei der Synagogengemeinde unterkommen. Igor Tokar formuliert es in einem gemeinsam mit dem Rabbiner Juriy Kadnykov und Förderkreisvorsitzendem Hans Schleiff verfassten Schreiben an den Stadtratsvorsitzenden Andreas Schumann so: „Wir bitten, das Gebäude nach dem Vorbild eines Doppelhauses so zu projektieren, dass es möglichst wenige Punkte gibt, an denen sich Streit entzünden könnte.“ Ausdrücklich verweist er in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Einstellungen zur Rolle der Frau.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde listet auf, was seine Gemeinde benötigt: 50 Quadratmeter für die Synagoge, 100 Quadratmeter für den Festsaal, 30 Quadratmeter für Büroräume, einen 50 Quadratmeter großen Mehrzweckraum, eine Küche von 50 Quadratmetern, Lagerräume von 20 Quadratmetern und Toiletten.

Klar ist: Bei dem bisher vorgestellten Entwurf für die Neue Synagoge ließen sich diese Räume nicht einfach so integrieren. Hier wäre Nacharbeit erforderlich. In dem Schreiben heißt es daher: „Wir bitten den Stadtrat seine Entscheidung zu überdenken, damit die Bedürfnisse beider Gemeinden in einem Gemeindezentrum berücksichtigt werden.“ Man werde den Bau unterstützen und auch an der Planung mitarbeiten.