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Hartz und herzlich Video: Aufregung über RTL2-Doku aus Magdeburg  - „Ich würde mich da nie so öffentlich zeigen“

Die RTL2-Doku "Hartz und herzlich" zeigt ab Oktober mehrere Folgen aus der Magdeburger Neustadt. Was die Bewohner des Stadtteils Neustadt wirklich zur Sendung zu sagen haben.

Von Kristina Reiher Aktualisiert: 11.10.2022, 10:56
Jacqueline Strauß vom Bürgerverin "Wir für Neustadt" weiß, dass man die Probleme der Neustadt nicht wegreden kann. Dennoch findet sie, sollten auch die guten Seiten des Stadtteils nicht übersehen werden.
Jacqueline Strauß vom Bürgerverin "Wir für Neustadt" weiß, dass man die Probleme der Neustadt nicht wegreden kann. Dennoch findet sie, sollten auch die guten Seiten des Stadtteils nicht übersehen werden. Foto: Kristina Reiher

Magdeburg - Es ist jetzt fast ein Jahr her, dass in der Magdeburger Neustadt die Dreharbeiten zur RTL2-Sendung „Hartz und herzlich“ stattfanden. Im Oktober sollen die Folgen nun ausgestrahlt werden.

Das kommt nicht bei allen Einwohnern gut an. Aus verschiedenen Gründen.

„Die Neustadt ist mehr als Plattenbau und Arbeitslosigkeit“, sagt Jacqueline Strauß vom Bürgerverein „Wir für Neustadt“. Genau diese Themen stehen aber in der RTL2-Sendung im Mittelpunkt - und im Oktober damit auch Magdeburg.

Lesen Sie auch: Dreh in Magdeburg: Alle Infos zu den neue Folgen "Hartz und herzlich"

Eine Empörung über die Dokureihe nütze aber wenig. Ihr Anliegen sei es daher zu zeigen, dass der Stadtteil auch vielfältiger sei. „Wenn die Leute über die Neue Neustadt reden, dann meistens über - ich sag mal - vier bis fünf Straßenzüge, die wir dort haben, die tatsächlich auch problematisch sind.“ Das wolle sie auch gar nicht verschweigen. Die Probleme seien bekannt und „dagegen tun wir auch was“, sagt Strauß. Aber auch die „Nachtweide“, die „Curie-Siedlung“ oder der Zoo gehörten zum verrufenen Stadtteil.

Im Video äußern sich die Bewohner in Magdeburg-Neustadt über das RTL-Format. Video: Kristina Reiher/Samantha Günther

Dem schließt sich auch Franziska Müller, Quartiersmanagerin der Neuen und Alten Neustadt an. „Wie Magdeburg schöne und auch nicht so schöne Seiten hat, ist das auch bei der Neustadt so“, sagt Müller. Sie könne nur alle einladen, herzukommen und sich selbst ein Bild zu machen. Dann könne man erleben, „dass der Ruf, den die Neustadt hat, eben überhaupt nicht stimmt“.

Franziska Müller - Quartiersmanagerin Neue und Alte Neustadt berichtet auch von den Ideen und dem Engagement der Neustädter.
Franziska Müller - Quartiersmanagerin Neue und Alte Neustadt berichtet auch von den Ideen und dem Engagement der Neustädter.
Kristina Reiher

Stören würde Regine Rüleke, die mit ihrem Sohn seit Jahren im nördlichen Stadtteil Magdeburgs wohnt, vor allem aber auch die zunehmende Vermüllung. „Man sieht ja, wie das hier in unserem Umfeld aussieht.“ Sie hoffe, dass die Kamera des RTL2-Teams auch das eingefangen habe.

Auch Herr Frank beschwert sich über den Müll, den viele einfach überall abladen würden. Dennoch sieht auch er Potential in dem als Brennpunkt verschiehenen Stadtteil. „Das Wohnen hier, das war zwar mal besser, aber es hat sich verbessert in den letzten Jahren“, sagt Frank. Zu verdanken sei das dem Ordnungsamt und der Polizei, die hier laufend auf Streife wären. Aber auch dem Engagement des Bürgervereins und der Straßenmanager.

Mit einer großen Aufräumaktion ist Mitte September von hunderten Beteiligten der Stadtteil entrümpelt worden. Mehrere Tonnen Müll sind dabei zusammengekommen, berichtet Franziska Müller. Doch um den Stadtteil wirklich sauber zu bekommen und auch zu halten müssten alle mithelfen, sagt Jacqueline Strauß.

Regine Rüleke aus der Neuen Neustadt wohnt mit ihrem Sohn seit Jahren in Neustadt. Am meisten stört sie vor allem der viele Müll, der achtlos überall abgeladen wird.
Regine Rüleke aus der Neuen Neustadt wohnt mit ihrem Sohn seit Jahren in Neustadt. Am meisten stört sie vor allem der viele Müll, der achtlos überall abgeladen wird.
Kristina Reiher

Neben dem Müll hat die Neustadt aber auch mit hohen Arbeitslosenzahlen zu kämpfen. Auch das wird in der RTL2-Sendung „Hartz und herzlich“ Thema sein. Betroffen sind davon auch Regine Rüleke und ihr Sohn. „Mein Sohn ist behindert, besucht eine Behindertenwerkstatt und bekommt Grundsicherung. Wir beide sind vom Amt abhängig.“ Sie sei schon länger arbeitslos und kümmere sich um ihren Sohn. Insgesamt sei ihrer Einschätzung nach das Leben in Neustadt schlimmer geworden. „Die Mieten werden auch immer teurer, trotz dessen, dass es hier so aussieht“, sagt Rüleke. Auch das müsse in der Presse häufiger Thema sein.

Herr Frank aus der Neuen Neustadt stört sich am negativen Wandel der Neustadt in den letzten jahren und auch an der zunehmenden Vermüllung.
Herr Frank aus der Neuen Neustadt stört sich am negativen Wandel der Neustadt in den letzten jahren und auch an der zunehmenden Vermüllung.
Kristina Reiher

Auch der Neustädter See wird in der RTL2-Doku erwähnt. Dort wohnt die 35-jährige Jaqueline Zugfeld mit ihrer Tochter. Auch sie ist Hartz-4-Empfängerin. „Viele Bekannte, die hier gerade an uns vorbeigehen sind auch alle arbeitslos“, sagt Zugfeld.

Sie findet es wichtig, dass Sendungen wie „Hartz und herzlich“ gedreht werden: „So sehen die Leute da draußen mal, wie viele Probleme es hier im Land gibt - auch hier in Magdeburg.“ Da müsse die Politik endlich aufwachen und etwas gegen die Armut unternehmen. Selbst hält sie ihre Probleme aber lieber privat. „Ich würde mich da nie so öffentlich zeigen.“ Dennoch sei sie seit Jahren ein großer Fan der Sendung. „Als hier gedreht wurde, haben alle sich darüber unterhalten. Ich werde die Sendung auf jedenfall gucken“, sagt Zugfeld.

Jaqueline Zugfeld vom Neustädter See kennt die Sendung "Hartz und herzlich" und findet es richtig, dass auch die negativen Aspekte Magdeburgs im Fernsehen gezeigt werden, damit die Politiker endlich aufwachen.
Jaqueline Zugfeld vom Neustädter See kennt die Sendung "Hartz und herzlich" und findet es richtig, dass auch die negativen Aspekte Magdeburgs im Fernsehen gezeigt werden, damit die Politiker endlich aufwachen.
Kristina Reiher

Ansehen wird sich auch Jacqueline Strauß die Sendung. „Wir könnten uns natürlich bessere Werbung vorstellen für den Stadtteil - noch hat von uns keiner die Bilder gesehen - mal gucken, wie schlimm es am Ende tatsächlich wird, aber es ist natürlich jetzt schon klar, dass auch wieder eher die problematischen Seiten gezeigt werden, die dann wieder auch im Gedächtnis hängen bleiben“, sagt Strauß.

 
Im Video spricht Jaqueline Strauß vom "Wir für Neustadt" - Bürgerverein Neue Neustadt e.V. über das TV-Format. Video: Kristina Reiher/Samantha Günther

Sie denke aber nicht, dass dann die Leute aus ganz Deutschland herpilgern werden, um sich die Plattenbauten anzuschauen. Auch wenn das mal etwas anderes wäre. „Bekannt ist RTL2 ja nun aber auch nicht dafür, dass sie super niveauvolle Sachen daraus drehen werden. Wir hätten uns aber gefreut, wenn man uns im Vorfeld auch mal angesprochen hätte.“

Katrin Gellrich, Geschäftsführerin des Kulturzentrums Moritzhof in der Neuen Neustadt kritisiert, dass Neustadt mehr ist als sein schlechtes Image.
Katrin Gellrich, Geschäftsführerin des Kulturzentrums Moritzhof in der Neuen Neustadt kritisiert, dass Neustadt mehr ist als sein schlechtes Image.
Kristina Reiher

Vom Drehteam angesprochen wurden dagegen die Mitarbeiter im Moritzhof im vergangenen Jahr. Auf Interesse sei das beim Kulturzentrum aber nicht gestoßen, teilt ein Mitarbeiter mit.

Man habe das negative Image des Stadtteils nicht weiter vorantreiben wollen. Dann habe sich das Kamerateam der Dokureihe aber auch nicht wieder blicken lassen. Seit Januar 2022 ist Katrin Gellrich Geschäftsführerin des Kulturzentrums Moritzhof. Sie kann das negative Image der Neuen Neustadt gar nicht teilen.

„Ich fühle mich hier nie unsicher und bin durchaus auch in den frühen Abendstunden mal unterwegs“, sagt Gellrich. Für problematischer hält sie „für alle Menschen, die sich hier engagieren, dass es immer nur um das Schlechte in unserem Stadtteil geht“. Als kulturelles Zentrum bemühe sich der Moritzhof daher Leute zusammenzubringen. „Neustadt hat einen großen Vorteil - nämlich das Menschen aus 30 Nationen hier wohnen und das ist auch eine große Chance, so ein Vorbild in Sachen Diversität zu sein.“