1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Ringen um ein grünes Magdeburg

Stadtrat Ringen um ein grünes Magdeburg

In der Beimssiedlung in Magdeburg sollen 183 Pappeln fallen. Bürger sind auf der Palme. Ein Teil des Stadtrates stimmt in die Empörung ein.

Von Katja Tessnow 07.05.2018, 01:01

Magdeburg l Eine Ratsallianz aus Mitgliedern von SPD, Linke und Grünen trat zur jüngsten Ratssitzung am 3. Mai 2018 mit einem interfraktionellen Antrag auf den Plan, der als eine Art letzter Rettungsversuch für die Pappelallee in der Magdeburger Beimssiedlung betrachtet werden kann. Ein rettender Beschluss wurde am Ende nicht gefällt, dafür gab es jede Menge Schimpfe auf die Informationspolitik der Stadtverwaltung.

Der für Umwelt, Recht und Ordnung zuständige Beigeordnete Holger Platz (SPD) räumte eigenes Erschrecken im Angesicht der Pläne zur Fällung der äußerlich tadellos erscheinenden Allee ein. „Meine erste Reaktion war auch, das geht ja gar nicht!“

Hintergrund der Pläne ist das Vorhaben des Städtischen Werke (SWM) zur Verlegung einer Fernwärmetrasse im Bereich. Ein Gutachten im Auftrag der SWM bescheinigte dem Großteil der über 180 Bäume mangelhafte Standfestigkeit. Das Umweltamt hat die Fällung genehmigt.

Platz nennt die Kommunikation zur Sache „suboptimal“, aber verteidigt inzwischen die Fällung. „Das Gutachten liegt vor und sagt, dass fast alle Bäume geschädigt sind. Lassen wir jeden fünften Baum stehen, ist das Bild gestört.“ Platz appellierte an die Räte: „Wir stehen gemeinsam in der Verantwortung und tun uns heute keinen Gefallen mit Populismus.“ Die entscheidende Behörde habe beschlossen, dass die Bäume gefällt werden können. „Da können Sie als Stadtrat beschließen, was Sie wollen.“

Grünen-Stadtrat Timo Gedlich nannte er „nicht glaubwürdig“, wenn Bürger parallel von den Plänen zum Trassenbau und von einem Gutachten erführen, dass eben jenen Bäumen, die dafür im Wege stehen, einen mangelhaften Zustand bescheinige. „Die Parallelität der Informationen ist ein Problem.“ Platz nannte sie „exakt das Problem“.

„Man muss sich nicht wundern, wenn die Leute sich an den Kopf fassen“, stellte Olaf Meister fest. Der Grünen-Fraktionschef gehörte zu den Einbringern des Rettungsantrages, der die Überprüfung der Fällgenehmigung für alle 183 Pappeln anregte. „Die alten Bäume wurden vor 10, 15 Jahren gefällt und neue angepflanzt. Jetzt sollen die wieder alle weg?“ Bei so jungen Bäumen sei das kaum begreiflich, „dann müssen die Fehler von damals ermittelt und erklärt werden“.

Frank Schuster (CDU) erinnerte an die Hegelstraße und den Streit, den es vor zwei Jahrzehnten um die Fällung der dortigen Bäume gegeben habe. „Jetzt haben wir da wieder eine wunderschöne Allee.“ Bei der Pflanzung der Pappeln in der Beimssiedlung sei auf Nachzöglinge „zweiter Wahl“ zurückgegriffen worden. Das erkläre den Zustand. Schusters Fraktionskollege Hubert Salzborn stellte pragmatisch fest: „Man weiß, dass Pappelholz leicht brüchig wird und muss froh sein, dass wir Gelegenheit zur Erneuerung haben.“ Salzborn regte die Nachpflanzung einer Allee aus Japanischen Zierkirschen, vergleichbar mit der im Holzweg, an. „Das wäre eine Attraktion für die Siedlung.“

Linke-Fraktionschef Oliver Müller teilt die Betroffenheit der Anwohner: „Und wir haben alle mal in Bio gelernt, dass Pflanzen auch Lebewesen sind.“ Das Leben der Pappeln sei offenbar nicht am Ende und für den Fall von Nachpflanzungen: „Es dauert schon eine Weile, bis es wieder so gut aussieht.“ Auch Gartenpartei-Fraktionschef Roland Zander sprach für den Erhalt gesunder Pappeln und die teilweise Nachpflanzung möglichst großer Exemplare.

Marco Ehlebe (SPD) sprach den Kern des Problem an – „die massenhaften Fällungen“ von Bäumen in Magdeburg in der jüngsten Zeit. „Das Thema bewegt sehr viele Bürger. Ich appelliere an die Verwaltung, ihre Einstellung zu Baumfällungen zu überdenken.“

Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) wies den Vorwurf weit von sich, Freude an der Baumvernichtung zu empfinden. Allein 4000 Bäume habe die Stadt wider Willen wegen des Asiatischen Laubholzbockkäfers fällen müssen. „Dann haben sich in 40 Jahren DDR Stellen entwickelt, wo man es hat einfach wachsen lassen, weil es keine Bautätigkeit gab. Jetzt schaffen wir neue Strukturen.“ Das brächte zwangsläufig Fällungen mit sich, wie auch der Bau neuer Straßenbahntrassen oder der Elbbrücke. „Und dann gibt es laufend Berichte in den Medien unter der Überschrift Kahlschlag und die Bürger glauben, wir hätten Freude daran.“ Dem sei nicht so. Eine regelmäßige Überprüfung aller Bäume sei schon wegen ihrer Anzahl unmöglich. „Allein der Stadtgartenbetrieb ist für 160.000 Bäume in Verantwortung.“

Linke und Gartenparteiler rügten in der Folge, die Stadt Magdeburg sei längst nicht mehr zur angemessenen Baumpflege in der Lage, der Stadtgartenbetrieb dafür nicht ausgestattet.

Am Ende bewilligte eine Ratsmehrheit – Enthaltungen und Gegenstimmen aus der CDU – auf Änderungsantrag der SPD eine abgeschwächte Variante des Rettungsantrages für die Pappelallee. Auf eine Überprüfung der Fällgenehmigung wird verzichtet, aber der Wunsch ausgesprochen, „möglichst viele Bäume zu erhalten“. Die SWM werden gebeten darzulegen, ob eine alternative Trassenführung möglich sei. Der Umweltausschuss plant eine Sondersitzung zur Sache.