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Verkehr und Verkehrssicherheit Tempo 30 bald in ganz Magdeburg?

Ist der Beitritt Magdeburgs zur kommunalen Initiative „Lebenswerte Städte“ gleichbedeutend mit einer flächendeckenden Tempo-30-Zone in der gesamten Stadt? Diese Befürchtung bestimmte die hitzig geführte Debatte im Stadtrat. Der Ausgang war denkbar knapp.

Von Sabine Lindenau 21.08.2023, 04:00
Rund um den Hasselbachplatz in Magdeburg gilt Tempo 30. Mit einem Beitritt zur kommunalen Initiative „Lebenswerte Städte“ gibt es Befürchtungen, das Tempolimit  könnte in der gesamten Stadt eingeführt werden.
Rund um den Hasselbachplatz in Magdeburg gilt Tempo 30. Mit einem Beitritt zur kommunalen Initiative „Lebenswerte Städte“ gibt es Befürchtungen, das Tempolimit könnte in der gesamten Stadt eingeführt werden. Foto: Sabine Lindenau

Magdeburg - Die Lager waren schnell ausgemacht. Die Verfechter der kommunalen Initiative auf der einen Seite und die bekennenden Gegner auf der anderen. Das verbale Gefecht der Duellanten rund um einen möglichen Beitritt hatte es dann auch in sich.

Dementsprechend sah die Gemütslage nach dem vielleicht etwas unerwarteten Erfolg der einen Seite dann auch aus. Touché.

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Mit gewohntem Populismus versuchten sie, den Beitritt zu verhindern. An Vernunft und Verstand zu appellieren. Warnten davor, dass in Magdeburg bald überall nur noch 30 Stundenkilometer gefahren werden dürfen. „Das läuft darauf hinaus, dass man Magdeburg autofrei halten will“, sehen Ronny Kumpf und seine AfD-Fraktion ein Schikanieren der Autofahrer. Durch die Grünen, denen es in seinen Augen um nichts anderes gehe als „die Abschaffung des Individualverkehrs“. Auch sein Fraktionskollege Frank Pasemann warnt: „Wir werden erleben, dass es in Magdeburg irgendwann flächendeckend Tempo 30 geben wird.“

Zwei Fraktionen mahnen und warnen

Doch warum der ganze Wirbel? Die Fraktion Grüne/future! hatte im Februar erstmals einen Antrag eingebracht, dass die Stadt der Initiative beitreten möge. Jürgen Canehl betonte im Stadtrat auch: „Mit einem Beitritt ist nicht die Einführung einer Regelgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern für die gesamte Stadt Magdeburg verbunden.“ Doch das wollte man ihm von gegnerischer Seite nicht abkaufen. Die CDU-Fraktion war sich da mit den Vertretern der AfD einig. Manuel Rupsch hinterfragte dann auch, ob Tempo 30 in der Innenstadt auch die Tangente beinhalte.

Eine Nachfrage, die Olaf Meister (Grüne) als populistisch abtat. „Das ist jenseits von dem, was hier in irgendeiner Form diskutiert wird“, meinte er kopfschüttelnd.

Die SPD-Fraktion, die die Initiative grundsätzlich begrüßt, hatte den Vorstoß der Grünen mit ihrem Änderungsantrag entschärft. Sie hatte darin klar formuliert, dass eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h für die gesamte Stadt Magdeburgabgelehnt werde. Was einen Beitritt aber keineswegs ausschließe. Das bezweifelt Christian Mertens (AfD-Fraktion) und bemüht einen Vergleich: „Sie können nicht gleichzeitig der Vegetariergesellschaft beitreten und Fleisch essen wollen.“ Er ist überzeugt, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung unweigerlich über die gesamte Stadt rollen wird, wenn Magdeburg erst einmal Mitglied in der Initiative „Lebenswerte Städte“ sei. Denn die schreibe genau das vor, sagt er.

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Vorrangiges Ziel der Initiative ist indes etwas anderes, wie auf der Internetseite (siehe Infokasten) nachzulesen ist und wie es auch Beigeordneter Ronni Krug erklärte. „Wir reden über eine Initiative, die einen Paragrafen reformieren möchte, den Paragrafen 45 der Straßenverkehrsordnung.“ Dieser müsste dringend reformiert werden, sagt Krug, der seit 17 Jahren im Verkehrsrecht zu Hause ist. Tritt die Landeshauptstadt der Initiative bei, habe sie selbst die Möglichkeit, Tempolimits einzuführen. Dort, wo sie es für sinnvoll erachtet. Etwa vor Kitas und Schulen oder in Wohngebieten, wie es auch im Antrag der SPD formuliert ist. Noch habe der Bund die Handhabe darüber, die Stadt könne Limits nur beantragen und muss dann hoffen, dass zugestimmt wird. Oberbürgermeisterin Simone Borris sprach sich vor dem Hintergrund, mehr Entscheidungen selbst treffen zu können, für die Initiative aus. „Wir haben dann durchaus andere Möglichkeiten, freier zu gestalten.“

Langes Ringen um einen Kompromiss

Im Ringen um eine Lösung wurde eine Debatten-Pause eingelegt, in der ein Kompromiss zwischen SPD und Grünen gefunden wurde. Der Änderungsantrag der Sozialdemokraten wurde kurzum zum Ersetzungsantrag, über den Punkt für Punkt abgestimmt wurde. Nicht ohne einen erneuten Veto-Versuch von AfD und CDU. Sowohl Pasemann (AfD-Fraktion) als auch Reinhard Stern (CDU) fürchten einen Missbrauch. Durch jene Mehrheiten, die auch den Beitritt zur kommunalen Initiative durchdrücken wollen würden. „Dann öffnen wir hier ein Tor. Das ist die Richtung der Grünen, auch die Tangente anzugehen. Das sollten wir im Hinterkopf behalten“, mahnte Stern an. Ohne Erfolg.

Mit einer knappen Mehrheit von 25 Ja-, 22 Nein-Stimmen sowie zwei Enthaltungen wurde der Ersetzungsantrag der SPD beschlossen. Die Oberbürgermeisterin kann nun Beitrittsgespräche führen – unter der Maßgabe, Tempo 30 nicht zur Regelgeschwindigkeit für die ganze Stadt werden zu lassen.

Die Initiative „Lebenswerte Städte“

In der kommunalen Initiative „Lebenswerte Städte“ engagieren sich derzeit 900 Städte, Gemeinden, Landkreise und ein Regionalverband für mehr Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung von Tempolimits.

Die Initiative fordert den Bund auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts anordnen können, wo sie es für notwendig halten.

Derzeit legt der Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung - ein Bundesgesetz - fest, dass Tempo 30 nur bei konkreten Gefährdungen beziehungsweise vor sozialen Einrichtungen wie beispielsweise Kitas und Schulen angeordnet werden kann.

Von den mitmachenden Kommunen werden 293 von einem Bürgermeister oder Landrat der CDU geführt, 207 von der SPD, 29 von den Grünen und 211 von parteilosen Oberhäuptern. Unter anderem dabei sind Magdeburgs Partnerstadt Braunschweig, in Sachsen-Anhalt Halle, Dessau-Roßlau, Coswig, Köthen und Stendal. Im Osten Deutschlands etwa Leipzig, Potsdam und Berlin.