Denkmalschutz Etinger Mühle vom Bock geholt: Flügellose „Dame“ hängt am Haken
Die Bockwindmühle in Etingen ist in die Jahre gekommen. Um diese marode Mühle als Kulturgut zu erhalten, hat Mühlenbesitzer Helmut Russ mit engagierten Bewohnern und Mühlenfreunden einen Verein gegründet. Doch ist das hölzerne Bauwerk noch zu retten?

Etingen - „Grundsätzlich geht es erst einmal um die Standfestigkeit der Mühle. Damit dies gelingt, müssen beide Hauptschwellen und die Streben unter dem Mittelbock erneuert werden“, sagt Mühlenbesitzer Helmut Russ, der in Berlin zu Hause ist. Er verfolgt in Etingen mit Experten und einigen Schaulustigen das Geschehen. Vorsichtig wird die „alte Dame“ per Schwerlastkran vom Sockel genommen. Sie scheint, am Kranhaken zu fliegen.
Das Einzige, was vom Mühlenbock bleibt – sei nach den Ausführungen von Russ – der runde Stamm, auf dem die Mühle später wieder draufgesetzt wird. Auch die vier Sockel, auf denen die Mühle dann ruht, müssen neu mit Sandsteinen aufgemauert werden.
Um diese Mission zu verwirklichen, wurden zuvor bereits die vier kaputten Flügel abgenommen. Später soll es möglich sein, die gesamte Mühle wieder zu drehen. Dazu müsste auch der Steert – also der Mühlenschwanz – erneuert werden.
20 Frauen und Männer engagieren sich im Verein
„Mühlenbauer Ulrich Blümner hat eine Konstruktion aus Stahl erschaffen, in der er die Mühle hineinstellen kann, solange am Bock gearbeitet wird“, beschreibt Russ. Der Berliner hatte Bewohner von Etingen und Mühlenfreunde motiviert, um die Menschen der Region für eine Mitgliedschaft in den Mühlenverein zu gewinnen. Die Resonanz ist gut. 20 Frauen und Männer engagieren sich im Verein.
Russ hatte die Mühle bereits 1990 gekauft. Das Grundstück gehörte der Familie Haering, deren Haus nur wenige Meter weit entfernt steht. „Erst wollte ich dieses Stück Land nicht verkaufen, weil es zum Grundstück der Familie gehört“, erzählte Dieter Haering. Sein Vater war der letzte Müller. Nun ist Haering Ehrenmitglied im Verein. Jürgen Kilian, Haerings Schwiegersohn, soll im Verein die Funktion des Mühlenwartes übernehmen.
„Wenn die Mühle wieder steht, soll sie von den Bewohnern des Dorfes belebt und betrieben werden“, blickt der Mühlenherr voraus. Die Mühle als technisches Denkmal und auch als Kulturdenkmal soll öffentlich zugänglich gemacht werden.
Am Fuß der Mühle Hochzeiten und Dorffeste
Russ kann sich gut vorstellen, dass sich Menschen am Fuß der Mühle treffen und dort auch Hochzeiten, Dorffeste und zu Pfingsten der Mühlentag gefeiert werden.
Der Verein bekommt die Mühle unentgeltlich zur Nutzung. Es gibt viele Ideen. Wichtig sei es - vor allem den Kindern - nahe zu bringen, welche wichtige Bedeutung Mühlen in den früheren Zeiten hatten.
„Wir wollen versuchen, Touristen aus Berlin nach Etingen zu bekommen. Das würde dann auch der Region mit Zimmervermietung und Gastwirtschaft zugute kommen. Mal sehen, ob uns das gelingt“, blickt Russ in die Zukunft.
Auf dem Hof des altmärkischen Mühlenbauers Blümner in Bismark wird derzeit der Bock neu zusammen gebaut. Noch in diesem Jahr – planmäßig im November – soll die Mühle wieder auf den Bock zurück gesetzt werden. „Wenn sie dann auch noch einen neuen Schwanz bekommt, kann sie wieder in den Wind gedreht werden“, sagt Russ voller Vorfreude.
Dazu braucht die Mühle aber wieder ihre Flügel. Diese werden jetzt schon nach altem Vorbild neu gebaut und sollen im Frühjahr 2023 montiert werden.
„Es gibt noch viel zu tun. Die Schäden an der Mühle sind erheblich“, weiß Russ, der Geschäftsführer einer Veranstaltungs- und Immobiliengesellschaft in Berlin ist.
100 000 Euro kosten die ersten drei Bauabschnitte
Um das Bauwerk für die Nachwelt zu erhalten, ist viel Geld erforderlich. So können sich die Mitglieder des Mühlenvereins freuen, dass die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) – dank zahlreicher Spenden sowie der Lotterie Glücksspirale – 10 000 Euro für die Sanierung bewilligt hat. „Grünes Licht gab es nun auch für 55 000 Euro Fördermittel vom Land Sachsen-Anhalt“, verkündet Russ. Die Gesamtkosten für die ersten drei Bauabschnitte betragen etwa 120 000 Euro. Dazu zählen erstens die Herstellung der Standsicherheit, zweitens das Drehbarmachen der Mühle samt Flügelsanierung und drittens die Instandhaltung der Technik.
Weitere Unterstützer aus der Region werden gesucht. Mit ins Boot möchte der Verein auch heimische Unternehmen holen. „Wenn so ein Verein von der Dorfgemeinschaft mitgetragen wird, ist er in guten Händen. Das heißt, die Betriebe müssen dem Verein nicht unbedingt Geld geben, sondern können auch helfen, wenn es etwas zu tun gibt“, sagt der Berliner. Wer im Verein oder als Sponsor mitwirken möchte, kann sich bei Helmut Russ unter der Telefonnummer 0172/456 22 55 melden.
