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Im Harz Beim Pilgern Horizont erweitert

Die eigenen Grenzen ausloten, das wollte eine Gruppe Jugendlicher bei einer Pilgertour. Die Oebisfelder machten besondere Erfahrungen.

Von Harald Schulz 14.08.2020, 11:22

Oebisfelde l Vorweg: Die körperlichen Grenzwerte wurden mehrmals erreicht. Letztendlich musste die Tour voller Erfahrungen, Begegnungen und Erlebnissen jedoch vorzeitig abgebrochen werden. Die Extrem-Temperaturen von tagsüber deutlich über 30 Grad Celsius führten dann zu dem gemeinsamen Entschluss, die Heimfahrt anzutreten.

Es war bereits die dritte Ferienfreizeit seit 2018, die Pfarrer Schwarzer und Sozialpädagogin Groneberg organisiert und die von Jugendlichen als lohnenswerte Lebenserfahrung angenommen wurde. Wie Groneberg hervorhob, bedurfte es bei all diesen Wander- und Pilgertouren jedoch einer inneren Bereitschaft der jugendlichen Teilnehmer, diese besonderen Herausforderungen an Körper und Geist, zudem mit der Offenheit gegenüber dem christlichen Glauben anzunehmen.

Aufgrund der Risiken durch die Corona-Pandemie hatte die Sozialpädagogin diese Tour mit Start in Bad Harzburg, über die Stationen Torfhaus, Schierke, Wernigerode, Blankenburg, Thale, Friedrichsbrunn, Bad Suderode bis Quedlinburg vorbereitet. Die fünf Mädchen und drei Jungen hatten zwar Kenntnis von der Gesamtstrecke, kannten jedoch nicht die Übernachtungsorte. So standen die ermatteten Teenager nach einer Tour-Strecke von knappen 20 Kilometern beispielsweise in einer Herberge in Bad Suderode vor der Herausforderung, lediglich kaltes Wasser für die Körperpflege einschließlich dem Duschen nutzen zu können. Das kostete in Zeiten von warmem Leitungswasser einiges an Überwindung. Ebenfalls äußerst gewöhnungsbedürftig für die Gruppenmitglieder: In der Herberge existierten lediglich Trenntoiletten. Eine sanitäre Einrichtung, bei der auf Chemie und Wasser verzichtet wird. Die Jugendlichen arrangierten sich mit den Gegebenheiten, ohne zu lange darüber zu meckern.

Hingegen wurde über das grassierende Waldsterben im Harz durch den sauren Regen und Borkenkäfer-Populationen während der Tagestouren und selbst noch bis in die Abendstunden hinein diskutiert. Dieses Ausmaß an Waldvernichtung hatten die Oebisfelder nicht erwartet. Wie einem Teilnehmer-Rückblick auf die Tour zu entnehmen war, haben Natur- und Umweltschutz durch diese Eindrücke eine neue Wertschätzung eingenommen.

Für alle Teilnehmer wurde der Besuch des „Café Bonhoeffer“ nahe Friedrichsbrunn ein anderes beeindruckendes Erlebnis. Das Gebäude war einst das Ferienhaus der Familie Bonhoeffer, wo der spätere Theologe Dietrich Bonhoeffer, bekennender Kirchenvertreter und Widerständler gegen den Nationalsozialismus, als eines von acht Kindern mit den Eltern oft die Sommerferien verbrachte. Am 5. April 1943 wurde Dietrich Bonhoeffer verhaftet und zwei Jahre später auf ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers als einer der letzten NS-Gegner, die mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht wurden, hingerichtet. Die Oebisfelder Gruppe hatte das Glück von einem einheimischen Studenten durch die einzigartige Ausstellung über die Familie Bonhoeffer geführt zu werden.

Die Mühen, das Überwinden des inneren Schweinehundes und so manche Blase beim Pilgern und Wandern hatten sich dank der Erlebnisse gelohnt, so das Fazit der Gruppe. Obendrauf gab es für alle die „Silberne Wandernadel“ für 16 angelaufene Orte im Harz, was entsprechende Stempel dokumentierten.