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Risikoanalyse Feuerwehren stehen am Scheideweg

Die Feuerwehren in Oebisfelde-Weferlingen stecken in einer Notlage: Die Einsatzbereitschaft steht auf der Kippe.

Von Harald Schulz 10.07.2020, 22:00

Oebisfelde/Weferlingen l Wie groß diese Not innerhalb der Feuerwehren der Einheitsgemeinde ist, verdeutlicht das Kommen von Abschnittsleiter Dirk Bischoff von der Kreisfeuerwehr zur Stadtratssitzung. Er wird die Mitglieder über die Notwendigkeit und Vorausaussetzungen informieren. Um die Sicherheit des öffentlichen Brandschutzes, damit der Schutz für Leib und Leben der Einwohner, steht es offensichtlich schlecht, wie die Risikoanalyse deutlich aufzeigt.

Der Brandschutz und die öffentliche Gefahrenabwehr sind vom Gesetz eindeutig geregelt. Das obliegt den Gemeinden, mithin der Einheitsgemeinde Stadt Oebisfelde-Weferlingen, mit Ausnahme der Brandsicherheitsschau, des Brandschutzes und der Hilfeleistung als Aufgaben des eigenen Wirkungskreises.

Die Stadt Oebisfelde-Weferlingen hat dazu insbesondere eine leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten, zu unterhalten, einzusetzen und mit den erforderlichen baulichen Anlagen und Einrichtungen auszustatten sowie für eine ausreichende Löschwasserversorgung Sorge zu tragen, soweit die Vorgaben. Allesamt Erfordernisse die seitenweise die Mängelliste füllen.

Die Feuerwehr soll dabei so organisiert werden, dass sie in der Regel zu jeder Zeit und an jedem Ort ihres Zuständigkeitsbereiches, der über öffentliche Verkehrsflächen zu erreichen ist, unter gewöhnlichen Bedingungen innerhalb von 12 Minuten nach der Alarmierung am Einsatzort eintreffen kann. Das gibt unter anderem die Ausrücke- und Mindeststärkenverordnung her.

Dementsprechend ist der Bedarf an notwendiger Ausrüstung sowie die Anzahl der zu besetzenden Funktionen durch die Risikoanalyse zu ermitteln. Die ist regelmäßig zu überprüfen und anlassbezogen fortzuschreiben. Anhand der Ergebnisse dieser Analyse stellt die Gemeinde den Bedarf für den abwehrenden Brandschutz und die Hilfeleistung fest.

Die Risikoanalyse und der Brandschutzbedarf der Stadt Oebisfelde-Weferlingen wurden erstmals im November 2012 vom Stadtrat beschlossen. In den Fortschreibungen der Risikoanalyse und Brandschutzbedarfsplanung war der Soll-Zustand fixiert. Was sich tatsächlich in den Wehren tat, blieb weitestgehend eine örtlich feuerwehrinterne Angelegenheit.

Die aktuelle Risikoanalyse hat nunmehr dank eines hochmotivierten Teams von Feuerwehrkameraden gravierende Missstände an den Tag gebracht. Im Brandschutzbedarf sind die Prioritäten zur Beschaffung von Fahrzeugen sowie die Baumaßnahmen zur Errichtung von Feuerwehrgerätehäusern festgelegt worden. Die Realität sieht anders aus. „Es gilt jetzt, für die Sicherheit der Bürger sofort und für die Zukunft zu handeln“, heißt es von Stadtwehrleiter Frank Hartwig.

Oberste Priorität bei der Errichtung von Feuerwehrgerätehäusern hat der Neubau des Gerätehauses „Mitte“. Die Notwendigkeit zum Bau begründet sich nach Auffassung der Stadtwehrleitung und des Ordnungsamtes darin, dass bestehende Gerätehäuser im Ergebnis der Überprüfung ausgewählter Gerätehäuser durch die Feuerwehrunfallkasse bereits 2014 nicht mehr der Norm entsprachen. Die Fahrzeughallen der Gerätehäuser in Kathendorf und Rätzlingen genügen nicht den sicherheitstechnischen Mindestanforderungen. Die Stellplätze sind zu kurz und zu schmal.

Des Weiteren ist aus Platzgründen die persönliche Schutzausrüstung in der Fahrzeughalle untergebracht. Mit Ausnahme des Standortes Weferlingen sind alle weiteren Gerätehäuser im Stadtgebiet nicht der Norm entsprechend, heißt, die baulichen Voraussetzungen erlauben auch keinen Umbau.

Weiterhin gibt der Brandschutzbedarf vor, dass bei Neubauten von Gerätehäusern das zukünftige Gesamtkonzept von Feuerwehrstandorten zu berücksichtigen ist. Ergänzend zu den zentralen Standorten Oebisfelde und Weferlingen muss laut Bedarfsplan ein Standort „Mitte“ errichtet werden. Der Standort wird durch die umliegenden Ortsfeuerwehren besetzt, so die Vorstellungen der Stadtwehrleitung und der Verwaltung. Wie derzeit zu erleben ist, stößt dieses Ansinnen auf wenig Gegenliebe bei betroffenen Ortswehren.

Die Einsatzbereitschaft der Feuerwehren zeigt dabei noch ein ganz anderes Problem auf: Im Jahr 2018 wurde festgestellt, dass die Wehr Eickendorf von acht Einsätzen nur bei dreien die Leistungsfähigkeit erfüllen konnte. Die Etinger Einsatzkräfte erfüllten die Mindestausrückestärke bei einem von drei Einsätzen. In Kathendorf rückten die Kameraden bei neun von 12 Alarmen in ausreichender Stärke aus. Die Kräfte in Rätzlingen konnten bei insgesamt 13 Einsätzen kein einziges Mal die Leistungsfähigkeit erreichen.

Im Ergebnis wurden bei insgesamt 36 Einsätzen nur bei 13 die Leistungsfähigkeit erfüllt, das entspricht einer Einsatzbereitschaft von 36 Prozent. 2019 reduzierte sich dieser statistische Wert auf 33 Prozent, wobei im Ergebnis bei 21 Alarmen nur bei sieben Einsätzen die Vorgaben erfüllt wurden. In der Konsequenz stellt die Stadtwehrleitung fest, „dass die Leistungsfähigkeit der Feuerwehren Eickendorf, Etingen, Kathendorf und Rätzlingen nicht sichergestellt ist“.

Seitens des Trägers des Brandschutzes wird deshalb klar definiert, dass die Aufgaben der freiwilligen Feuerwehr im Rahmen des eigenen Wirkungskreises eine Pflichtaufgabe darstellen, die vorrangig als freiwillige zu betrachten ist. Aber: Zur Gewährleistung des verpflichtenden Grundschutzes der Einheitsgemeinde Stadt Oebisfelde-Weferlingen sind die Mittel für die Errichtung der Feuerwehrgerätehäuser in den Haushaltsjahren 2020 und folgende zwingend zu berücksichtigen. Eine Verschiebung in folgende Jahre gefährdet die Einsatzbereitschaft der Wehren Eickendorf, Etingen, Kathendorf und Rätzlingen.

Der Finanzausschuss hatte in seiner vergangenen Sitzung allerdings empfohlen, den Bau des Feuerwehrgerätehauses „Mitte“ doch noch um ein Jahr zu schieben. Die Mitglieder des Stadtrates sind in der Sitzung am 14. Juli in Weferlingen nun in der Pflicht, unter dem Tagesordnungspunkt „Prioritätenliste Investitionen 2021“ zu entscheiden.