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Schulprojekt Migration gestern und heute

Seit zwei Jahren beschäftigen sich 30 Jugendliche der Europaschule in Oschersleben mit dem Thema „Migration in Europa“.

Von Sebastian Pötzsch 09.09.2018, 02:00

Oschersleben l „Es ist doch gut, wenn sich die Jugend für dieses Thema interessiert“, sagt Karl-Heinz Gronenberg aus Großalsleben. „Für Politik interessieren sich die meisten ja nicht. Aber vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Ereignisse hören sie den persönlichen Erlebnissen von Betroffenen ganz aufmerksam zu.“ Gronenberg muss es wissen, schließlich ist er von der Berufsschule zu einer Podiumsdiskussion eingeladen worden. Denn er selbst war einst als Flüchtling vom ostpreußischen Königsberg in die Börde gekommen. Damals war er ein kleiner Junge. „Wir sind vor der anrückenden Front geflohen“, sagt der Großalsleber.

Aus diversen Gesprächen zwischen ihm und den Jugendlichen haben sich die Schüler kreativ mit dem Thema auseinandergesetzt. Entstanden ist unter anderem ein fiktiver Brief, den Gronenberg an seine Eltern geschrieben hat. Nur dass er aus der Feder von Schülern stammt. Darin heißt es unter anderem: „Von der Reise weiß ich nichts mehr, dafür war ich noch zu klein. Was ich weiß, ist, dass wir bei Bauern untergebracht waren. Von diesen Menschen bekamen wir so gut wie keine Unterstützung, wir schliefen in der Scheune, nicht auf Stroh, sondern auf dem kalten Betonboden, wir litten unter der Kälte, den unhygienischen Bedingungen, kämpften gegen Läuse und Wanzen…“

Die Reflexion von Erinnerungen Betroffener war nur ein Teil der ersten Phase des Projektes. In ihr wurde die „Migration gestern“ erarbeitet. Dazu gehörte auch, sich einen Überblick über die Flüchtlingsströme nach dem Zweiten Weltkrieg zu verschaffen. Diese Migrationsströme haben die Schüler grafisch erarbeitet und als Tafeln in die Ausstellung integriert. „Wir haben uns mit der Migrationsgeschichte am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt und wir fanden heraus, dass das Ende dieses Krieges und die Neuordnung Europas den Hintergrund für Millionen von Migrationsbewegungen auf unserem gesamten Kontinent bildeten“, berichtet Schülerin Josi Beleger.

Doch gab es noch mehr Migrationswellen, beispielsweise die der 1960er und 1970er Jahre. So kamen Millionen von Gastarbeitern nach Westdeutschland. Wegen des Fachkräftemangels in Ostdeutschland durch millionenfache Flucht nach Westen kamen Vertragsarbeiter in die DDR. Hier zeigen sich die Parallelen zur der deutschen Migrationsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Denn auch für diesen Part hatten sich die Schüler Betroffene eingeladen, um sich über deren Erfahrungen zu informieren.

Einer von ihnen war der Senegalese Moussa Dansokho. Nach Gesprächen mit dem Afrikaner, der heute in Dessau lebt, berichten die Schüler von seinen Erlebnissen nach der Ankunft auf einem ostdeutschen Flughafen. So ist auf einer Tafel der Ausstellung folgendes zu lesen: „Herr Dr. Dansokho konnte die letzten 24 Stunden nichts essen, nichts trinken und er traute sich auch nicht auf die Toilette, weil er befürchtete, dass das Auto, welches ihn abholen sollte, in diesem Moment kommt, um ihn abzuholen.“ Untermauert wird das Erzählte mit durch die Schüler erstellten Gemälden, Plakaten oder Collagen.

Doch nicht nur mit Betroffenen haben sich die Berufsschüler eingehend zum Thema „Migration“ unterhalten, sondern auch mit Schülern. Dazu reisten sie nach Nogent le Rotrou in Frankreich, nach Montesarchio in Italien sowie nach Caracal in Rumänien, um sich über die während des Projektes gemachten Erfahrungen auszutauschen. Denn, so war die Abmachung unter den insgesamt vier Bildungseinrichtungen, auch das Thema behandelt. Der Berufsschüler Bashar Alkurdi, vor vier Jahren selbst aus Syrien nach Deutschland geflüchtet, berichtet von den Auslandsaufenthalten. So seien sie in Frankreich sehr gastfreundlich von den Eltern aufgenommen worden, hätten projektbezogen gebastelt und ein Interview im Studio eines Radiosenders gegeben. Von den Rumänen berichtet er, dass die Schüler versuchen, möglichst viele Sprachen zu sprechen, also neben Englisch auch Deutsch oder Französisch. Auch diese Erlebnisse haben Eingang in die Ausstellung gefunden.

Finanziert und unterstützt wird das länderübergreifende Projekt mit Mitteln aus dem „Erasmus+“-Programm. Dabei handelt es sich um eine EU-Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport. Es unterstützt unter anderem Auslandsaufenthalte in der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

Die Ausstellung kann ab sofort im Foyer der Europaschule in Oschersleben, Burgbreite 2, besichtigt werden.