Beratungsstelle des Paritätischen für Kinder, Paare und Familien ist gefragter Ansprechpartner Nicht nur bei Zeugnisproblemen
Zur Zeit der Zeugnisvergaben wiesen die Mitarbeiter des Paritätischen in Haldensleben darauf hin, dass sich Kinder und Jugendliche mit Schulproblemen an sie wenden können. Aber auch jetzt, während der großen Sommerferien, stehen die Telefone nicht still.
Von Julia Schneider
Haldensleben. "Jugendliche, die sich an uns wenden, haben oft Probleme in der Schule", erklärt Diplom-Psychologin Evelyn Brademann, die die Beratungsstelle für Kinder, Paare und Familien des Paritätischen in Haldensleben leitet. "Aber wir sind nicht in erster Linie für Zeugnisprobleme da", sagt sie weiter.
Die Einrichtung des Paritätischen für den Landkreis Börde steht nämlich Kindern, Jugendlichen, Paaren und Familien mit allen möglichen Problemen offen, und das an jedem Tag im Jahr. Beratungen werden zum Beispiel gegeben, wenn Eltern Rat und Hilfe im Umgang mit ihren Kindern suchen. Das kann beispielsweise Entwicklungsverläufe betreffen, Leistungsversagen oder Verhaltensauffälligkeiten. "Wenn sich das Kind in der Kaufhalle hinschmeißt und schreit und die Eltern maßlos überfordert sind", nennt Evelyn Brademann ein Beispiel als Antwort auf die Frage, was so eine verhaltensauffällige Situation sein könnte.
Paare und Familien, die Schwierigkeiten und Fragen in der Gestaltung ihres Miteinanderlebens oder der Partnerschaft haben, oder Kinder und Jugendliche, die Probleme in der Beziehung zu ihren Eltern, Geschwistern, Freunden oder Lehrern haben, finden ebenso in der Beratung Platz.
"Fast immer sind die Schwierigkeiten, wegen der sich die Leute an uns wenden, aber nur ein kleiner Teil eines großen Ganzen", weiß Evelyn Brademann aus jahrelanger Erfahrung. So wirken sich Trennungen oder Scheidungen des Elternpaares auf die ganze Familie aus, Kinder verschlechtern sich beispielsweise in der Schule, weil sie häusliche Probleme mit sich herumschleppen.
"Leider muss man sagen, dass in den vergangenen Jahren Dinge wie sexueller Missbrauch, Kindeswohlgefährdung und häusliche Gewalt zugenommen haben. Und auch Süchte, Burnout und psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Borderline treten vermehrt auf", sagt die Diplom-Psychologin und sieht die Gründe dafür vorwiegend in den heutigen gesellschaftlichen Strukturen.
Komplettiert wird das Team um die Leiterin des Paritätischen in Haldensleben von einer Diplom-Sozialpädagogin und einer Diplom-Sonderpädagogin. Die Familienberatungsstelle sei vor allem als erster Anlaufpunkt für Klienten aller Art von Vorteil. "Wir arbeiten mit unzähligen Institutionen zusammen und gelten eigentlich als Schnittstelle im Mittelpunkt dieser", sagt Evelyn Brademann. Leider sei das sowohl vielen Klienten als auch vielen Institutionen noch unklar, dabei sei gerade dieser Fakt herausragend. "Wenn sich jemand mit bestimmten Dingen an uns wendet, können wir weiter vermitteln und sofort Anlaufstellen nennen, die das Problem eventuell besser bearbeiten oder gar lösen können", weiß Evelyn Brademann.
"Wir können weiter vermitteln und sofort Anlaufstellen benennen"
Sie und ihre Kollegen arbeiten neben vielen anderen Einrichtungen beispielsweise mit dem Jugendamt, dem Gesundheitsamt, dem Schulamt, dem Sozialamt, der Schwangerschafts- und Sexualberatung, der Schuldnerberatung, mit Kinderheimen, dem Landesverwaltungsamt, der Polizei, mit Krankenhäusern und dem Flüchtlingsrat zusammen.
"Wo andere Instanzen Grenzen haben und ihnen von Rechts wegen ab einem bestimmten Punkt die Hände gebunden sind, können wir weiter vermitteln." So kann sich jeder an die Beratungsstelle wenden, der das Gefühl hat, mit seinen Problemen allein nicht weiterzukommen.
Seit dem Erlass des neuen Familiengesetzes ziehen die Familiengerichte Beratungsstellen wie den Paritätischen außerdem mit in Urteile ein. Sie fungieren in diesem Fall als Mediatoren und sollen die Kommunikation zwischen zwei Parteien anleiten. "Oft sind das hoch strittige Familien, wie wir sie nennen", sagt Evelyn Brademann und erzählt, dass unter solchen Angelegenheiten manchmal schon Härtefälle wie der Verdacht auf sexuellen Missbrauch zu finden seien.
Angeboten werden auch Beratungen für Mitarbeiter aus sozialen und pädagogischen Bereichen. "Diese werden nur leider viel zu selten genutzt, weil gerade Lehrer oder Erzieher denken, wir wollen sie mit erhobenem Zeigefinger belehren." Dabei gilt das Angebot des Paritätischen eher dem fachlichen Austausch, der ja bekanntlich in jedem Beruf förderlich sein kann. "In manchen Fällen wäre auch nur eine Aussage von Lehrern hilfreich, um ein rundes Bild der Situation zu bekommen, in der sich die Kinder befinden. Aber viele sperren sich richtig dagegen", sagt Evelyn Brademann aus Erfahrung.
Unwissenheit und Angst erschweren auch die Arbeit mit den Klienten. Viele wissen nämlich gar nicht, dass die Beratungsstelle in vielen Lebenslagen hilft. So werden neben Familien- und Einzelgesprächen auch Kommunikations-, Konzentrations- und Selbstsicherheitstrainings angeboten, Trennungs- und Scheidungsberatungen sowie Entwicklungs-, Leitstungs- und Persönlichkeitsdiagnostiken.
"Das einzige Manko ist, dass wir so großen Zulauf und zu wenige Mitarbeiter haben, daher kann es manchmal etwas dauern, bis man einen persönlichen Beratungstermin bekommt", schildert Evelyn Brademann. Ein offenes Ohr ist dennoch für jedermann vorhanden und der Besuch der Beratungsstelle freiwillig, kostenlos und auf Wunsch anonym.
Sie befindet sich in der Süplinger Straße 35 in Haldensleben und ist montags und dienstags von 8 bis 18 Uhr geöffnet, mittwochs und donnerstags von 8 bis 15 Uhr und freitags von 8 bis 12 Uhr. Telefonische Beratung bekommt man an jedem Werktag von 8 bis 9 Uhr sowie von 12 bis 13 Uhr unter der Nummer (03904) 41468.