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Stadtrat 1784 Unterschriften gegen Lidl-Umzug

Als Protest gegen den Umzug eines Discounters sind im Stadtrat Oschersleben fast 2000 gesammelte Unterschriften übergeben worden.

Von Yvonne Heyer 12.09.2016, 01:01

Oschersleben l In der Einwohnerfragestunde stand beinahe nur ein Thema zur Debatte: der geplante Lidl-Neubau am Rand der Stadt und das Nein zum Bau eines neuen Netto-Marktes in Zentrumsnähe. Im Namen zahlreicher Bürger machte Karin Weber deutlich, dass der Handel in der Innenstadt bleiben soll. Sie fragte, wieso eine Mehrheitsentscheidung des Bauausschusses ausreichte, um grünes Licht für den Lidl-Neubau zu geben. Warum entschied nicht, wie im Fall von Netto, der Stadtrat? Dazu wurde ihr vom Bürgermeister Benjamin Kanngießer (parteilos) erklärt, dass hier zwei Dinge vermischt würden. Netto wollte auf der Fläche „Alter Zollbereich“ bauen, dafür aber hätte der Bebauungsplan des Areals geändert werden müssen. Die Fläche sei vorher für eine Wohnbebauung vorgesehen gewesen und musste nun überplant werden.

Der Stadtrat hatte den Netto-Neubau in seiner Sitzung Ende Juni abgelehnt, weil zu befürchten sei, dass die verbleibenden Splitterflächen nicht vermarktet werden können und damit ein Schandfleck bleibt. Für den Lidl-Neubau an der Anderslebener Straße hingegen gibt es bereits seit April 2013 den Aufstellungsbeschluss, der da lautet „Bebauungsplan Nr. 2/2013 Einzelhandel Anderslebener Straße in Oschersleben“. Mit diesem Beschluss ist somit schon vor mehr als drei Jahren grünes Licht für die Erweiterung des Einzelhandels an der Anderslebener Straße gegeben worden. Damals standen bereits die Erweiterung von Marktkauf und Aldi (inzwischen dort geschlossen) sowie der Bau zusätzlicher Fachmärkte zur Debatte.

Den Beschlussentwurf hatte seinerzeit der damalige Bürgermeister Dieter Klenke vorgestellt. Einstimmig hatte am 15. Mai 2013 der Bau-, Wirtschafts- und Umweltausschuss dem Vorhaben zugestimmt. Drei Jahre später passte der heutige Bauausschuss mit einem mehrheitlichen Beschluss das Vorhaben für Lidl, die an der Stelle des jetzt leerstehenden Aldi-Marktes bauen werden, an. Zudem hatte sich der Ausschuss im Juli entschieden, dass der Stadtrat in dieser Sache nicht zusätzlich zu entscheiden braucht, was die Hauptsatzung der Stadt auch zulässt. „Ich verstehe die Mitglieder des Bauausschusses nicht. Der Beschluss zum Bau des Lidl-Marktes hätte in jedem Fall in den Stadtrat gehört“, machte am Donnerstagabend Stadträtin Ingeburg Gerke (CDU) deutlich.

„Der Neubau eines Netto-Marktes sei auch abgelehnt worden, weil Anwohner des angrenzenden Wohngebietes den Markt an dieser Stelle nicht wollten“, so SPD-Fraktionschef Olaf Pankow. „Das waren nur einige wenige Bürger. Jetzt aber soll der Bürgerwille keine Rolle spielen?“, fragte Karin Weber, die nochmals auf die 1784 Unterschriften aufmerksam machte. „Die Stadt hat auch eine Verantwortung für die Bürger eines so großen Wohngebietes, das sich in der Nähe des alten Lidl-Marktes befindet“, machte die Oschersleberin deutlich.

Torsten Schubert (CDU), Vorsitzender des Bauausschusses, erklärte den Bürgern, dass er froh über jeden Investor sei, der Arbeitsplätze schaffe und damit für eine höhere Lebensqualität sorge. Und er betonte, dass der Stadtrat in Sachen Netto mit dem im Juni gefassten Beschluss nun Tatsachen geschaffen habe. Erst nach einem halben Jahr könne sich der Stadtrat erneut mit dem Thema befassen.

Karin Weber fragte daraufhin: „Werden die Investoreninteressen höher bewertet als der Wille des Bürgers?“

„Wie aber sieht der Wille der Bürger aus, die näher an der Anderslebener Straße wohnen?“, so das Gegenargument von Bürgermeister Kanngießer. Jörg Gildemeister (FUWG), Stadtrat und Ortsbürgermeister von Klein Oschersleben, warf in die Runde, dass auch die Belange der Einwohner und Wähler der Ortsteile bedacht werden müssen.

So sieht es auch SPD-Fraktionschef Olaf Pankow: „In den Dörfern gibt es ebenso ältere Bürger, die einkaufen müssen. Bekannt ist auch, dass in Oschersleben die Einkaufsmöglichkeiten nicht gut verteilt sind. Als Beispiel möchte ich nur das Areal in Richtung Ortsausgang Halberstadt nennen. Hier fehlt ein Markt. Doch dort gibt es keine geeigneten Grundstücke.“

Bestandteil der Diskussion während der Einwohnerfragestunde war auch die Frage der Nachnutzung des alten Lidl-Marktes. „Das ist ein laufendes Verfahren, dazu kann ich keine Auskünfte geben“, so der Bürgermeister. Der zugleich betonte, dass die Stadt eine Verantwortung habe, Investoren in Oschersleben zu halten. „Lidl hätten wir ohne Möglichkeit der Erweiterung verloren“, betonte Benjamin Kanngießer.

Die Fragen der Bürger sind längst nicht alle beantwortet. Auch nicht die Frage, wie mit den 1784 Unterschriften umgegangen wird. Zum Thema Netto-Markt dürfte ebenso noch längst nicht das letzte Wort gesprochen sein. Investor Detlef Mispelbaum werde anwaltlich gegen die Beschlüsse vorgehen und wolle nicht nur auf Schadenersatz klagen. Der Bauunternehmer wolle auch ein neues Bebauungsplanverfahren anstreben, wie er sagte.