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Bauhof geplant Großbäckerei reif für die Abrissbirne

Zur Stadtentwicklung gehört nicht nur das Aufbauen und Sanieren. Ab und zu muss auch mal die Abrissbirne ran, so wie in Seehausen.

Von Ralf Franke 16.08.2017, 01:01

Seehausen l Nachdem sich der Seehäuser Stadtrat dazu durchgerungen hat, am Wohnkomplex an der Salzstraße den von einem Brand geschädigten Teil abzureißen, bekannten sich die Stadträte um Bürgermeister Detlef Neumann auch zu umfrangreichen Abrissarbeiten an der alten Konsumbäckerei an der Otto-Nuschke-Straße. Ebenso wie an der Salzstraße will die Kommune für diesen Rückbau Fördermittel beantragen. Mit dem entsprechenden Grundsatzbeschluss in der Tasche kann sich die Verwaltung um Zuschüsse bemühen.

Bei der Suche nach dem passenden Fördertopf dürfte von Vorteil sein, dass die Stadt für das Areal, das im Süden an ein Getreidelager und auf der anderen Seite an die alte Mühle grenzt, Zukunftspläne hat. Abgesehen davon, dass die Kommune beim teilweise ruinösen Zustand der Immobilie ohnehin in der Verkehrssicherungspflicht ist, bringt sich das Gelände als künftiger Bauhof ins Gespräch. Heißt, dass dort die Stadtarbeiter und die komplette Technik, die für Unterhalt, Pflege und Reparatur des öffentlichen Raumes gebraucht wird, unterkommen könnte, was zum Teil ohnehin schon der Fall ist.

Der Beschluss für die Pläne, Gelder aus dem Programm zur Regionalen ländlichen Entwicklung (RELE) für den teilweisen Rückbau zu beantragen – was Anfang des nächsten Jahres wieder möglich wäre – und das Bäckerei-Gelände als Bauhof zu nutzen stießen im Stadtrat auf eine Mehrheit, auch wenn es offenbar noch etwas Misstrauen gibt, weil sich die Kommune eventuell in Zugzwang bringen könnte. Bürgermeister Detlef Neumann betonte indes, dass es mit einem möglichen Förderbescheid für den Abriss keine Auflage zur Entwicklung des Geländes geben würde.

Abseits der Akquise von Zuschüssen dürfte die alte Bäckerei und deren Zukunft demnächst die Fachausschüsse des Seehäuser Stadtrates beschäftigen. Denn es sollen auch nicht alle Gebäudeteile auf dem Hof abgerissen werden. Der Erweiterungsbau zur Otto-Nuschke-Straße oder die frühere Verkaufsstelle für die Konsum-Backwaren könnten nämlich wieder einer Nutzung zugeführt werden. Zudem sind offenbar Unstimmigkeiten mit dem neuen Besitzer der alten Motormühle aus der Welt zu schaffen, der keine offizielle Zufahrt auf den Hof hat, den sich Mühle und Bäckerei früher teilten.

Auch wenn schon gut ein Vierteljahrhundert keine Backwaren den Laden mehr verlassen, dürften sich viele Seehäuser noch an die Zeiten erinnern, als auf dem Gelände noch reges Treiben herrschte. Da lohnt sich ein Blick in die Seehäuser Stadtchronik von Kurt Maaß: Der Grundstein für den Betrieb wurde demnach am 1. September 1959 gelegt. Gut ein Jahr später, am 10. Oktober 1960, wurde die sogenannte Infrarot-Bäckerei eingeweiht. Beim Backen mit Infrarotstrahlung sollte die Wärmeausnutzung besser als mit Kohle oder Gas sein. Zur vollen Zufriedenheit hat das aber scheinbar nicht funktioniert. 14 Jahre später wurden die Öfen auf Widerstandsheizung umgestellt. Das Experiment scheiterte seinerzeit übrigens nicht nur in Seehausen. Mittlerweile wird das modernisierte Verfahren mit Infrarotsrahlung aber wieder angepriesen, weil es unter anderem Energie sparen, die Backzeit verkürzen und die Produkte haltbarer machen soll.

Die Großbäckerei produzierte täglich bis zu 15.000 Misch- und 3000 Weißbrote, 80.000 Brötchen und ein bis zwei Tonnen Konditorwaren für die Stadt, für die gesamte Altmark und sogar für die Prignitz. Saisonbedingt gab es die Festtagsbäckerei. Zum Beispiel für Weihnachtsstollen. Sogar Baumkuchen wurde in Seehausen hergestellt. Das Unternehmen verfügte über einen eigenen Fuhrpark und um die 70 Arbeitskräfte.

Weil durch die Produktionssteigerungen allmählich der Platz knapp wurde, entstand 1989 für die Abteilung Konditorwaren noch der besagte Erweiterungsanbau, der allerdings nie mit Maschinen ausgerüstet und in Betrieb genommen wurde.