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Literaturtage "Ohne Krevese kein Otto!"

Hannes Liebmann zitiert den Reichskanzler und zeigt Bismarcks emotionale Seite. Im Kreveser Herrenhaus halten die Literaturtage Einzug.

Von Astrid Mathis 07.10.2015, 20:00

Krevese l „Sie werden mich sicher gleich erkannt haben“, bemerkte Ralf Engelkamp schmunzelnd. Am Dienstag trug er passend zum Auftakt der Bismarck-Lesung dessen typische Kopfbedeckung und sprach als dieser einleitende Worte: 2015 ist Bismarck-Jahr. Das Theater der Altmark Stendal rundete das Programm ab.

Bevor Briefe zwischen Otto von Bismarck und seiner Verlobten Johanna von Puttkamern zu Gehör gebracht wurden, führte der Hausherr die geschichtsinteressierten Gäste zunächst in den Stammbaum der Familie Bismarck ein. Fakt ist, so Engelkamp, wohlwissend, Museumsleiter Frank Hoche als Kenner an seiner Seite zu haben, als Otto von Bismarck 1815 in Schönhausen das Licht der Welt erblickte, hatte die Familie das Haus in Krevese schon verkauft. Nämlich zwei Jahre zuvor. Da war der letzte in Krevese lebende Bismarck verstorben. Bis ins 13. Jahrhundert lässt sich der Stammbaum der Familie zurückverfolgen. Bis hin zu Nicolaus von Bismarck: Patrizier, Großkaufmann und Stendaler. Stammsitz der Familie war Burgstall.

Friedrich I. von Bismarck ging in die Geschichte als Stammvater und Vertauscher ein und liegt in der Klosterkirche St. Marien begraben. Für Burgstall gab es vom Kurprinz Johann Georg von Brandenburg Schönhausen und Krevese. Auch Welle, Döbbelin und Briest galten als Bismarck-Sitze. Bis die Linie dort erlosch. Das Ehepaar Anna-Elisabeth von Katte und Christoph-Georg von Bismarck richtete das Gutshaus in Krevese nach dem 30-jährigen Krieg schließlich so im barocken Stil her, wie wir es heute sehen. In Schönhausen gab es zwei Güter, eins gibt es schon lange nicht mehr, das zweite wurde Museum. Engelkamps Fazit lautete: „Ohne Krevese kein Bismarck!“

Der erste Reichskanzler hatte aber nicht nur die Sozialgesetze im Kopf. Im Briefwechsel zwischen seiner Verlobten Johanna und ihm 1847 zeigte er sich als hochemotional, was das Wohl seiner Familie angeht, und höchst ungeduldig, wenn er auf Post von seiner Liebsten wartet.

„Küsse lassen sich nicht schreiben“, zitiert Schauspieler Hannes Liebmann. Bismarck möchte lieber vier Wochen weiter sein und zu ihr reisen, aber es liegt Eis, er kann nicht fahren, fürchtet Überschwemmung bei Tauwetter und Unheil. Schließlich ist er Deichgraf in Schönhausen, hat sich auf die Ministerstelle nur aus Langeweile beworben.„Kann der schön schreiben!“ kommentiert eine Zuhörerin. Dann fängt Schauspieler Carsten Faseler an, die Briefe mit Liedern auf der Gitarre zu begleiten. „Wer Kaschmir für weich hält, hat dich nie gestreichelt“, singt er. „Mein Engel“ und „mein Herz“ nannte Bismarck seine Johanna. Bräutigam und Deichhauptmann zu sein, erschien ihm inkompatibel. Wenn er nicht zwei Briefe in einer Woche von seiner Liebsten bekommt, dreht er durch. Er hat sich doch so daran gewöhnt, dass er aus Sehnsucht zwei Stunden im Regen ohne Zigarre die Chaussee entlanggeht. Die Wahrheit: Er ist ängstlich. Das gibt er zu. „Schmerz und Furcht sind Egoisten“, sagt Bismarck, von dem immer viel zitiert wird. Schließlich erfährt er, dass es an der Genthiner Post lag: „Bei dem Gedanken fühle ich, wie innig ich dich liebe. Ich hätte größte Lust, die Post zu prügeln. (...)“

Die Schauspieler lassen den Briefwechsel mit Sorge um Tochter „Miechen“ und Erleichterung nach ihrer Genesung enden. Mit Schokoküsschen bedankte sich Engelkamp bei den Akteuren, Hoche und Anette Bütow sowie Familie Turner aus Köln.