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Revier Wische Schäden im Wald nehmen zu

Der Klimawandel hinterlässt auch im Wische-Revier seine Spuren. Viele Bäume müssen gefällt werden.

Von Ingo Gutsche 11.09.2020, 01:01

Kannenberg/Wische l Gunnar Schulze stellt dem Wald aktuell kein gutes Zeugnis aus. Der langjährige Förster, der für das Revier Wische verantwortlich ist, spricht von „massiven Problemen“. Die Dürre setzt den Waldbeständen zu, Schädlinge hätten leichtes Spiel. „Viele Bäume sind dem Tode geweiht“, ist Schulze alles andere als erfreut über die Lage in seinem Revier; seinen Kollegen vom Betreuungsforstamt „Nordöstliche Altmark“ würde es ebenso ergehen. Die Folge: Nahezu alle Baumarten weisen erhebliche Schäden auf. Kiefern, Eschen, Eichen & Co. müssen gefällt werden, weil sie krank sind. Und auch durch Instabilität, speziell wo die Verkehrssicherungspflicht gegeben ist, zu einer Gefahr werden können. Es muss gehandelt werden.

In den nächsten Tagen werden rund 130 Bäume bei Kannenberg gefällt. Die Fläche grenzt an das Biosphärenreservat Mittelelbe an, inklusive Naturschutzgebiet, das Heimat vieler Vögel ist. Deshalb hat sich Schulze zusammen mit dem Eigentümer mit dem Umweltamt abgestimmt. Die Maßnahmen werden unter äußerster Vorsicht ablaufen. Die Vogelbrutzeit, die bis Ende September geht, soll nicht gefährdet werden. Einige mit einem roten H wie Habitat markierte Bäume in diesem Bereich bleiben unangetastet, diese haben Spechte oder andere Vögel in Beschlag genommen. Trotzdem muss eine große Anzahl weg. Besonders Eschen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Das Eschentriebsterben macht dem Revierförster einige Kopfzerbrechen. Lichte Kronen und abgestorbene Äste sind die Folgen. Auch in anderen Bereichen seines Reviers hinterlassen Eschen, Eichen und Kiefern keinen guten Eindruck. „Die Schäden potenzieren sich“, sagt Gunnar Schulze mit ernstem Blick.

Die Klimaerwärmung mit den trockenen Jahren wirkt sich auf den Wald aus. Das Wurzelgeflecht der Bäume stehe in trockenem Sand oder Lehm. Die wenigen Niederschläge, speziell 2018 und 2019, machen sich bemerkbar. Das Grundwasser ging zurück. „Der Tank ist leer“, nennt es der 56-Jährige, der von einer langen Phase der Schadensbeseitigungen spricht. Ein Blick zurück: Der Winter 2010 war sehr kalt und extrem schneereich. Weihnachten vor zehn Jahren kam es zum sogenannten Schneebruch. Infolge der hohen Schnee- und Eislasten gab es vermehrt Schäden in den Baumkronen. Etwa 150 000 Festmeter Schneebruch habe der gesamte Forstbereich verzeichnet, erinnerte sich Schulze zurück.

Die Aufarbeitung des Schadens und seiner Folgen (Käferbefall) zog sich über mehrere Jahre hin. „Als man 2017 glaubte, wieder in der Normalität angekommen zu sein, traten die Herbststürme ein.“ Die Stürme mit Orkanböen verursachten abermals große Schäden in den Waldbeständen der Altmark. Wieder begann das notwendige Fällen. „Wir laufen den Schäden hinterher.“ Die normale forstliche Bewirtschaftung ist in den Hintergrund gerückt. Ein Großteil der Holzernte erfolgt über die Flächensanierung mit Schadholz. Gunnar Schulze schätzt die Zahl auf etwa 80 Prozent.

Durch die Trockenheit würden die Schädlinge leichtes Spiel haben. „Das sind ideale Bedingungen für Käfer und Pilze“, sagt der Fachmann. Eschenbastkäfer, Kiefern- und Eichenprachtkäfer, Lärchenborkenkäfer aus der Unterfamilie der Borkenkäfer, aber auch verschiedenste Pilze fühlen sich in den Bäumen wohl. Auch die Eichen und Eschen, als prägende Baumarten des Auenwaldes der Wische, sind befallen. Die Käfer bohren sich regelrecht in die Rinde hinein, die Larven zerfressen dann die „Leitungsbahnen“, die den Baum mit Wasser und Nährstoffen aus dem Boden versorgen. Ein langsames Sterben beginnt. Raupenfraß, wie vom Eichenprozessionsspinner oder dem Eichenwickler, führt zu weiterer Schwächung. Jeder gesunde Baum kann eine Vielzahl von Schädlingen wie Insekten und Pilze abwehren. Durch die lange Trockenheit sind die Bäume jedoch extrem geschwächt.

„Solch eine Extremsituation für den gesamten Wald gab es die letzten 100 Jahre nicht.“ Förster und Waldbesitzer müssen sich auf eine neue Situation einstellen. Genauso wichtig wie das schnelle Handeln und damit der Holzeinschlag befallener Bäume sind die Neuanpflanzungen. Für Schulze ist der Mischbestand das A und O. Je nach Standort kann dies eine größere oder kleinere Auswahl an Baumarten sein. An der Landesstraße nach Walsleben stehen junge Kiefern zusammen mit Rot-Eichen. Der Revierförster ist mit dem aktuellen Zwischenstand bezogen auf das Wachstum der Bäumchen nicht unzufrieden.

Aufgrund der Vielzahl an gefällten und zu fällenden Bäumen europaweit werde der Holz-Markt überschwemmt. „Die Preise sind im Keller“, weiß Schulze. Durch bereits bestehende Verträge, die die Forstbetriebsgemeinschaft Osterburg für die Waldbesitzer abwickelt und regelt, werde ein Großteil des Holzes jedoch nicht liegen bleiben – die Nachfrage nach dem erneuerbaren Rohstoff Holz sei weiterhin gut.

Von Buchen, Fichten und Eschen, die in einigen Regionen gar nicht mehr angepflanzt werden, werde man sich aufgrund ihrer Anfälligkeit verabschieden müssen. Neben Eichen und Kiefern werden Spitzahorn, Douglasie, Küstentanne oder die Birke das zukünftige Waldbild prägen. Dort, wo die Naturverjüngung durch den Samenfall der Bäume läuft, muss nicht in jedem Fall gepflanzt werden. Der Wald werde auf alle Fälle sein bisheriges Bild verändern, sagt Gunnar Schulze. „Der Klimawandel ist damit auch hier angekommen.“