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Geldnot und Flüchtlinge Schlange vor der Tafel in Osterburg wird immer länger

Die Tafel-Ausgabestelle in Osterburg hat mehr und mehr Zulauf. Neben ukrainischen Flüchtlingen steigt auch die Zahl der Bürger, die angesichts von Inflation und Co mit ihrem Geld nicht mehr hinkommen.

Von Karina Hoppe 22.11.2022, 17:06
Melanie Märtens (links)  und Gabriele Geithe am Dienstag bei der Tafelausgabe in Osterburg. Ingrid Mielau (hinten) trug ihnen zu.
Melanie Märtens (links) und Gabriele Geithe am Dienstag bei der Tafelausgabe in Osterburg. Ingrid Mielau (hinten) trug ihnen zu. Foto: Karina Hoppe

Osterburg - Kisten, Kartons, Tüten, Beutel. Auf Tischen, auf dem Fußboden und in Regalen – wer eine Tafelausgabe vorbereitet, muss logistisch gut drauf sein.

Die Leiterin der Stendaler Tafel, Melanie Märtens (36), und ihre ehrenamtlichen Helferinnen Gabriele Geithe und Ingrid Mielau sind das. So bewiesen sie es gestern Vormittag abermals in der Osterburger Ausgabestelle im Altneubaugebiet. Vorm Ansturm füllten sie 13 Kisten für Großfamilien über vier Personen, 13 für Drei-Personen-Haushalte, 13 für Zwei-Personen-Haushalte und 30 für Einzelpersonen. Darin Gemüse, Obst, Käse, Wurst, Brot, Kuchen. Es wird gebraucht – und zwar immer mehr.

Wie reihum ist nämlich auch in der Osterburger Ausgabestelle die Zahl der Bedürftigen gestiegen: auf 65 „Abholer“, hinter denen mehr Bedürftige stehen. „Mehr als die Hälfte sind hier schon ukrainische Flüchtlinge“, sagt Melanie Märtens. Aber es nehme eben auch die Zahl der deutschen Bürger zu, die nachweislich bedürftig sind, aber bisher noch klarkamen. „Oder bei denen durch die Inflation und die ganzen Preissteigerungen der Druck jetzt so groß geworden ist, dass sie ihre Scham überwunden haben und zu uns kommen“, sagt Melanie Märtens. Unter den Hilfesuchenden seien immer auch Rentner.

Noch konnte die Stendaler Tafel, deren Träger das Soziatherapeutische Gut Priemern ist und zu der auch noch die Ausgabestellen in Stendal, Tangermünde und Tangerhütte gehören, quasi alle versorgen. „Einen Stammkunden mussten wir noch nie mit leeren Händen wegschicken“, sagt Melanie Märtens. Bei Flüchtlingen kam es sehr selten vor.

Rationen für Familien ab vier Personen. Seit der Corona-Pandemie sortiert die Osterburger Tafel die Kisten und Beutel schon vor der Ausgabe zusammen.
Rationen für Familien ab vier Personen. Seit der Corona-Pandemie sortiert die Osterburger Tafel die Kisten und Beutel schon vor der Ausgabe zusammen.
Foto: Karina Hoppe

Stammkunden werden zuerst bedient, die Flüchtlinge hinterher. Darin hätten manche Rassismus gesehen, „aber das ist es überhaupt nicht und das lass’ ich mir auch nicht sagen“. Es heiße ja nicht „Deutsche vor Ausländern“, sondern Stammkunden vor Flüchtlingen. „Ich kann doch unsere Rentner hier nicht im Regen stehenlassen“, so Märtens.

Manche Flüchtlinge hätten bei Ausgabebeginn um 10.30 Uhr schon morgens um 7 oder 8 Uhr vor der Tür gestanden. Es wurde deswegen extra ein Zettel in ukrainischer Sprache an die Tür gehängt, um dies zu verhindern. Jetzt laufe es gut.

Zu den Stammkunden gehört eine Walslebenerin. „Nachdem mein Mann verstorben ist, hat das Geld nicht mehr gereicht. Am Anfang kostete mich das Überwindung, aber jetzt ist es okay. Ich bin dankbar für die Hilfe.“ Ein älterer Herr vor ihr beschwerte sich gestern, dass die Tafel früher mehr Waren ausgegeben habe.

Neben Obst und Gemüse verteilt die Osterburger Tafel auch Käse, Wurst und Brot - was sie eben so bekommt.
Neben Obst und Gemüse verteilt die Osterburger Tafel auch Käse, Wurst und Brot - was sie eben so bekommt.
Foto: Karina Hoppe

Der Mann hat recht. Die proppevollen Beutel und Körbe waren früher offenbar größer. Aber die Supermärkte geben nicht mehr so viel ab wie einst, erzählt Melanie Märtens. Das habe womöglich auch mit so Apps wie „To-good-to-go“ zu tun, worüber man am Abend Ausrangiertes für kleines Geld abholen kann. Vermutlich aber seien einfach auch die Supermärkte nun mehr zu Sparsamkeit angehalten als früher. An dieser Stelle betont die Tafelleiterin, „dass die Tafel nicht dafür da ist, den Grundbedarf an Nahrungsmitteln zu decken, es ist ein Zusatz“. Auf diesen Zusatz war auch die Tafel-Ehrenamtliche Gabriele Geithe einmal angewiesen. Nun hilft sie anderen, „ich weiß, wie das ist und gebe nun etwas zurück“.

Die neuen Räumlichkeiten direkt neben dem Quartiersbüro der Pfeifferschen Stiftungen seien super. „Vor allem haben wir es hier warm, keine Leitung gefriert mehr wie in der in der Gartenstraße.“ Das einzige Plus dort war mehr Platz, aber wie gesagt: In Sachen Logistik macht den Frauen (und Männern) von der Stendaler Tafel keiner was vor.