1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Salzwedel
  6. >
  7. Auto ist nur noch verkohlter Schrott

Brandstiftung Auto ist nur noch verkohlter Schrott

Brandstiftung in Salzwedel: Der mutmaßliche Täter sitzt in Untersuchungshaft. Die Volksstimme sprach mit einem Opfer.

Von Cornelius Bischoff 31.08.2020, 23:01

Salzwedel l Gemeinsam mit einem Bekannten hatte Patricia Krümmel in der Nacht zum 19. August einen Spaziergang unternommen, als ihr Polizeiwagen aufgefallen waren, deren Insassen die nächtliche Umgebung der Straße Vor dem Neuperver Tor in Salzwedel durchsuchten. Aufmerksam geworden war sie, als ein Löschfahrzeug mit Blaulicht an ihr vorbei, in Richtung des Alten Wasserturms fuhr. „Das Blaulicht ist ja in alle Richtungen zu sehen“, erinnert sie sich, und es sei ein seltsames Gefühl gewesen, als sich das zuckende Licht nicht wie erwartet, hinter der nächsten Straßenbiegung verloren habe.

„Du, schau mal, die stehen ja bei uns an der Ecke“, hatte sie zu ihrem Bekannten gesagt. Der habe – wohl unter dem Eindruck der Brandserie vom Vorabend – gewitzelt: „Klar, da brennt bestimmt dein Auto.“ Und dann kam der Schock!

„Ich war fassungslos“, sagt die junge Frau. Der Schreck, dass sich der Feuerteufel ihre „Henriette“ – so nennt sie ihr Auto liebevoll – als Opfer ausgesucht hatte, ist ihr noch immer anzusehen. Traurig schaut die junge Frau auf das, was das Feuer von dem Kleinwagen übrig gelassen hat.

Dass „Henriette“ schon 13 Jahre auf dem blechernen Buckel hatte, ist allerdings die eigentliche Tragödie: Das Geld, das Patricia Krümmel von der Versicherung erwartet, wird nämlich kaum reichen, um ein neues, gebrauchtes Auto zu kaufen. Ohnehin falle es ihr derzeit schwer, so die Restaurant-Fachfrau auf Nachfrage, von ihrem Gehalt ein Auto zu unterhalten.

„Ich bin seit dem 16. März in Kurzarbeit“, erzählt sie über ihre derzeitige Situation. Für ihre Arbeit bis spät in die Nacht bekommt sie rund 900 Euro im Monat. Knapp 400 Euro kostet die kleine Wohnung der jungen Frau. Mitbewohner ist eine Katze, aber die, sagt Patricia Krümmel, „frisst ja nicht viel“.

Der Verlust des Autos trifft die 36-Jährige schließlich auch aus anderen Gründen hart. Zwar sei ihre Arbeitsstätte auch mit dem Fahrrad zu erreichen, im Regen und bei absehbar sinkenden Temperaturen sei das aber kein Spaß.

Hinzu kommt die Angst. Denn in Salzwedel fühlt sich die junge Frau, die fast ihr gesamtes Leben in der Hansestadt verbracht hat, nicht mehr sicher. Der Brandanschlag und häufige Nachrichten von gewaltsamen Übergriffen auf Rentner und Angriffe auf Polizisten haben nicht dazu beigetragen, ihr ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Aus diesem Grund meidet Patricia Krümmel den direkten, aber schlecht beleuchteten Fahrradweg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung. Aber auch in einem Wohngebiet, das sie stattdessen auf dem Weg zur Arbeit durchradelt, sei sie vor wenigen Tagen von Jugendlichen, die die junge Frau in einem Auto passiert hätten, angepöbelt worden. „Ist es nicht erschreckend“, fragt sie. Salzwedel sei über die Jahre immer weiter herunter gekommen, findet sie.

Inzwischen hat auch der Gutachter, der die verschmorten Überreste von „Henriette“ nach einer Fahrgestellnummer durchsucht hatte, seine Arbeit eingestellt. Über den Restwert des Autos könne er keine Auskunft geben. Wann und wie viel die Versicherung zahlt, sei nicht abzusehen. „Das Auto geht in eine Restwertbörse“, erklärt er. Dort könnten Händler ein Gebot auf die Ruine des Kleinwagens abgeben. Zwischenzeitlich ermittle das Gutachterbüro den Listenwert des Fahrzeugs, das Patricia Krümmel über 97.000 Kilometer treue Dienste geleistet hatte.

Den letzten TÜV hatte „Henriette“ erst vor zwei Monaten bestanden. Bis sich ein Interessent gefunden hat oder das Angebot der Versicherung vorliegt, wird der verkohlte Schrotthaufen Patricia Krümmel täglich an den Anschlag vor ihrer Haustür erinnern. „Wann ist das nur endlich vorbei“, fragt sie: „Ich habe immer noch das Gefühl, mitten in einem Alptraum zu stecken.“