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Gedenken Auf den Spuren der Grausamkeit

Jugendliche aus und um Salzwedel haben sich mit Kriegen in Deutschland beschäftigt. Fassungslosigkeit und Wut waren die stätigen Begleiter.

Von Alexander Rekow 14.11.2017, 20:00

Salzwedel l Krieg und Frieden liegen oftmals dicht beieinander – ob geographisch oder in Geschichtsbüchern. Greifbar ist das für junge Jugendliche meist wenig bis gar nicht. Kriege kennen sie allenfalls aus dem Fernseher, wenn in Afghanistan, Syrien oder andernorts die Bomben fallen. Kriege auf deutschem Boden werden hingegen im Geschichtsunterricht thematisiert. Auch den Kalten Krieg hat von dieser Generation keiner miterlebt. Doch was bleibt von den Kriegen in Deutschland? Wo sind die Hinterlassenschaften zu sehen? Diesen Fragen wollten die Jugendlichen vom Awo-Schülerfreizeitzentrum in Salzwedel und des Jugendclubs in Diesdorf auf eigenem Wunsch auf den Grund gehen.

„Uns ist es wichtig, daran zu erinnern, dass Frieden in Deutschland ein kostbares Gut ist und dass es nie wieder zu Krieg kommen darf“, sagte Heike Kreishammer, Leiterin der Salzwedeler Einrichtung. Daher mussten die Jugendlichen die Chefin nicht zweimal bitten, Orte des Kriegsgeschehens in Deutschland aufzusuchen. Diesdorfs Jugendclub-Chef Torsten Neumann fand diese Idee ebenfalls gut. Unter dem Dach des „Fakir-Projekts“ (Fairplay Altmark Kids Respect), finanziert durch das Bundesprogramm „Demokratie Leben“, planten die beiden Pädagogen eine Bildungsreise für ihre Jugendlichen. Unterstützt wurden sie vom Sozialen Netzwerk für weltoffene und demokratische Jugend- und Sozialarbeit im Altmarkkreis Salzwedel, kurz Sonet.

Die erste Fahrt führte die Jugendlichen zwischen 12 und 20 Jahren nach Sachsen. Ziel war das über 100 Jahre alte Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. Vor dem 91 Meter hohen Denkmal verdeutlichten die Pädagogen ihren Schützlingen, dass Deutschland und Europa in ihrer Geschichte von zahlreichen Kriegen geprägt sind, Hunderttausende von Opfern zu beklagen sind. „Erinnern und Mahnen sind an Orten wie diesen die wichtigen Begleiter“, erklärte Krieshammer den Jugendlichen. Denn die Awo-Chefin weiß: „Nur durch die Aufrechterhaltung der Erinnerung bleiben Kriege und Opfer unvergessen.“

Die Seelower Höhen bildeten das zweite Ziel der 16 Jugendlichen und ihrer Begleiter. Bei der Schlacht um Berlin im Jahr 1945 war der Breitengrad einer der umkämpftesten Abschnitte im Zweiten Weltkrieg. Zwischen dem 16. und 19. April erkämpften sich dort knapp eine Million Rotarmisten den Weg zu den Toren Berlins.

Etwa 12 000 deutsche Soldaten und rund 33 000 Rotarmisten verloren dort ihr Leben. Zahlen und ein Ort, welche Fassungslosigkeit unter den Jugendlichen hervorrufen.

Weiter ging es für die Westaltmärker zum Bendlerblock in die Hauptstadt. „Der Bendlerblock ist ein Gebäudekomplex in Berlin-Mitte an der Staufenbergstraße. Dort befand sich die Widerstandsgruppe um Generaloberst Ludwig Beck und Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg“, erklärte Krieshammer den Jugendlichen.

Das Staufenberg-Attentat kennen die Jugendlichen zum Teil aus der Schule. Gerade auch das Thema Widerstand haben Torsten Neumann und Heike Krieshammer erläutert. Schließlich befindet sich in Salzwedel auch noch heute die Geschwister-Scholl-Straße, nach Hans und Sophie Scholl aus der Widerstandsbewegung der „Weißen Rose“ benannt. So schloss sich auch dort für die Jugendlichen ein gedanklicher Kreis.

Als letzte Station wählten Heike Krieshammer und ihre Jugendlichen im Oktober die Gedenkstätte Bergen Belsen. In dem ehemaligen Konzentrationlager schauten sich die jungen Leute im Dokumentationszentrum viele Fotos, einstige Habseligkeiten der Häftlinge und Teile ihrer Geschichte an. „Die Jugendlichen waren tief beeindruckt“, sagt Krieshammer. Die Awo-Chefin hat sich selbst auch schon mehrere ehemalige Konzentrationlager angeschaut, weiß um die grausame Wucht eines solchen Ortes. Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit, Trauer und Wut sahen sich die Teilnehmer Videoaufnahmen der Amerikaner von der Befreiung an. „Das war eine besondere Erfahrung, da ich mich für das Thema sehr interessiere. Gerade die vielen originalen Dokumente und Bilder waren erschütternd“, sagt Lisa Plönnings.

„Als wir auf das Lagergelände kamen und am Grab von Anne Frank ankamen, hielten die Jugendlichen inne. Nicht wenige von ihnen kannten das bekannte Tagebuch der ermordeten Jüdin aus der Schule“, sagte Krieshammer. „Das hat mich tief beeindruckt und traurig gemacht“, fügte Plönnings an.

So schloss sich für die Jugendlichen eine Reise auf den Spuren der Grausamkeit – zwischen Krieg und Frieden.