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Gerichtsverhandlung Schüsse folgen Schlag mit Wodka-Flasche

Alkohol, Streit, ein Schlag, Schüsse - vor dem Amtsgericht Salzwedel unterschieden sich die Erinnerungen von Opfer und Angeklagtem.

Von Alexander Rekow 31.10.2017, 02:00

Salzwedel l „Ich wollte ihm Angst machen, ich war besoffen“, gesteht der Beschuldigte am Salzwedeler Amtsgericht gegenüber Richter Klaus Hüttermann. Im Mai soll der 22-Jährige einen damaligen Freund mit einer Wodka-Flasche geschlagen haben. Das 23-jährige Opfer erlitt ein Schädelhirntrauma und musste mit neun Stichen genäht werden. Dafür möchte das Opfer Schmerzensgeld. Doch was ist passiert?

Der arbeitslose Beschuldigte erklärt dem Richter, dass er sich bei einem Textilgeschäft an der Altmarkpassage aufhielt. Dort traf er auf das Opfer und geriet mit ihm in Streit. Worum es ging, weiß er nicht mehr, er war betrunken, will eine Wodka-Flasche geleert haben. Das Opfer soll ihn geschlagen haben, weshalb der Beschuldigte mit der Flasche zuschlug. „Früher waren wir gute Freunde – heute hat er mich blockiert.“ Nach der Tat sei das Opfer weggelaufen und der Täter habe sich auf den Weg nach Hause gemacht. Unterwegs sei er mit einer Schreckschusswaffe angeschossen worden. „War das eine Regelung unter Russen?“, will der Richter wissen. „Ich kenne die nicht, die haben kein Wort gesagt“, antwortet der Beschuldigte.

Aus den Erinnerungen des Opfers soll sich es anders zugetragen haben. Der 23-Jährige will mit Freunden in einem Keller im Wohngebiet Arendseer Straße gefeiert haben. Vor dem Hauseingang sei es zum Streit gekommen. „Ich bin mit meinen Kumpels raus gegangen und dazwischen“, erklärt der 23-Jährige, „dann habe ich ihn weggetreten“. Der Beschuldigte sei weggegangen – dann aber wiedergekommen. „Wir haben dagestanden und geredet, auf einmal zieht er mir eine Flasche übern Kopf“, sagt das Opfer. Der Beschuldigte räumt ein, dass die Aussage des Opfers zutrifft. In der Auseinandersetzung soll aus der Gruppe auf den Angeklagten mit einer Schrecksschusswaffe geschossen worden sein. Auf seiner Weste und dem T-Shirt blieben Rückstände.

Den Polizeibeamten erklärte der Täter eine andere Geschichte. So will er in der Nähe des Kinos von zwei Personen überfallen worden sein, dort seien die Schüsse gefallen. Die Beamten leuchteten den Bereich großflächig aus. Patronenhülsen wurden nicht gefunden. Schlussendlich landeten die Beamten durch Zeugenaussagen von Opfern aus dem Krankenhaus vor der Eingangstür des Hauses, in dem im Keller die Party stattgefunden haben soll. Dort fanden die Polizisten Bluttropfen auf dem Gehweg, Glassplitter und blutige Taschentücher. Im Laufe des Prozesses und in den Polizeiangaben finden sich unterschiedliche Ausführungen. Immer wieder müssen sich Richter Hüttermann und Amtsanwältin Krüger mit Fragen bemühen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. „Ist es peinlich, wenn es auffliegt?“, will Richter Hüttermann von dem Beschuldigten wissen. „Es ist peinlich“, antwortet er leise.

„Ich wollte mich entschuldigen – er hat mich aber auf dem Handy blockiert“, sagt der 22-Jährige. Das passt der Mutter des Opfers nicht, die im Zuschauerbereich des Gerichts sitzt: „Er hat ihm gedroht – meine Tochter hat das auf dem Handy“. Der Beschuldigte hält dagegen, will es anders gemeint haben: „Wenn du eine Anzeige machst, ist das für deine Kumpels noch schlimmer, weil die geschossen haben“. Trotz alledem räumt er in der Verhandlung auch mehrmals ein, dass es ihm leid täte.

„Hier hätten lange Folgeerscheinungen auftreten können“, erklärt Amtsanwältin Krüger dem Beschuldigten. Zudem habe dieser bereits im März 2012 und Dezember 2014 wegen Körperverletzung vor dem Jugendgericht gesessen. Sozialstunden und Jugendarrest waren die Folge. Deshalb fordert die Amtsanwältin sechs Monate Freiheitsstrafe zu drei Jahren Bewährung und Schmerzensgeld. Dem kommt Richter Klaus Hüttermann nach. Die Summe des Schmerzensgeld wird sich aus einem Gespräch zwischen Opfer und dessen Anwalt ergeben. „Sie müssen zahlen, wenn es beziffert ist“, sagt der Richter und gibt dem Beschuldigten mit auf den Weg, dass, wenn dieser in seiner Bewährung wieder auffällig wird, er ihn vom Scheibtisch aus ins Gefängnis schicken wird.