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Helga Weyhe über Zeit nach der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 Im heimischen Bücherregal gab es plötzlich eine zweite Reihe

Von Jenny Schwerin 10.05.2013, 01:19

Salzwedel l Vor genau 80 Jahren, am 10. Mai 1933, wurden in vielen Städten Bücher verbrannt. Vor allem von Studenten ging die damalige Aktion "Wider dem undeutschen Geist" aus. In Salzwedel allerdings fand die Bücherverbrennung nicht statt. Dennoch zeugen noch einige Zeitungsartikel von der Aktion.

"Neben der Salzwedeler Wochenzeitung gab es die Zeitung der NSDAP, die neue Salzwedeler Zeitung, die über das Ereignis berichtete", sagt Stadtarchivar Steffen Langusch. Er stöberte zur Bücherverbrennung in den Zeitungen des Archives und stieß dabei auf drei Artikel. "Im Wochenblatt gab es sogar zwei Artikel. Einen als Vorschau und einen am Tag danach", erzählt er.

In der Neuen Salzwedeler Zeitung wurde erst zwei Tage später über die Bücherverbrennung in Berlin berichtet. "In den Zeitungen wurde wahrscheinlich nur so wenig darüber berichtet, weil ebenfalls im Mai die Festwoche der Stadt Salzwedel war", vermutet Langusch. Denn im Mai wurde in der Stadt der 700. Geburtstag Salzwedels gefeiert.

Die Salzwedelerin Helga Weyhe, Deutschlands älteste Buchhändlerin, erinnert sich nur wenig an die Zeit der Bücherverbrennung 1933. "Da war ich erst zehn Jahre alt", sagt sie. Dennoch: "Ich weiß nur, dass es zu der Zeit schwer war, bei manchen Verlagen zu bestellen", erzählt die Buchhändlerin.

"Da standen dann wahrscheinlich die Bücher von Thomas Mann und anderen."

Denn in der Folge der Bücherverbrennungen gab es zahlreiche Listen sogenannter verbotener Bücher, die nicht mehr verkauft werden durften. "Ich erinnere mich auch, dass es oben in dem Bücherschrank meiner Eltern plötzlich eine zweite Reihe gab. Da standen dann wahrscheinlich die Bücher von Thomas Mann und anderen", vermutet sie.

Denn die Bücher durften die Buchhändler wohl behalten, nur verkaufen durfte man sie nicht. "Wären die Bücher gefunden worden, wäre es aber schon ein Minuspunkt gewesen, deswegen wahrscheinlich auch die zweite Reihe", so die 90-Jährige.

Dass aber direkt ihre Eltern oder auch Bekannte über die Bücherverbrennung gesprochen hätten, so Helga Weyhe, wüsste sie nicht. Einen Nachweis aus der Zeit um 1933 hat die Buchhändlerin allerdings aufgehoben - einen Bücherkatalog von 1932. "Da stehen die ganzen Autoren, die man nach 1933 nicht mehr bekommen konnte, noch drin", sagt sie.

Vor allem jüdische Autoren waren verboten worden. Nicht nur Buchhandlungen durften die Bücher nicht mehr verkaufen, auch beispielsweise Bibliotheken mussten sie aus dem Bestand nehmen.