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Theater-Workshop Kilian spielt eine verbitterte Oma

13 Jugendliche schlüpften in andere Rollen. Sie nahmen an einem Theaterworkshop im Ökodorf Sieben Linden bei Poppau teil.

Von Anke Pelczarski 15.11.2016, 02:00

Poppau l „Eigentlich hatte ich gar keinen Bock, hier mitzumachen“, gesteht Kilian Keßler. Doch nun ist der 17-Jährige voller Freude dabei. Denn er hat seine Traumrolle gefunden: eine alte, wütende, verbitterte Oma. Und die spielt er mit Leidenschaft. Die passende Verkleidung macht alles noch glaubwürdiger. Gut sei auch, dass man neue Leute kennen lerne. „Schauspiel verbindet irgendwie. Das ist wie eine Art Integration“, fügt der Jugendliche aus Winterfeld hinzu.

Wie ihm geht es auch den anderen. Linus Haring aus Poppau ist schon ein „Wiederholungstäter“. „Ich war im Februar bei einem ähnlichen Workshop dabei. Theaterspiel ist meine Leidenschaft, das Ausprobieren mit Kostümen“, schildert der Gymnasiast.

Der Workshop ist Teil des Theaterprojektes „FLUCHTstücke“, dessen Träger der Verein zur Förderung der beruflichen Bildung Altmark West ist. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Familie (BMFSFJ), der Sparkasse Altmark West und der GLS-Treuhand. „Das Projekt ging über ein Jahr. An diesem Wochenende schließen wir es ab“, erzählt Theaterpädagogin Nicoletta Geiersbach, die mit ihrer Kollegin Charlotte Knappstein die Seminarteilnehmer bei ihrem Tun begleitet. Die jungen Leute kommen aus der näheren Umgebung, aus Salzwedel und dem Wendland. Sechs von ihnen leben im Kinderhof Winterfeld, darunter drei geflüchtete unbegleitete Jugendliche. „Ich war erstaunt, wie schnell sich alle gefunden haben, obwohl sie sich zum Großteil nicht kannten“, lobt Nicoletta Geiersbach. Die Gruppe harmoniere als Team. Und auch die beiden Mädchen aus Eritrea, die erst seit kurzem in Deutschland seien und die Sprache überhaupt noch nicht verstehen, hätten ihre Freude und würden gut mitmachen.

Gearbeitet werde im freien Spiel. Es gehe nicht nur ums Verkleiden, sondern auch um Mimik, Gestik und Reagieren auf Einwürfe. „Wir arbeiten mit dem sogenannten theatralen Mischpult von Maike Plath“, erklärt die Theaterpädagogin. Darunter verbirgt sich eine Sammlung an Theatersprache, die als Regieanweisung ins Spiel einfließt. Auf einem Zettel steht beispielsweise Zähneputzen, auf anderen Angst, Stolz, Wut, Tanzen. All das wird angesagt und von den Jugendlichen auf der Bühne umgesetzt.

Und auch das Ausdenken von Szenen aus dem Stegreif heraus wird probiert. So spielt einer einen Vater, der in einer Zeitschrift blättert. Die Tochter schleicht sich an und will wissen, was sie zu Weihnachten geschenkt bekommt. Denn sie vermutet, dass die Überraschung in eben diesem Heft ist. Und schon kommt die verbitterte Oma wieder ins Spiel, diesmal als Verkäuferin, die dem Vater eine Illustrierte andrehen will. Die Tochter entreißt diese und entdeckt darin ihre Mutter – allerdings nur sparsam bekleidet... Die Zuschauer müssen schmunzeln, wie sich solch eine Szene aus dem Nichts heraus entwickelt.

„Es kostet schon Überwindung, auf die Bühne zu gehen“, verrät Maria Quednau. Die 17-Jährige aus Winterfeld fügt hinzu: „Aber es macht auch Spaß, hier was zu lernen.“