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Kommunalpolitiker Drohbriefe im Postkasten

Zwei Briefe im Postkasten haben dem Salzwedeler Stadtratsvorsitzenden Gerd Schönfeld unruhige Nächte beschert.

Von Antje Mewes 10.02.2020, 18:08

Salzwedel l „Linksversiffter Öko-Terrorist und Klimakrisenhysteriker“ waren noch die harmlosesten Beschimpfungen, die Stadtratsvorsitzender Gerd Schönfeld (Die Linke) in zwei Briefen lesen musste. Sie lagen eines Morgens in seinem Postkasten. Einer handgeschrieben, einer mit dem Computer. Der Vorfall liegt schon mehrere Wochen zurück, doch wenn er sich an den Moment erinnert, ist ihm anzusehen, wie sehr ihn der Inhalt getroffen hat.

Die Schreiben enthielten nicht nur übelste Beleidigungen, sondern auch Drohungen, die sich auf seine Familie bezogen. Die Verfasser der Schreiben würden dafür sorgen, dass er seine „Amtsgewalt“ verliere. Wenn er nicht selbst zurücktrete, würden sie „das auf andere Art und Weise beenden“. „Am Schlimmsten war, dass denen klar ist, wo wir wohnen, und dass sie meine Familie bedroht haben“, erzählt er im Gespräch mit der Volksstimme. Er habe nicht gewusst, wie er damit umgehen soll und große Angst um seine Frau, seine Tochter und die Enkelin, die bei ihm wohnen, gehabt. Er dachte an den Kasseler Regierungspräsident Kassel, Walter Lübcke. „Er wurde erschossen, weil er sich für Flüchtlinge eingesetzt hat“, sagt er kopfschüttelnd.

„Als Polizist bin ich oft in solchen Situationen gewesen, aber dann standen mir die Leute gegenüber und es ging nicht um meine Familie“, erklärt er. Es sei etwas anderes, wenn er jemandem, der ihn anpöbelt oder auch bedroht, in die Augen sehen, mit ihm deeskalierend sprechen oder sich im Ernstfall auch aktiv wehren könne. Aber das Anonyme sei eine andere Nummer. Nicht greifbar und schwer zu beurteilen.

Seiner Frau und Tochter habe er nichts erzählt, um sie nicht zu beunruhigen. Doch seine Gedanken hätten sich überschlagen. „Ich konnte nachts nicht mehr schlafen, habe hin und her überlegt“, erinnert er sich. Aufmerksam habe er die Umgebung seines Hauses beobachtet, auf seine Lieben besonders acht gegeben. Schließlich sei in ihm der Entschluss gereift, zurückzutreten. Doch bevor er diesen Schritt gehen wollte, hat er mit Hauptamtsleiter Matthias Holz gesprochen. Auch um zu klären, wie das Verfahren bei einem Rücktritt wäre. Holz habe ihm weder zu noch abgeraten, aber großes Verständnis gezeigt. „Das Gespräch war für mich ungemein wichtig“, betont der Stadtratsvorsitzende. Er habe sich bestärkt gefühlt, nicht aufzugeben und inzwischen mit seiner Frau darüber gesprochen.

In der Dezembersitzung informierte er im nicht öffentlichen den Stadtrat über die Drohbriefe. Anzeige hat er nicht erstattet. „Ich habe die Briefe gleich vernichtet, ich wollte nicht, dass jemand aus der Familie sie zufällig in die Hände bekommt“, sagt Schönfeld. Inzwischen lässt der Alltag die Geschehnisse langsam in den Hintergrund treten.

Er nimmt an, dass sich die Täter auf die Stadtratssitzung in Rockenthin bezogen haben. Damals hatte er zwei Jugendlichen der Ortsgruppe Fridays for Future in der Einwohnerfragestunde Rederecht eingeräumt. Dafür war während der Sitzung und im Nachgang von der Bürgermeisterin und einigen Stadträten scharf kritisiert worden. Sein Vorgehen entspreche nicht der Geschäftsordnung. Zudem sei eine der beiden Schülerinnen aus Beetzendorf und nicht aus Salzwedel gewesen, lauteten die Vorwürfe gegen ihn. „Ich stehe aber heute noch dazu, dass ich beiden habe sprechen lassen“, betont er.

Der Stadtratsvorsitzende ist nicht der einzige Salzwedeler Kommunalpolitiker, der anonyme Post bekommen hat. Nils Krümmel, Chef der Freien Fraktion, erhielt ähnliche Verunglimpfungen und drohende Äußerungen aufgrund seiner Arbeit als Stadtrat per Mail. Für ihn habe sich der Fall aber inzwischen erledigt. Er habe herausgefunden, wer ihn da angegangen ist und sich mit ihm ausgesprochen.

Erst Mitte Januar hat ein ähnlicher Fall in Haldensleben für Aufsehen gesorgt. Da bekam die SPD-Politikerin Katharina Zacharias eine Morddrohung. In ihrem Briefkasten lag eine Zeichnung, die eine am Galgenstrick hängende Person zeigt. Sie vermutete einen Zusammenhang zu ihren Statements mit Blick auf eine rassistische Karnevalsrede in Süplingen.