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Literatur Ohne Krimi geht Mimi nicht ins Bett

Welche Bücher werden in Salzwedel besonders gern gelesen? Die Volksstimme hörte sich in Buchläden und der Bibliothek um.

Von Alexander Rekow 17.01.2019, 00:01

Salzwedel l Dass Mimi ohne Krimi nicht ins Bett geht, kann Wenke Wirth, Inhaberin vom Buchladen in Salzwedels Burgstraße, bestätigen. Denn der Psychothriller „Der Insasse“ von Sebastian Fitzek gehört bei ihr seit 2018 zum Dauerbrenner. „Die Leute lesen nach wie vor gerne Krimis“, sagt sie. Spannung sei eben willkommen. Auch Biographien sind bei ihr gefragt. Zur Zeit wird die von Michelle Obama, ehemalige First-Lady der USA, gern gelesen. Auch Bücher über den aktuellen US-Präsident Donald Trump bleiben gefragt. Sogar ein Reiseführer gehört zu den gefragtesten Bücher bei ihr. „Das Buch ‚In The Middle Of Nüscht‘ (In Mitten von Nichts) ist ein Reiseführer für die östliche Altmark, wunderschön illustriert“, sagt sie.
Das kann Rainer Neitzel vom „Lese-Land“, ebenfalls in Salzwedels Burgstraße, nur bestätigen. Auch bei ihm erfährt das Buch eine große Nachfrage, so wie auch seine restliche lokale Lektüre. Ob über die Altmark, Salzwedel, Baumkuchen oder Arendsee, gerade Touristen greifen gern zu. Der Renner bei den Salzwedelern war aber auch bei ihm ein Krimi, „Die Suche“ von Charlotte Link. „Die bessere Hälfte“ von Dr. Eckhard von Hirschhausen war 2018 ebenso gefragt wie „Mein Baumhoroskop: Die Weisheit des keltischen Baumkreises“. Bei den Kindern hat Rainer Neitzel festgestellt, dass die Bände von „Gregs Tagebuch“ gern gelesen werden. Bei Wenke Wirth hingegen greifen die Kinder häufig zu Fantasy-Bücher. „Sie tauchen gern in eine andere Welt ab“, weiß sie.
Eine andere Situation ist bei Deutschlands ältester Buchhändlerin in der Altperverstraße, Helga Weyhe, der Fall. Dass sie von „Allerwelts-Krimis“ nicht viel hält, hatte sie bereits vor längerer Zeit erklärt. Auch sonst ist ihr rustikal-charmanter Buchladen weniger für Massenware bekannt. Einer ihrer Bestseller und Lieblingsbücher ist und bleibt das bereits 1932 erstmals erschiene Buch „Stoffel fliegt über das Meer“. „Das ist ein sehr gutes Jugendbuch, das nach Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki auch für Erwachsene gut lesbar ist“, sagt Helga Weyhe. Dass das Buch in ihrem Geschäft oft über den alten Tresen geht, macht die 96-Jährige auch daran fest, dass sie es selbst toll findet und daher auch den Kunden empfiehlt.
Die Werke von Alice Berend sind ebenfalls bei Helga Weyhe gefragt. Dass die Literatur der Schriftstellerin, die 1875 in Berlin geboren und 1938 in Florenz gestorben ist, vor den besagten „Allerweltskrimis“ gefragt sind, spricht viel über die alte Buchhandlung. Denn gestapelte Bestseller sucht man bei Deutschlands älteste Buchhändlerin in den Regalen vergebens. Ebenso speziell sind daher auch ihre Kunden, die aus den USA oder anderen Teilen der Erde bei der 96-Jährigen ihre Bücher ordern.
Ein weiteres Buch, das in der Altperverstraße über den Tresen geht, ist „Der geheime Garten“. Ein Jugendroman, der 1911 erstmals veröffentlicht wurde. Im Großen und Ganzen sind es eher historische Romane und Sachbücher, die bei Helge Weyhe gefragt sind. „Meine Kunden haben ihre Ansprüche“, weiß die 96-Jährige. Sie glaubt auch, dass die Menschen wieder mehr lesen. „Sie haben das Fernsehprogramm zum Teil satt.“ Außerdem, so Helga Weyhe, ist es doch schöner, wenn man ein Buch vorher in den Händen hält und reinlesen kann. Sie meint, dass eine gute Beratung für den Kauf auch wichtig sei.
Da geht Rainer Neitzel mit. Um Amazon und anderen großen Internet-Verkaufsplattformen etwas entgegenzusetzen, bietet er die Bestellung auch online an. „So kommen die jungen Menschen ans Buch“, sagt er. Das bestätigt wiederum auch Wenke Wirth. Sie tut es Neitzel gleich und bekommt dadurch manch jungen Leser in ihren Buchhandel. Alles in allem sind sich die Buchhändler einig, dass von einer Leseverdrossenheit in Salzwedel nicht gesprochen werden kann. Vielmehr haben alle ihre Strategien, dem entgegenzuwirken – jeder für sich.
Von einer Leseverdrossenheit ist auch in der Stadt- und Kreisbibliothek nichts zu spüren, ganz im Gegenteil. „Das Lesevergnügen der Nutzer ist ungebrochen. Auch die Vielfalt der Medien wird gut angenommen. Im Bereich der digitalen Angebote lässt sich ein stetiger Zuwachs an Nutzern verzeichnen“, erklärt Bibliothekschefin Bianca Hochstein. Sie stellt gar eine positive Entwicklung in der Aufenthaltsqualität in der Bibliothek fest. „Viele Nutzer verweilen länger in den Räumen der Bibliothek und nutzen die immer zahlreicher werdenden Sitz- und Lesemöglichkeiten“, sagt sie.
Auch bei ihr gibt es Bücher mit hoher Nachfrage. Die Top drei 2018 bilden „Die Nightingale Schwestern“-Reihe von Donna Douglas, „Leere Herzen“ von Julia Zeh und von Tess Gerritsen das Werk „Blutzeuge“. Bei den jüngeren Lesern stehen „Plötzlich Banshee“ von Nina McKay und von Mona Kasten das Buch „Save me“ in der Gunst ganz oben. Aber: „Bücher, die zahlenmäßig gut ausgeliehen waren, müssen nicht unbedingt die Bücher sein, die auch den meisten Zuspruch bei den Kunden hatten“, stellt Bianca Hochstein fest.
Sie weiß, wovon sie redet. Denn in ihrem Bibliotheksbestand befinden sich fast 60?000 Medien. Ob Kinderbücher, Sachbücher, Romane und Krimis oder Zeitschriften und Hörbücher, der Fundus ist riesig und bietet allerhand. Das schätzen auch die Nutzer, denn 3674 haben im vergangenen Jahr die Leihmöglichkeiten in Anspruch genommen. Insgesamt wurden 140 913 Einheiten des Bestandes ausgeliehen.