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So kocht die Altmark Mann aus Diesdorf serviert butterzarten Lammbraten

Werner Henkensiefken aus Diesdorf kocht leidenschaftlich gern. Lammbraten mit Kartoffelgratin und Bohnen im Speckmantel gehört zu seinen Leibgerichten.

13.07.2023, 10:30
Erst wird das Röstgemüse angeschmort, dann der Lammbraten. Nach dem Ablöschen mit Lammfond und Rotwein wandert er samt Bräter in die Backröhre.
Erst wird das Röstgemüse angeschmort, dann der Lammbraten. Nach dem Ablöschen mit Lammfond und Rotwein wandert er samt Bräter in die Backröhre. Foto: Anke Pelczarski

Diesdorf - Eine Tischdecke aus Bauernleinen liegt auf dem Esstisch. Schlicht in Weiß. Aber sie vermittelt das Gefühl, dass der Gast sehr willkommen ist. Tassen stehen bereit. Für den Tee, um die Wartezeit zu verkürzen. „Ich koche ihn immer aus losen Blättern. Das schmeckt viel besser“, erzählt Werner Henkensiefken. Er holt die Kanne aus der Küche und schenkt das erste Mal ein. Ostfriesischer Tee mit Kluntjes und Sahne „für die Wolke“, wie der 68-Jährige erklärt. „Ich mache immer Butter an die Tülle der Kanne, da läuft nichts runter“, sagt er und rät: „Bitte nicht umrühren, sondern langsam trinken.“ Genuss pur.

Da lässt es sich gleich besser plaudern. Werner Henkensiefken möchte einen Lammbraten zubereiten. „Schmeckt am besten mit viel Geduld“, sagt der Mann, der aus dem Norden kommt. Genauer aus dem Ortsteil Neuengland der Gemeinde Westerstede. Kein Wunder, dass er auf ostfriesischen Tee schwört.

In der Küche bereitet er die Lammkeule, die aus der Region stammt, vor. Erst muss der Knochen raus. „Mit dem Messer langsam daran entlang. Vorher mit dem Finger etwas vorfühlen, wo dieser ist“, sagt Werner Henkensiefken. Als diese Arbeit erledigt ist, bestreicht er das Fleisch mit Senf. „Zum einen ist das ein guter Geschmacksträger, zum anderen haften die Gewürze besser“, erklärt der Diesdorfer. Nun würzt er mit Rosmarin, Salz, Pfeffer und Thymian. „Wer es einfacher haben möchte: Es gibt auch fertiges Lammgewürz.“

Den Bräter ohne Deckel in die Röhre

Jetzt Zwiebeln, Möhren und Sellerie klein schneiden – für das Röstgemüse, was zuerst in den Bräter kommt. Wenn dieses in einem Schuss Öl leicht gebräunt ist, folgt das Fleisch. „Scharf anbraten und dabei wenden“, rät Werner Henkensiefken. Abgelöscht werde mit Lammfond und einem guten Schuss Rotwein. Der Alkohol verfliege, der Geschmack bleibe. Der Bräter wandert in die Backröhre, ohne Deckel, damit das Fleisch dünsten könne.

Werner Henkensiefken gießt die Soße über den geschnittenen Lammbraten.
Werner Henkensiefken gießt die Soße über den geschnittenen Lammbraten.
Foto: Anke Pelczarski

„Es gibt zwei Arten der Zubereitung: richtig gar, wie es viele Altmärker mögen. Das dauert zwei bis zweieinhalb Stunden bei etwa 185 Grad. Oder das Fleisch soll rosa gebraten sein. Das geht aber nur bei niedrigen Temperaturen so um die 80 Grad. Dann dauert es vier bis fünf Stunden“, beschreibt der 68-Jährige den Unterschied.

Heute soll das Fleisch durch sein. Bei Werner Henkensiefken weckt das Erinnerungen. 2010 sei er mit seinem Mann nach Diesdorf gekommen. Ein Jahr später hätten die beiden die Nachbarn zum Essen eingeladen. Der Schweinebraten war im Ofen. Allerdings verpassten die Gastgeber durchs Erzählen den richtigen Zeitpunkt, das Fleisch herauszuholen. „Die Nachbarn waren zufrieden, weil es gar war. Wir haben uns etwas geschämt, weil der Braten zu lange in der Röhre war“, sagt der Gastgeber zu den unterschiedlichen Geschmäckern.

Dann schenkt er die nächste Tasse Tee ein. Und erzählt, dass er schon ganz früh zum Kochen gekommen sei. „In der fünften Klasse gab es für Mädchen einen Koch- und für Jungs einen Handwerkerkurs. Ich wollte aber kochen, war der erste Junge, der mit den Mädchen am Herd gestanden hat“, erinnert sich der Diesdorfer zurück. Mit dem weißen Hemd und dem Kopftuch habe er sicher komisch ausgesehen. Das sei von Klassenkameraden belächelt worden. Doch ein Jahr später hätten schon sieben Jungs beim Kochkurs mitgemacht. „Ich war Vorreiter“, sagt Werner Henkensiefken stolz. Seine Oma und seine Mutter hätten sehr gut gekocht. Da habe er sich viel abgeguckt. Weil sie auf dem großen Familien-Bauernhof, auf dem es auch Kühe, Schweine und Rinder gab, mit anpackten, habe er schon als Schüler für die Familie gekocht: Blumenkohlsuppe, Senfeier, Frikadellen, Spiegelei, das seien die ersten Gerichte gewesen, erinnert er sich.

Eigentlich wollte Werner Henkensiefken immer Koch werden. „Ein Schlachtermeister hat zu mir gesagt, wenn du kochen willst, musst du erst Fleischer werden“, erinnert er sich. Die Ausbildung habe er absolviert. Anschließend wollte er raus aus Deutschland. Das war 1975, als irgendwie Aufbruchstimmung herrschte. Angeheuert habe er auf einem Frachter und sei in der Kombüse gelandet. Sozusagen als Quereinsteiger. In den vier Jahren habe er eine Prüfung als Koch gemacht. Richtig gelernt habe er das Handwerk später im Jagdhaus Eigen in Bad Zwischenahn. Anschließend ging es erneut aufs Meer. Auf dem Motorschiff MS Europa habe er mit anderen für 700 Passagiere die Mahlzeiten zubereitet. „Da musste alles noch per Hand geschnippelt werden. Es gab nicht so viel technische Hilfsmittel wie heutzutage“, blickt er zurück.

Der Diesdorfer geht in die Küche, schaut durch die Scheibe in den Backofen. Der Lammbraten köchelt vor sich hin. Etwas Fond über das Fleisch gießen, damit dieses schön zart wird. Nach seiner Rückkehr wird die nächste Tasse Tee eingeschenkt. Der Gastgeber erzählt weiter: Zurück auf dem Festland, habe er sieben Jahre in Westberlin im Hotel Schweizer Hof gearbeitet. „Auch mit Johann Lafer. Aber der ist ein Spinner vor dem Herrn“, meint Werner Henkensiefken. Dieser habe häufig das Personal ausgenutzt. „Deshalb leidet die Gastronomie auch heute noch unter Personalmangel. Man muss den Mitarbeitern gutes Geld geben“, so sein Standpunkt dazu.

Dann habe er seinen Traumjob gefunden: als Privatkoch für den amerikanischen Botschafter in dessen Privatresidenz. „Da habe ich oft auf Zuruf für 200 bis 300 Leute Canapés vorbereitet“, nennt er eine seiner Aufgaben. Mit der Wende war der Diesdorfer seinen Job los. „Amerika wollte für üppiges Personal nicht mehr zahlen“, beschreibt er.

Doch als gut ausgebildeter Koch habe er rasch wieder Arbeit gefunden, sagt er und gießt zum vierten Mal Tee ein. „Beim Teetrinken muss man den nicht benutzten Löffel in die leere Tasse stellen, sonst wird gnadenlos nachgeschenkt“, gibt er einen Tipp. So gut, wie das Getränk auch schmeckt. Mehr muss es an diesem Tag nicht sein. Also rasch zum Löffelsignal greifen. Der Gastgeber quittiert es mit einem Lächeln.

Lammbraten mit Kartoffelgratin und Bohnen im Speckmantel: Das Festmahl ist angerichtet.
Lammbraten mit Kartoffelgratin und Bohnen im Speckmantel: Das Festmahl ist angerichtet.
Foto: Anke Pelczarski

Kartoffelgratin passt gut zum Braten, der in der Röhre gart. „Das lässt sich einen Tag vorher vorbereiten und dann in der Mikrowelle aufwärmen“, schildert der Diesdorfer. Die Kartoffeln mit einer Reibe in dünne Scheiben schneiden, die übrigen Zutaten verrühren und unter die Kartoffeln mengen. Die Masse in eine mit Backpapier ausgelegte Auflaufform füllen und bei 150 Grad Celsius im Backofen etwa 20 bis 30 Minuten backen, beschreibt er.

Auch die Bohnen im Speckmantel müssen nicht in letzter Minute gemacht werden, sagt der 68-Jährige und erklärt: Die Prinzessbohnen in Salzwasser kurz blanchieren, dann in kaltem Wasser abschrecken, damit sie die grüne Farbe behalten. Ein Bündel aus etwa zehn Stück mit einer Scheibe Bacon umwickeln, salzen und pfeffern. Vorm Servieren kurz in einer Pfanne mit Butter von allen Seiten erwärmen. Das habe noch etwas Zeit.

In der Altmark habe er Parallelen zu seiner Heimat entdeckt, erzählt Werner Henkensiefken weiter. Zum Beispiel den Grünkohl, den gab es auch in Neuengland. „Ich kann nicht für zwei Personen kochen, nur für 10 bis 20.“ Der übrige Grünkohl werde eingefrostet. Das sei sowieso besser für das Gemüse. Erst durchs Frieren würden sich die Bitter- in Zuckerstoffe umwandeln.

Die Altmärkische Hochzeitssuppe habe er ähnlich zu Hause gekocht, mit Nudeln als Einlage. Zungenragout könne er mittlerweile besser zubereiten als manch Einheimischer, ist der Diesdorfer überzeugt. Denn er liebe Rinderzunge. Auch das Plattdeutsche erinnere ihn an den Norden.

Regionales ist dem 68-Jährigen wichtig. Deshalb baut er selbst Kartoffeln, Bohnen und Kräuter in seinem Garten an. Im Diesdorfer Klostergarten kümmert er sich ehrenamtlich mit darum, dass die Besucher mehr über die Pflanzen erfahren und diese ordentlich präsentiert werden.

Röstgemüse als Soßenbinder

Endspurt in der Küche. Das Kartoffelgratin wandert in die Mikrowelle, die Bohnen im Speckmantel in die Pfanne. Der Lammbraten ist gar. Während das Fleisch vorm Schneiden kurz abkühlen darf, püriert Werner Henkensiefken das Röstgemüse in der Soße. „Das gibt Geschmack und eine gute Bindung.“

Ihm ist anzumerken, dass ihm das Kochen viel Spaß macht. „Ich bin immer gut gelaunt zur Arbeit gegangen. Für mich war und ist das Vergnügen“, beschreibt er.

Der Diesdorfer richtet das Festmahl auf den Tellern an. Da darf frische gehackte Petersilie auf den Kartoffeln nicht fehlen, der zweiten Beilage neben dem Gratin. Schließlich isst das Auge mit. Wohl bekomm's.