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Medizin Nur noch ein Augenarzt in Salzwedel

Wer in Salzwedel auf die Hilfe eines Augenarztes angewiesen ist, braucht Geduld oder Geld.

Von Antje Mewes 06.09.2020, 01:01

Salzwedel l Bis vor kurzem stand Augenarzt Dr. Bernd Große noch in den Behandlungsräumen seiner ehemaligen Praxis „An der Mönchskirche“ in Salzwedel. Eigentlich hatte der heute 79-Jährige seine Praxis schon vor zwölf Jahren an eine Berliner Augenklinik verkauft. Dass der betagte Mediziner den neuen Eigentümer trotzdem tatkräftig weiter unterstützte, hatte zwei Gründe. Wer Mediziner aus Leidenschaft sei, könne den Arztkittel nicht einfach so „an den Nagel hängen,“ , sagt Claudia Münn, Referentin der Geschäftsleitung. Darüber hinaus sorge der Ärzte-Notstand in der Region dafür, dass buchstäblich jede Hand gebraucht werde, die hilft, Medizin zu den Menschen zu bringen.

Eine Aufgabe von Claudia Münn ist, die verschiedenen Niederlassungen der Berliner Klinik mit qualifiziertem Personal zu versorgen. „Sie bekommen für Salzwedel niemanden“, gibt Münn zu Protokoll. Selbst in den attraktiven Großstädten der Republik sei es beinahe unmöglich, qualifizierte Mediziner zu finden.

Münn bezeichnet es als absoluten Glücksfall, für die Salzwedeler Niederlassung eine Ärztin aus der Region gefunden zu haben, ein weiterer Mediziner reise wöchentlich aus Berlin an, um die Versorgung sicherzustellen und auch Dr. Große habe noch immer nach Kräften geholfen.

Bis Ende Juni hatten Kassenpatienten in Salzwedel die Wahl zwischen der Augenklinik und der Praxis von Dr. Christine Pirschel. Die aber hatte am 30. Juni ihre Kassenzulassung zurückgegeben, bestätigt Ehemann Dr. Dirk Pirschel auf Nachfrage. Für weitere Auskünfte stand der Mediziner nicht zur Verfügung, sagte aber, dass die nun entstandene Situation „politisch gewollt“ sei.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat, um die Situation in Salzwedel zu entschärfen, eine sogenannte Sicherstellungspraxis für Augenheilkunde mit der Möglichkeit der Gewährung einer Mindestumsatzgarantie ausgeschrieben, erklärt Pressesprecherin Heike Liensdorf. Die Ausschreibung sei inzwischen zweimal im bundesweit erscheinenden Deutschen Ärzteblatt ver- öffentlicht worden. „Leider sind dazu bislang keine Bewerbungen eingegangen“, bedauert Liensdorf.

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigten, dass eine Nachbesetzung von Praxen in nicht-großstädtischen Regionen immer schwieriger wird. Liensdorf: „Um einen geeigneten Nachfolger zu finden, braucht es mittlerweile eine lange Vorlaufzeit“.

Ärzten, die ihre Praxis abgeben möchten, empfehle die KV eine frühzeitige Eintragung in eine Praxisbörse, um die Chancen auf eine Nachfolge voll zu nutzen. „Wir gehen dabei von etwa drei bis fünf Jahren Vorlauf vor dem gewünschten Austrittsjahr aus“, beschreibt Liensdorf. Bei sehr kurzfristigen Praxisschließungen sei die Chance, einen Nachfolger zu finden, äußerst gering.

Aber wie sollen Patienten jetzt an einen Augenarzttermin kommen? Eine Möglichkeit der Unterstützung sei die Terminservicestelle der KV unter der bundesweiten Telefonnummer 116117. Bei bestimmten Krankheitsbildern - wie akuten plötzlichen Sehverschlechterungen, das Sehen von Blitzen oder Verletzungen durch einen Fremdkörper im Auge müsse eine unverzügliche Behandlung erfolgen. Dann werde innerhalb einer Woche ein Termin bis maximal vier Wochen vermittelt. Allerdings nicht zu einem bestimmten Augenarzt oder einem gewünschten Zeitpunkt. „Handelt es sich um Vorsorge und Kontrolluntersuchungen, ist auch eine längere Wartefrist zumutbar“, sagt die Pressesprecherin.

In der Salzwedeler Augenklinik seien Wartezeiten bis zu acht Wochen an der Tagesordnung. Neue Patienten nehme die Niederlassung nur in Ausnahmefällen an, erklärt Claudia Münn. Ein Fakt, der schon mal zu Unmut bei den Abgewiesenen führt und sich in Beschimpfungen des Personals geäußert hat. Der Ärger sei verständlich, die Mitarbeiter der Klinik könnten aber auch nichts dafür.

Sie könne die Entscheidung von Christine Pirschel verstehen, sagt Münn. Die Auflagen und Dokumentationspflichten, die für Arztpraxen mit der Behandlung von Kassenpatienten verbunden sind, hätten sich in den vergangenen drei Jahren dramatisch verschärft.

Notfall-Patienten würden selbstverständlich behandelt, bestätigt Münn. Dabei aber liege die Entscheidung darüber, welche Situation zu einem Notfall gerechnet werde, bei den Mitarbeitern der Praxis. „Der dringende Wunsch nach einer neuen Brille gehört in jedem Fall nicht dazu“, sagt Münn. Darüber hinaus sei es eine gute Idee, einmal in der Woche nachzufragen, ob sich neue Termine ergeben haben. Patienten, die über die Internetseiten der Klinik anfragen würden in jedem Fall kurzfristig Termine in den Niederlassungen Stendal und Wittenberge angeboten.

Im Altmarkkreis befinden sich weitere in Klötze und Gardelegen. Derzeit könnten in der Westaltmark Augenärzte im Umfang von 1,5 Versorgungsaufträgen – das entspricht anderthalb Vollzeitstellen – neu zugelassen werden, erklärt die Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Augenarztpraxis von Dr. Pirschel ist sei dabei noch nicht berücksichtigt und würde die Anzahl der Neuzulassungsmöglichkeiten bei der nächsten Ausschreibung entsprechend auf 2,5 erhöhen, sagt Heike Liensdorf.