Erneuerbare Energien Stehen bald überall Ruinen von Biogasanlagen in der Altmark? Deshalb droht die Stilllegung
Höhere Auflagen bei stark abgeschmolzenen Einspeisevergütungen lassen viele Biogasanlagen im Altmarkkreis unrentabel werden – es droht die Stilllegung.

Altmarkkreis - „Viele der bestehenden Biogasanlagen wird es in fünf bis sechs Jahren nicht mehr geben“, sagt Christian Raapke vom Bioenergiedorf Tangeln im Altmarkkreis voraus. Das, was damit erlöst werden könne, reiche zum Weiterbetrieb in vielen Fällen nicht aus.
Zu niedrige Einspeisevergütung widersinnig
„Das ist widersinnig, weil wir eigentlich mehr erneuerbare Energien brauchen“, schüttelt Raapke den Kopf. „Aber der fromme Wunsch allein reicht nicht. Die EEG-Vergütung ist für viele Anlagen wegen der gestiegenen Kosten zu gering“, bringt der studierte Bachelorlandwirt und Chef der Landwirtschaftlichen Unternehmen Tangeln eG das Problem auf den Punkt. Die Genossenschaft erzeugt mit ihrer Biogasanlage jährlich 9,2 Millionen Kilowattstunden Strom. „Das deckt den Jahresbedarf von etwa 2685 Haushalten, vergleichbar einer Kleinstadt wie Klötze“, veranschaulicht Raapke. Die früher ungenutzte Abwärme wird seit 2008 durch die Genossenschaft Biowärmeversorgung Tangeln eG über ein fünf Kilometer langes Nahwärmenetz vermarktet. Sie versorgt 75 Haushalte mit umweltfreundlich erzeugter Wärme.
Verdoppelte Betriebskosten
Als Rohstoff nutzt die Biogasanlage Silage aus Mais und Getreide, Gülle aus der Milchviehhaltung und den Strohmist aus den Ställen des landwirtschaftlichen Betriebes. Tangeln ist von der Größe her zukunftsfähig aufgestellt. Trotz der immer weiter absinkenden Einspeisevergütung für Strom konnte die Genossenschaft den Standort um einen Gas- und einen Wärmespeicher erweitern sowie das Blockheizkraftwerk (BHKW) in der Dorfmitte vergrößern. Dennoch wird es auch für die Tangelner Biogaserzeuger wirtschaftlich angespannter. „Weil wir in der Landwirtschaft viel höhere Kosten haben, beispielsweise für Diesel und Dünger“, erklärt Raapke. „Die Betriebskosten haben sich verdoppelt, aber die Vergütung für den Strom nicht.“
Teure Auflage: Umwallung
Noch schwerwiegender ist für viele Betreiber kleinerer der 51 Biogasanlagen im Altmarkkreis aber eine gesetzliche Auflage: Ab 1. August dieses Jahres müssen Biogasanlagen „umwallt“ werden, wenn der Stickstoff daraus in Gewässer gelangen könnte, erläutert Thorsten Breitschuh, Agrarwissenschaftler und Berater beim Landesbauernverband Sachsen-Anhalt. Im Schnitt würde solch eine Umwallung rund 100 000 Euro kosten. „Da werden Anlagen teils schon vor August schließen“, sagt Breitschuh voraus.
Ohne Rückbauverpflichtung bleibt nach Stillegung Ruine
Eine solche kleinere Biogasanlage steht beispielsweise in Büste, einem Ortsteil von Bismark. Geschäftsführer Klaus Sommer sagt, die Anlage laufe wirtschaftlich gut genug, um die Investition in die Umwallung zu tätigen. Rindergülle und Futterreste der Agrargenossenschaft Büste wandelt sie zu Strom. 2004 ist sie ans Netz gegangen, zu den damals noch sehr hohen Einspeisesätzen. 2024 wird diese Subvention für Sommers Biogasanlage jedoch enden. „Wo es dann hingeht, weiß ich noch nicht. Die Bundesregierung muss uns Wege aufmachen“, meint Sommer. Zu einem Rückbau der Biogasanlage im Falle einer Stilllegung sei er nicht verpflichtet, so der Unternehmer. Wenn es schlecht läuft, könnte dort in ein paar Jahren also eine Ruine in der Landschaft stehen.
Biomethan das neue Gold
An einer Art Goldader sitzen hingegen Betreiber von Biogasanlagen, die an das öffentliche Gasnetz angeschlossen sind. So wie die Anlage von Envitec in Köckte. Dort wird aus Gülle und Mist Biomethan erzeugt, eingespeist und an anderen Standorten der Firma zu CO2-neutralem Kraftstoff für Lkw verarbeitet. Das eingesparte CO2 kann sich Envitec für aktuell 400 Euro pro Tonne über CO2-Zertifikate vergüten lassen. „Bezahlen tun das die Mineralölkonzerne, um ihren fossilen Kraftstoff verkaufen zu dürfen“, freut sich Envitec Vertriebler Jan Meistermann.