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Straßenbau Naturschutz contra B190n im Altmarkkreis

Unwirtschaftlich und unökologisch, so stuft der BUND die B190n ein. Kommunalpolitik und Wirtschaft im Altmarkkreis sehen das anders.

Von Alexander Rekow 16.02.2021, 00:01

Salzwedel/Arendsee l In einer Broschüre unter dem Titel „Desaster im Dutzend“ taucht die B 190n als eines von zwölf Fernstraßenprojekten auf, die der BUND als negativ für eine Verkehrswende ablehnt. Mit der autobahnähnlichen Verbindung zwischen der noch zu bauenden A39 im Westen und der im Bau befindlichen A 14 im Osten werde weiter ausschließlich Politik für das Auto gemacht.

Für die „Querspange“ würden wertvolle Naturschutzgebiete, wie Teile des Grünen Bandes, zubetoniert und bisher unzerschnittene Räume großräumig durchtrennt, schätzt Sachsen-Anhalts BUND-Vorsitzender Ralf Meyer ein.

Statt dafür Steuergeld auszugeben, sollte die Politik auf zukunftsfähige Alternativen, wie mehr Güterverkehr auf der Schiene und einen attraktiveren öffentlichen Nahverkehr setzen.

Das sieht auch Dieter Leupold, Projektleiter für das Grüne Band im Altmarkkreis, so. „Wir haben andere Straßenbauprojekte, die wir lösen müssen“, erklärt er. So warteten die Menschen in den Dörfern an der B 71 schon lange auf Ortsumfahrungen.

Auch wenn die B 190n im Bundesverkehrswegeplan zeitlich nach 2030 geschoben wurde, würden die Planungen auf den Weg gebracht. „Wir sehen die Gefahr, dass die Realisierung wieder auf die Bühne gehoben wird“, sagt er im Gespräch mit der Volksstimme. Der Bau stehe den Klimazielen mit weniger überregionalen Transporten entgegen. Die Straße würde mehr Abgase und Zerschneidungen von Lebensräumen mit sich bringen. „Wenn es um die Verkehrswende geht, müssen wir auch über dieses Projekt reden“, betont er. Es sei einfach nicht mehr zeitgemäß.

Das sieht Adolf Fehse, Vize-Präsident der Industrie- und Handelskammer Magdeburg, ganz anders. Er kämpft mit weiteren Mitstreitern schon seit vielen Jahren für den Bau der Querspange. Sie sei insbesondere für die Anbindung der Räume Salzwedel und Arendsee mit den dort ansässigen Firmen immens wichtig. Den Unternehmern sei suggeriert worden, dass sich die Infrastruktur in absehbarer Zeit verbessere. Deshalb sei er sehr enttäuscht über das Bundesverkehrsministerium, das die Menschen in der Region hinhalte. Er werde sich weiter dafür einsetzen, dass die Hosenträger-Variante umgesetzt wird – aus seiner Sicht 20 Jahre zu spät.

Die Haltung des BUND könne er nicht nachvollziehen. Denn gute Straßen trügen dazu bei, das Leben auf dem Lande lebenswert zu machen. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen zwischen Stadt und Land könne keine Rede mehr sein. Von der weiteren Digitalisierung und Möglichkeiten zum Homeoffice erhoffe er sich, dass wieder mehr jungen Menschen in der Altmark ihren Lebensmittelpunkt finden. Dazu gehöre, dass sie zügig zu ihren Jobs in die Ballungszentren pendeln können, schätzt er ein.

„Jetzt eine Debatte über den Sinn der B190n zu beginnen, erscheint mir überflüssig und für die weitere Entwicklung der Region Salzwedel schädlich“, sagt Salzwedels Bürgermeisterin Sabine Blümel.

Die bestehende Bundesstraße 190 sei für jeden, der diese Strecke täglich beispielsweise für den Arbeitsweg benutzt, eine Herausforderung. Durch den starken Lkw-Verkehr sowie die zahlreichen Autos sei die Straße an vielen Stellen ausgelastet. „Wenn nun in einer Broschüre des Bundes für Umwelt und Naturschutz davon gesprochen wird, dass ,die Verkehrsbelastung in dieser Region in keinem dieser Vorhaben eine Neubauplanung‘ rechtfertigen würde, dann muss ich widersprechen“, so Salzwedels Stadtoberhaupt: „Die geplante B 190n ist für die westliche Altmark wichtig.“

Das Projekt sei in einem offenen Entscheidungsprozess geplant, die Bedeutung durch verschiedene Fachleute und Prüfungen bekräftigt worden. „Punktuelle Optimierungsmaßnahmen, wie vom BUND angeregt, reichen als Alternative nicht aus“, ist Blümel überzeugt.

Zudem hätten die Altmärker in verschiedenen Petitionen, Demonstrationen und Eingaben deutlich gemacht, dass sie den Ausbau der Verkehrsverbindungen, sei es die Autobahnanbindung oder die B 190n, befürworten. „Es darf gerne um die Sache gestritten werden, doch wenn dann in einem demokratischen Prozess eine Entscheidung gefällt wurde, muss sie umgesetzt werden“, fordert Salzwedels Bürgermeisterin.

Ähnlich blickt man auch aus dem Arendseer Rathaus auf die Thematik. Der BUND schaue dahingehend in erster Linie auf den Umweltschutz, „wir haben dazu aber eine andere Einstellung“, sagt Michael Niederhausen, stellvertretender Bürgermeister im Luftkurort. Es gebe einen kommunalpolitischen Beschluss, dass die B190n für Arendsee wichtig sei. „Die Stadt ist dafür“, bekräftigt Niederhausen, „es ist eine wichtige Ost-West-Verbindung.“

Unterm Strich erhofft man sich in der Seestadt eine bessere Anbindung, gerade mit Blick auf den für Arendsee wichtigen Wirtschaftszweig Tourismus. Obendrein würden die Umfahrungen eine Entlastung für die Ortschaften bedeuten.

Der Altmarkkreis gelte nach mehreren Studien „als ländlich geprägter Raum in der dauerhaften Strukturkrise“, erklärt Landrat Michael Ziche. Er zähle zudem zu den Landkreisen in Deutschland „mit sehr stark unterdurchschnittlichen Lebensverhältnissen“.

Fachexpertisen hätten die fehlende Infrastruktur als Grund für die mangelnde wirtschaftliche Entwicklung ausgemacht. Deshalb sei die B 190n eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte des Landes und für die Entwicklung der westlichen Altmark von höchster Bedeutung. Zusammen mit der A 14 und der A 39 werde sie die Region an ein leistungsfähiges, überregionales Autobahnnetz anbinden und den Zugang zu den wirtschaftlichen Ballungsräumen und Märkten entscheidend verbessern. Nur so könnten derzeitige Wettbewerbsnachteile der Region ausgeglichen werden, so Ziche.