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Tierschutz Kommt die „Gassi-Pflicht“?

Die von Ministerin Julia Klöckner (CDU) geplante Verordnung wird von Tierschützern und dem Altmarkkreis Salzwedel skeptisch betrachtet.

Von Alexander Rekow 03.10.2020, 01:01

Salzwedel l Der 4. Oktober ist Welttierschutztag. Dann machen Tierschutzverbände auf der ganzen Welt wieder auf die Rechte der Tiere aufmerksam. Die Situation von Hunden will die Bundeslandwirtschaftsministerin mit einer neuen Verordnung verbessern. Unter anderem soll den Tieren zweimal täglich für insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf im Freien außerhalb eines Zwingers gewährt werden. Zudem sollen private und proffessionelle Züchter sich mindestens vier Stunden pro Tag mit den Welpen ihrer Hündinnen beschäftigen, um sie ausreichend zu sozialisieren.

„Gut gedacht ist nicht gleich gut gemacht“, meinen Tierschützer aus der Region. Jana Kersten vom Allgemeinen Tierhilfsdienst in Ahlum findet die Initiative der Ministerin vom Prinzip her „sehr sehr gut.“ Glaubt aber nicht, dass sie kontrollierbar ist. Zwingerhaltung an sich findet sie „grenzwertig“. In manchen Tierheimen lasse sie sich aber nicht vermeiden. In Ahlum haben die Hunde Zimmer und große Ausläufe, in denen sie während ihrer Zeit im Tierheim leben. Zudem gibt es täglich Gassirunden.

In Hundezuchten wird aus ihrer Sicht zu wenig kontrolliert. Es gebe immer noch zu viele „Vermehrer“, die Hunde als Ware sehen und ihren Bedürfnissen nicht oder zu wenig nachkommen. „Züchter und Züchter sind nicht gleich“, weiß sie. Ein veranwortungsvoller Hundehalter kümmere sich um seine Tiere, verschaffe ihnen dem Alter und der Rasse entsprechend körperliche und geistige Auslastung. Wie viel jeder Hund davon brauche, sei schwer zu definieren und individuell. „Jeder, der sich ein Tier ins Haus holt, muss sich vorher überlegen, ob er das leisten kann“, sagt sie. Es gebe immer Leute, die dahingehend gleichgültig sind, aber ob sie mit einer Verordnung umerzogen werden können, daran hat sie ihre Zweifel.

Das geht auch Jürgen Kampe vom Hundesportverein Salzwedel so. Er und seine Mitstreiter versuchen, Angebote zu unterbreiten, damit Menschen Spaß an Spiel und Sport mit ihren Vierbeinern finden. Dabei hat er als Trainer im Agility-Sport schon oft die unterschiedlichen Charaktere der Tiere festgestellt. Das eine sei ist eine Sportskanone, ein anderes lasse es eher ruhiger angehen. Das könne nicht verallgemeinert werden. Eine bestimmte Zeit vorzuschreiben, in denen Hunde Auslauf haben sollen, bringe aus seiner Sicht nicht viel. Zudem sei es schwer, das Einhalten der Verordnung zu überprüfen.

Auch Nancy Schulz, Vorsitzende des Tierschutzvereins Pfotenhilfe blickt mit gemischten Gefühlen auf die mögliche Verordnung. Dass Hunde ihr Leben nicht an einer Kette verbringen sollen, begrüßt sie. Anders sei es aber beim Zwinger. „Wenn der Zwinger eine entsprechende Größe hat und Herrchen täglich mit dem Hund Rad fährt oder ihn auf dem Grundstück laufen lässt, sprich nichts dagegen.“ Hauptsache, das Tier habe auch ausreichend Kontakt zur Familie.

Manches Herrchen beschäftige sich fünf Stunden täglich mit einem Zwingerhund und andere keine zwei Stunden mit einem Wohnungshund. Es komme eben auf den Einzelfall an. Und dass sich die Besitzer um die Welpen kümmern sollen, ist für Nancy Schulz selbstredend: „Die sind wie kleine Kinder und brauchen daher Erziehung und Kontakt.“

Dass aber all dies in einer Verordnung geregelt werden soll, findet die Tierschützerin nicht gut. „Dann landen noch mehr Tiere in den Heimen.“ Auch wenn es begrüßenswert sei, dass man sich um das Wohl der Tiere Gedanken mache.

Differenziert blickt auch der Altmarkkreis auf mögliche Verordnung. „Eine generelle zweistündige Gassigehpflicht für Hunde wird für wenig sinnhaft erachtet, da die Bedürfnisse jedes Tieres individuell betrachtet werden müssen, insbesondere im Hinblick auf Alter, Rasse und Gesundheitszustand des Tieres“, sagt Kreissprecherin Birgit Eurich. Wo für manchen Vierbeiner zwei Stunden schon zu lang seien, seien andere nicht ausgelastet. Außerdem lasse sich die „Gassi-Pflicht“ sowie Beschäftigungszeiten mit Welpen kaum überprüfen.

Zwar werde der Kreis bei Beschwerden zu Halterbedingungen mit amtlichen Tierschutzkontrollen aktiv, doch routinemäßige Kontrollen sämtlicher Hundehalter seien weder zeitlich realisierbar noch sinnhaft. „Da Hundehalter nicht grundsätzlich im Kreis registriert sind, wären entsprechende Routinekontrollen allenfalls in enger Zusammenarbeit mit den Behörden der Kommunen und Städte möglich“, so Eurich.