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Umfrage Eine Frau muss kochen können

Vor 55 Jahren beschäftigte das neue Familiengesetz der DDR die Menschen. In der Volksstimme fand sich dazu eine Umfrage aus der Altmark.

Von Gesine Biermann 10.05.2020, 01:01

Altmark l Verabschiedet wurde es erst im Dezember 1965, im Mai war das neue Familiengesetz der DDR allerdings schon in aller Munde. Und auch die Volksstimme in Salzwedel berichtete unter der Überschrift „Verliebt-Verlobt-Verheiratet“ am Mittwoch, 12. Mai 1965, über eine Umfrage unter jungen Leuten in der Altmark, wie die das neu geplante Familiengesetz der DDR sahen.

Besonders spannend für die gerade volljährigen Berufsschüler war offenbar Paragraf 2 der neuen Gesetzgebung: „Die Gleichberechtigung von Mann und Frau bestimmt entscheidend den Charakter der Familie in der sozialistischen Gesellschaft. Sie verpflichtet die Ehegatten, ihre Beziehungen zueinander so zu gestalten, daß beide das Recht auf Entfaltung ihrer Fähigkeiten zum eigenen und gesellschaftlichen Nutzen voll wahrnehmen können. Sie erfordert zugleich, die Persönlichkeit des anderen zu respektieren und ihn bei der Entwicklung seiner Fähigkeiten zu unterstützen.“

Damit hatten die Frauen deutlich mehr gesetzlich garantierte Rechte. Eine aufregende Nachricht für die künftigen Familienväter und -mütter der 60-er Jahre. Insgesamt 63 junge Leute beteiligten sich denn auch ausführlich an der Umfrage, die die Volksstimme auswertete, hatten dazu allerdings nicht immer eine einheitliche Meinung: „Eine Frau muss gut kochen können“, schrieben damals zum Beispiel zehn Schüler. Immerhin acht junge Leute fanden, dass auch der Gatte im Haushalt mit zupacken müsste, wenn beide arbeiten – allerdings, so schränkten sechs von ihnen ein, nur, wenn es „nötig“ sei und dann „auch nur halbtags, damit der Haushalt nicht darunter leidet.“

Der 18-jährige Karl-Heinz G. wurde beim Thema berufstätige Ehefrauen sogar ganz konkret. Seine Meinung: „Zu einer glücklichen Ehe gehört eine Frau, die häuslich ist. Sie braucht nicht mitzuarbeiten. Es reicht, wenn der Mann nach Hause kommt und die Frau hat das Essen fertig, und man kann in einem wohnlichen Zimmer den Abend verbringen (...).“ Fünf junge Herren fanden es 1965 indes ganz in Ordnung, dass eine Frau arbeiten geht, „solange noch keine Kinder da sind.“ Zwei Teilnehmer betonten sogar: „Ohne Kinder keine glückliche Ehe“, darunter Heidrun Ü., die zudem schon klar vorausgeplant hatte, wann der Nachwuchs denn eintreffen dürfte: „Nach zweijähriger Ehe soll dann ein Kind kommen“, bezifferte sie. Allerdings sollte man erst heiraten, wenn etwas für den Hausstand angespart sei, „denn ohne Möbel und Wäsche kann man nichts anfangen.“

Nicht zu jung zu heiraten, fanden wiederum fünf Schüler in der Umfrage als erstrebenswert. Drei mahnten dringend an: „Junge Ehepaare dürfen nicht bei den Eltern wohnen!“ Ganz konkrete Ratschläge für die künftigen Ehefrauen zum Thema Emanzipation sandte damals auch Hannelore R. an die Zeitung: „Wenn der Mann zum Beispiel ein großer Fußballanhänger ist, darf sich die Frau in der Ehe nicht dagegenstellen, sondern sie muss auch mal mit dem Mann auf den Sportplatz gehen – wenn es ihr auch schwer fällt!“

Ihr offenbar ebenfalls sportbegeisterter Altersgenosse Manfred S. hatte vor 55 Jahren aber auch das Wohl der Damen im Blick: „Der Ehemann sollte nicht zu viel allein ausgehen (Kegeln, Skat)“, riet er im Sinne einer harmonischen Beziehung und plädierte deshalb für viel Freizeit zu zweit: „Das Ehepaar sollte mindestens jede Woche einmal ausgehen, sei es ins Kino, Theater, Tanz und dergleichen mehr. Außerdem sollte man jedes Jahr in Urlaub fahren, und zwar weit weg von zu Hause, nach Möglichkeit sogar ins Ausland!“

Ähnlich sah das auch sein Mitschüler Hermann S., der sich in seiner Zuschrift ebenfalls für die Gleichberechtigung ins Zeug legte: „Der Mann darf seine Frau in seiner Wohnung nicht als Untertan behandeln“, machte er klar, „die Frau darf nicht Mädchen für alles sein.“ Apropos: Das Thema Hausarbeit und wer dafür verantwortlich ist, beschäftigte die jungen Leute schon 1965: „Der Mann muss der Frau im Haushalt zur Hand gehen. Er soll für die Frau vom Hof oder aus dem Stall das Holz holen. Der Mann kann auch mit einkaufen, wenn die Frau mitarbeitet (...) Er soll auch der Frau bei der Reinigung der Wohnung helfen“, befand zum Beispiel Renate S., die auch zum Thema Finanzen schon als junge Frau eine klare Meinung hatte: „Die beiden Ehepartner sollten sich das Geld gemeinsam teilen“, war ihr wichtig.

Bei allem Wunsch nach Gleichberechtigung machte sich eine junge Dame aber offensichtlich auch ihre Gedanken über ein Zuviel an Emanzipation: „Ich würde es auch nicht wollen, dass ich immer bestimmen könnte und er nur ja dazu sagt“, betonte Heidemarie R., und: „Ein Mann soll kein Pantoffelheld sein!“ Sie warnte ihre Altersgenossen außerdem eindringlich vor einer Beeinflussung von außen: „Man muss sich schon vor der Ehe im Klaren sein, dass man sein eigenes Leben leben will und sollte sich vorher und schon gar nicht während der Ehe von Schwiegermüttern oder Müttern in seine Angelegenheiten reden lassen, denn so entsteht meiner Meinung nach viel Streit!“

Einen guten Rat für alle, die sich fest binden wollten, hatte in der Volksstimme vom 14. Mai Gerda H.: „Wichtig ist, dass man sich vor der Ehe nicht von seiner besten Seite zeigt“, fand sie, denn dann könnte der Partner möglicherweise enttäuscht sein, „wenn später im Alltag die anderen Seiten zum Vorschein kommen.“