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Strukturkritik Wunsch: Freifahrt zur Berufsschule

Um Jugendliche in der Altmark zu halten, müssen sie hier ausgebildet werden. Das ist nicht immer möglich.

Von Uta Elste 07.09.2017, 03:00

Salzwedel l „Der Altmarkkreis wird sich weiter in Themen einmischen, für die er möglicherweise nicht zuständig ist“, kündigte Landrat Michael Ziche am Mittwoch in seinem Grußwort zum 8. Berufsbildungsdialog des Bildungsverbundes Handwerk an. Die Teilnehmer wollten sich darüber informieren, wie über verschiedene Projekte Flüchtlinge auf dem hiesigen Arbeitsmarkt integriert werden können und wie auch in Klein- und Kleinstunternehmen Ausbildungsplätze geschaffen und mit passgenauen Bewerbern besetzt werden können.

Doch für Manfred Hippeli hatten die Ausbildungsinitiativen einen Haken in Gestalt des Berufsschulstandortes: „Wieso muss mein Azubi im zweiten und dritten Lehrjahr woanders hin“, kritisierte der Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Landkreis Stendal die Spezialisierung der Berufsschulen. In früheren Zeiten saßen angehende Bäcker, Fleischer und Köche in einer Klasse, erinnerte er an berufsübergreifenden Unterricht.

Wenn sie einem potenziellen Auszubildenden sage, dass die Berufsschule in Quedlinburg sei, sinke sofort die Attraktivität des Ausbildungsplatzes, ergänzte Sabine Riesner vom Salzwedeler Unternehmen profenster Weichsel GmbH.

Die angehenden Lackierer müssten für ihre Berufsschulausbildung sogar bis nach Halle fahren, fügte Adelbert Neuling, Vizepräsident der Handwerkskammer Magdeburg, hinzu. Der finanzielle Aufwand durch die Fahrkosten sei für die Jugendlichen oft nicht zu stemmen. Sylvia Lèonhardt von der Salzwedeler Groneschule konnte das bestätigen. „Wir haben das schon oft als Grund dafür gehört, dass die Lehre abgebrochen wird.“

Adelbert Neuling nutzte denn auch die Gelegenheit, an die Adresse der Landtagsabgeordneten Carsten Borchert (CDU) und Andreas Höppner (Die Linke) einen Wunsch zu richten: freie Fahrt für Azubis zum jeweiligen Berufsschulstandort. Doch Manfred Hippeli möchte den Berufsschulunterricht lieber vor Ort ermöglichen. „Die Schulen müssen in die Lage versetzt werden, dass die Auszubildenden hier bleiben“, forderte er. Denn die Anziehungskraft der Metropolen sei groß.

Landrat Michael Zicher erinnerte daran, dass in den vergangenen 20 Jahren jeder zweite Auszubildendende verloren gegangen sei. In den vergangenen Jahren habe man bereits versucht, das Problem des Berufsschulunterrichts an weit entfernten Standorten durch den sogenannten Nordverbund zu lösen - eine Kooperation der Berufsschulen des Altmarkkreises, des Bördekreises, des Jerichower Landes und des Landkreises Stendal. „Es ist nicht gelungen, jeder kämpft für sich allein“, resümierte Ziche das Scheitern der Zusammenarbeit. Auch die Genehmigung von Fachklassen sei nicht erfolgreich, jahrgangs- und berufsübergreifender Unterricht abgeschafft worden. „Wenn sich alle nicht einigen können, gewinnt Magdeburg“, wies Ziche auf die Folgen hin.

Der Landrat forderte daher – Stichwort Einmischung – eine Dezentralisierung der Landesfachklassen in den Berufsschulen. Handlungsbedarf sieht Michael Ziche indes nicht nur bei den Berufsschulen, sondern auch in den anderen Schulen. Es könne nicht sein, dass an den Förderschulen eineinhalb Jahre weder Chemie noch Physik unterrichtet werde, kritisierte er. Und wenn der Altmarkkreis Salzwedel dann Informationen begehre, werde gesagt, dass es keine Auskünfte an Dritte gebe. Wie gesagt: „Wir werden uns einmischen als Player vor Ort bei Missständen im Bildungsbereich“, betonte der Landrat.