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Farbgestatung Ruinenlücke "Caféecke" wird veredelt

Auf einer Hauswand entsteht in Barbys Innenstadt die "Caféecke" neu. Frank Liersch lässt sie als Monumentalbild entstehen.

Von Thomas Linßner 28.09.2017, 03:10

Barby l Im Frühjahr 2015 wurde eines jener Barbyer Gebäude abgerissen, die einen hohen „Emotionsfaktor“ hatten: die „Caféecke“. Oder besser gesagt, das „Café Joch“. Im Herzen der Elbestadt gelegen war es vor seiner Baufälligkeit einer der Dreh- und Angelpunkte des kulturellen Lebens. Seit März 2015 gähnt dort eine Baulücke, deren Unkraut im Zaume gehalten werden muss. Jetzt ersteht das Gebäudeensemble neu. Jedenfalls zweidimensional und mit Pinsel und Farbe.

Frank Liersch aus Barby steht seit sechs Wochen auf der Rüstung und malt ein 8,70 mal 2,70 Meter hohes Bild an die Wand des Nachbarhauses. Es erinnert an das „Café Joch“ und seine Nebengebäude, die zum Teil nicht mehr existieren. So zum Beispiel Diesings Schmiede, die Anfang der 1990er Jahre durch das Sparkassengebäude ersetzt wurde. „Der Pinsel war vor sechs Wochen zwei Zentimeter länger“, grinst Frank Liersch etwas gequält. Mit diesem „Werkzeug“ wurde ein Großteil des Bildes gemalt. Fast täglich stand der 56-Jährige auf der Rüstung. Jedoch ein Ende ist abzusehen. „Diese Woche wird das Bild fertig“, verspricht Liersch.

In den vergangenen Wochen brauchte er sich über Mangel an Aufmerksamkeit nicht zu beklagen. „Viele Leute blieben stehen und sagten, dass sie das gut finden“, erzählt er. Einige seien auch mit Detailwünschen oder alten Fotos gekommen. So wurde darauf hingewiesen, dass eines der Nebengebäude runde und nicht eckige Fenster und Türen habe. „Früher nicht: Ich musste mich auf eine Variante festlegen“, sagt Frank Liersch. Die jetzige Abbildung entspreche etwa den 1920er Jahren.

Und wie war es mit der Motivation, so ein gewaltiges Werk anzugehen? „Unterschiedlich“, gesteht der Maler. Während es „sehr kreative Tage“ gab, habe er auch manchmal nur auf der Rüstung gestanden, gar nichts gemacht und vor sich hin sinniert. „Das hängt von der Tagesform ab. Schließlich habe ich noch einen Beruf, mit dem ich Geld verdienen muss“, erklärt der Bauingenieur und Handwerker.

So sei besonders die große Dimension des Bildes eine Herausforderung gewesen. Derweil anderen Orts das Motiv mit einem Bildwerfer an die Fassade projiziert wird, um die Umrisse zu skizzieren, hatte Liersch die Wand nur ein paar Handbreit vor der Nase. Was natürlich keine gute Voraussetzung ist, damit die Proportionen gelingen. „Ich weiß gar nicht, wie oft ich von der Rüstung runter und wieder hoch gestiegen bin, um aus der Ferne das Größenverhältnis zu betrachten“, gesteht der Künstler. Diese sportliche Übung wird sich auszahlen, wenn in den nächsten Tagen die Rüstung fällt. Denn nicht nur das alte Stadtcafé, sondern auch Häuser in der Schulzen- und Magdeburger Straße sind zu sehen. Und ein paar Kugelbäume und Sonnenmarkisen, wie sie das Café früher zierten.

Frank Liersch, der seine Handschrift in den vergangenen Jahren in und am Gasthaus „Rautenkranz“ hinterließ, verwendete ausschließlich Fassadenfarbe. Er liebt die Erdfarben; alles basiert auf den Tönen „Schiefer“ und „Umbra“. Variationen wurden mit Abtönfarben erreicht. Dabei ist sich der Meister nicht zu schade, statt einer Malerpalette („Wie würde denn das aussehen, wenn ich damit auf der Rüstung stehe ...“) den eigenen Handrücken zu nutzen. Denn darauf mischt er die Farbtöne für Details an.

Auf die Idee dieser künstlerischen Aufwertung der „Caféecke“ kamen Mitglieder des Tourismusvereins „Grafschaft Barby“ bereits 2014. Damals zeichnete sich der unvermeidliche Abriss der Ruine ab. „Dann geschah eine Weile nichts und ich dachte, die wollten nicht mehr“, so Liersch.

Doch, sie wollten. Besonders die Vereinsmitglieder Klaus Bittrich und Frank Bläsing hätten das Projekt angeschoben, um triste Barby-Ecken aufzuwerten. Auch Nachbar Günter Schön, der zuvor seine Fassade sanieren ließ, habe sich über diese Aufwertung gefreut.

Frank Liersch malte in seiner Freizeit, bekam von Tourismusverein lediglich die Farben bezahlt. Er engagiert sich für seine Heimatstadt und findet es schön, wenn sich die Menschen an seinem Bild erfreuen.

Erich Joch, der Betreiber des Cafés, war 1928 nach Barby gekommen, wo er das aus dem 18. Jahrhundert stammende Objekt übernahm. Er etablierte es „zum ersten Haus am Platze“, wie man damals gern in Zeitungen warb. In der Magdeburger Straße, wo der Gehweg breit genug war, wurden Sonnenschirme, Stühle und Tische aufgestellt. Dort gab es auch Eis aus eigener Herstellung.

Ein Höhepunkt war, wenn „Mode-Rausch“ aus Leipzig verpflichtet werden konnte. Der kam mit vier Mannequins und stellte die neuen Kollektionen vor. Erich Joch ging 1960 in den Westen, weil sein Café von der Handelsorganisation „HO“ übernommen werden sollte. Nach der Wende verfiel das Haus. Der türkische Besitzer, der nicht in Barby lebte, hatte es verkommen lassen.