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Ausgrabung Geheimnis vom „Hügel der Ahnen"

Südöstlich von Pömmelte gruben Archäologen in den vergangenen Wochen einen jungsteinzeitlichen Grabhügel aus.

Von Thomas Linßner 08.08.2016, 18:17

Pömmelte l „Ich hätte einen Herzkasper gekriegt, wenn das zerstört worden wäre!“, verzieht Grabungsleiter René Wollenweber gequält das Gesicht. Doch die Sache ging gut.

Was griff dem Archäologen da so ans Gemüt? Am späten Nachmittag hatten er und seine Mitarbeiter in einem Grabhügel eine schnurkeramische Bootsaxt gefunden. Sie heißt so, weil ihre Form an ein Boot erinnert. Der unglaublich gleichmäßig und elegant geformte Stein lag neben einem Skelett aus der Jungsteinzeit. „Ein Prestigeobjekt, damit hat man nicht gearbeitet“, ist René Wollenweber überzeugt. Die Stelle wurde also dezent abgedeckt, um sie vor neugierigen Blicken zu schützen. Für die Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie wäre es eine mittlere Katastrophe gewesen, wenn abends, als sie nicht mehr da waren, Unbefugte in der Grabung herumgeschnüffelt hätten. Dieser Ungewissheit wegen drohte der „Herzkasper“.

Doch nun ist die Grabung an Pömmeltes Ortsrand abgeschlossen und man kann darüber reden.

Wir müssen es uns auf der Zunge zergehen lassen: Am „Vier-Morgen-Berg“ wurde ein Grabhügel ausgegraben, der seinem Namen aus geografischer Perspektive absolut keinen Namen mehr macht. Das Gelände ist Flach wie ein Küchentisch. Im Laufe der Jahrhunderte hatten Erosion und der bäuerliche Pflug dafür gesorgt. (In der Nähe, wo Trittels Windmühle stand, ist das anders. Dort konnte keiner pflügen, weil der „Berg“ vom Windmüller genutzt wurde und riesige Findlinge störten.)

Und dennoch müssen die alten Pömmelter, als sie den Begriff „Vier-Morgen-Berg“ ersannen, noch eine kleine Anhöhe gesehen haben.

„Aus der Luft erkennt man die Formen des Grabhügels noch ganz deutlich“, hält Projektleiter Martin Planert ein Foto hoch, das mit einer Drohne gemacht wurde. Zu sehen sind ein innerer, ziemlich runder Ring (12 Meter Durchmesser) der von einem ovalen größeren (20 Meter) eingeschlossen ist. Genau in der Mitte wurde der in Hockerstellung bestattete Mann gefunden, dem als Beigabe die Bootsaxt ins Grab gelegt wurde. „Der muss eine besondere Persönlichkeit gewesen sein“, sagt Martin Planert. Denn so eine Axt sei wertvoll gewesen.

Auch Dr. Susanne Friederich, Abteilungsleiterin Bodendenkmalpflege, ist von dem Fund aus dem dritten Jahrtausend vor Christus angetan. Sie hat in ihrer Laufbahn schon mehrere solcher Artefakte in den Händen gehalten, „aber selten ein so schönes“. Susanne Friederich verrät, dass schon die Menschen der Steinzeit bei Grabbeigaben getrickst hätten. Dann seien Äxte aus minderwertigerem Material gefertigt worden.

Es muss eine monatelange, schweißtreibende Arbeit gewesen sein, Werkzeuge oder kultische Grabbeigaben anzufertigen. Zuerst wurde die Form des Steinbeils grob zurecht gepickt, dann Schneide und Oberfläche auf einer Sandsteinplatte glatt geschliffen. Das Durchbohren des Beilkörpers war die größte Herausforderung in Epochen ohne jegliches Metall, aber viel Zeit.

Doch zurück zur Grabung. Am „Vier-Morgen-Berg“ wurden 30 Körpergräber und 70 Urnen frei gelegt. Darin waren auch Beigaben aus Bronze. „Das zeigt, dass der Ort über einen sehr langen Zeitraum als Bestattungsplatz gedient hat.“, unterstreicht Projektleiter Martin Planert, der von einem „Hügel der Ahnen“ spricht. Dafür spreche auch die Erweiterung des Grabhügels. Vermutlich sei die Wohnsiedlung einige hundert Meter entfernt gewesen. Denn auch damals wollte man nicht direkt an einem Friedhof wohnen.

Die Funde werden nun „in Ruhe“ im Landesamt untersucht. Die Skelette, die zum Teil nur einen halben Meter unter der Ackerkrume lagen, waren nicht sonderlich gut erhalten. Interessant, so Dr. Friedrich, sei die genaue Datierung des Grabhügels. Dabei wolle man sich der „Thermolumineszenzdatierung“ bedienen. Ein Quarzstein aus dem Grab wurde bei Dunkelheit geborgen. Das Verfahren kann den Zeitpunkt der letzten „Belichtung“ nachweisen. Nach der Bestattung wurde das Grab mit Erde überhäuft.

Es bleibt spannend, auch wenn der „Vier-Morgen-Berg“ bald Kiessee sein wird.