Rübenkampagne Die Geschichte der Zuckerfabrik in Welsleben
Die Rübenkampagne läuft auf Hochtouren. Auch n Welsleben gab es eine Zuckerfabrik. Ein Rückblick auf die Gründung der Handelsgesellschaft und was Napoleon damit zu tun hatte.

Welsleben. - Seit mehreren Wochen türmen sich die Zuckerrübenberge an den Straßen und Feldwegen. Tag und Nacht sieht man die Rübenroder die Felder auf und ab fahren. Spätestens dann merkt jeder, dass die Rübenkampagne wieder auf Hochtouren läuft. Diese beginnt meistens Mitte September und geht in der Regel bis Ende Dezember. Auch die Ortschaft Welsleben ist eng mit der Zuckerrübe verbunden, hatte man hier sogar eine eigene Fabrik. Über deren Geschichte informiert die Geschichtsarbeitsgruppe des Dorfes in ihrem Heimatheft:
Alles begann mit dem „Zuckerrüben-Edikt“, das Napoleon I. 1811 für seinen Herrschaftsbereich, der bis an die Elbe reichte, erließ. Darin befahl er, die Zuckerrübe bevorzugt anzubauen und Zuckerfabriken zu errichten. Bei Nichtbefolgen drohten Sanktionen. Dies führte auch in Welsleben Mitte des 19. Jahrhunderts zu neuen Wirtschaftsformen in der Landwirtschaft. So gründeten einige tatkräftige Bauern und Geschäftsleute im Jahre 1864 eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) mit dem Ziel, den Zuckerrübenanbau gemeinsam vorzunehmen und eine Zuckerfabrik zu bauen und zu betreiben. Diese bestand vornehmlich aus Mittel- und Kleinbauern. Großbauern beteiligten sich nicht daran, da sie ihr Kapital vermutlich keinem Risiko aussetzen wollten.
Dieses aufzubringende Geld betrug im Durchschnitt 4.000 Thaler pro Gesellschafter und konnte ohne Aufnahme von Krediten finanziert werden. Bereits 1865 war die Zuckerfabrik fertig und die Produktion wurde aufgenommen. Die hierzu notwendigen Zuckerrüben kamen aus dem gemeinschaftlichen Anbau der Gesellschafter. Der bisher genutzte Pachthof reichte schnell nicht mehr aus, sodass 1873 die Errichtung eines neuen Wirtschaftshofes in der Schönebecker Straße (der sogenannte Ökonomiehof) erforderlich war, welcher später noch beträchtlich erweitert wurde. Die beteiligten Landwirte brachten auch fast ihren gesamten Acker zur Bewirtschaftung in den Landwirtschaftsbetrieb ein. Um 1900 bewirtschaftete man etwa 900 Hektar Land zur besten Zeit. Es kamen 240 bayrische Landochsen zum Einsatz, die sich vor- und nachmittags abwechselten. Dazu arbeite man mit 30 schweren Pferden und einem Dampfpflug. Zahlreiche Aufseher und Knechte sowie über 100 fremde Arbeitskräfte kamen beim Hacken und Ernten zum Einsatz.
Die Firma wächst
1881 änderte sich die Firmenbezeichnung zu Firma Fischer, Plümecke und Co. Die Namensgeber waren gewiss die maßgeblichen Initiatoren der Gesellschaft. Durch die OHG Fischer, Plümecke und Co. wurden weitere Gebäude und Einrichtungen geschaffen, die noch vielen Welslebenern bekannt sind und zum Teil noch heute bestehen und genutzt werden. Im Jahr 1899 entstand ein Backstein-Fachwerkschauer mit Teerdach (rote Feldscheune) und eine weitere, weiße, Feldscheune.

1900 bewertete Herr von Lepel, ein Regierungsbeauftragter, die Leistung der OHG. Er lobt die Höfe der Grundbesitzer und schildert den wohlhabenden Eindruck, den Welsleben auf ihn macht. Zudem zitiert er einen Zeitzeugen: „Wir müssen selbst eine Fabrik bauen, jeder gibt 1.000 Thaler und wir haben sie.“ Seine Söhne haben dazu gesagt: „Hätte unser Vater gewusst, welches Risiko sie auf sich nahmen, sie hätten die Sache nicht begonnen.“ Die Hof- und Wirtschaftsgebäude „zeigten eine geradezu musterhafte Sauberkeit und Ordnungsliebe. Ein Kavalleriestall kann kaum reiner und besser gehalten sein, als die dortigen Ochsenställe.“ Seinen Bericht schließt er mit einem Vergleich von Welsleben und drei anderen Genossenschaften, bei dem Welsleben als stärkste und mit einer sicheren Existenz hervorgehoben wird.
Lange Jahre wirtschaftete die OHG sehr erfolgreich und dennoch löst sie sich 1931 auf. Die Landwirte übernahmen ihren Acker und arbeiteten nun wieder von ihren Höfen aus. Die Zuckerproduktion ist eingestellt worden. Annahme und das Waschen der Rüben erfolgte weiterhin in der einstigen Zuckerfabrik. Die gewaschenen Rüben wurden per Eisenbahn zur Weiterverarbeitung nach Klein Wanzleben auf die Reise geschickt. Die Zichoriendarre war bis in die 30er Jahre in Betrieb. Die Aktionäre teilten fast alle Vermögens- und Wirtschaftswerte auf. Die noch heute existierende Gesellschaft befindet sich in Liquidation.

Bombardierung und Abriss
Am 31. Oktober 1940 wurde die Zuckerfabrik bombardiert. Das eigentliche Ziel der englischen Bomber war das Sprengstoffwerk in Schönebeck. Im gleichen Jahr wurde der Fabrikschornstein aus Sicherheitsgründen gesprengt. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten mehrere Unternehmen das Objekt der Zuckerfabrik. Für kurze Zeit war es der Baustoffhandel Heidenreich, die BHG, Firma Link und das Volksgut nutzten es als Werkstätten. Außerdem waren vier Wohnungen vorhanden. Sehr lange wurde auch die auf dem Objekt befindliche Waage betrieben.
Zu DDR-Zeiten betrieb man den Wirtschaftshof als Volksgut beziehungsweise als Lehr- und Versuchsgut für Rinderproduktion Iden. Nach der Wende erhielten die Erben der früheren Besitzer das Objekt zurück und haben wieder einen Landwirtschaftsbetrieb daraus gemacht.
Produkte des Zuckers
Bei der Zuckerproduktion gibt es außer dem Zucker in verschiedensten Formen, noch andere Nebenprodukte. So werden Nass- und Trockenschnitzel als Futtermittel verwendet. Kalk wird zur Reinigung des Zuckerrübensaftes in der Produktion benötigt und später wieder abgeschieden. Dieser kann in der Landwirtschaft als Dünger wieder eingesetzt werden.Melasse kann in Reformhäusern als Lebensmittel gekauft werden. Aus dieser kann man auch Alkohol brennen. Aus den Rübenschnitzeln, Melasse und anderen Zuschlagsstoffen lassen sich hochwertige Futtermittel erzeugen, die den Produzenten höhere Gewinne bringen.