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Zweiter Weltkrieg Gedenken in Walternienburg: Verlustreiche Kämpfe um Brückenkopf Barby

Im April 1945 kam es zu verlustreichen Kämpfen um den Brückenkopf Barby. In Walternienburg wird seit Jahren daran erinnert. Thematischer Brückenschlag zu heute.

Von Thomas Linßner 14.04.2024, 19:00
Elftklässler des Gymnasiums Francisceum Zerbst legten Blumen an den Walternienburger Soldatengräbern nieder. Hier wird der Opfer der Kämpfe um den Brückenkopf Barby gedacht.
Elftklässler des Gymnasiums Francisceum Zerbst legten Blumen an den Walternienburger Soldatengräbern nieder. Hier wird der Opfer der Kämpfe um den Brückenkopf Barby gedacht. Foto: Thomas Linßner

Walternienburg/Barby. - „Wir dürfen nicht nachlassen, uns zu erinnern“, beantwortete Pastorin Benita Arnold ihre eigene rhetorische Frage, ob man sich als Deutscher schuldig fühlen sollte, wenn man an seine Geschichte denkt. Die Seelsorgerin eröffnete in der Walternienburger Friedhofskapelle die Gedenkveranstaltung zu den Kämpfen um den Brückenkopf Barby im April 1945.

Der geschichtliche Hintergrund: Hier leistete die Wehrmacht den vorrückenden US-Einheiten erbitterten Widerstand, es kam zu hohen Verlusten auf beiden Seiten. Am 12. April hatten Wehrmachtsangehörige den mittleren Flusspfeiler der Barbyer Elbbrücke in die Luft gesprengt. Tage vorher wurden am Pfeiler mit einem Eisenbahnkran fünf Fliegerbomben, von denen jede 500 Kilogramm wog, als Ladung angebracht. Die zerstörte Brücke hielt die Amerikaner kaum auf. Stunden vor der Sprengung querte ein „Todesmarsch“ von Häftlingen des Buchenwald-Außenlagers „Julius“ der Junkerswerke Schönebeck, die Brücke.

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Barbys Bürgermeister Jörn Wei-nert ging auf die Worte von Pastorin Benita Arnold ein: „Wir sind dazu verdammt, auf die eigenen Wurzeln zu schauen.“ Sein Großvater sei selbst Soldat der Wehrmacht gewesen. Der Barbyer Ortschef hielt sich aber nicht lange bei der Selbstbetrachtung auf. Er erzählte die authentische Geschichte einer gebürtigen Polin, die als junges Mädchen nach Zuchau verschleppt worden war, um dort zu arbeiten. Obwohl ihr bei Luftangriffen der „arische“ Luftschutzkeller verwehrt blieb, habe sie später über „die Deutschen“ kein böses Wort verloren. Ebenso wie viele Zuchauer nicht schlecht über „die Polen“ sprachen.

Die Gedenkveranstaltung zu den Kämpfen  um den Brückenkopf Barby und Walternienburg begann in der Friedhofskapelle.
Die Gedenkveranstaltung zu den Kämpfen um den Brückenkopf Barby und Walternienburg begann in der Friedhofskapelle.
Foto: Thomas Linßner

Andreas Dittmann, Bürgermeister von Zerbst, schlug eine Brücke der Kriegsereignisse von 1945 in die heutige Zeit: „In den zurückliegenden Jahren, insbesondere in den 1990er Jahren, gab es mit der Erfahrung der friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung Deutschlands eine Phase der Entspannung und Abrüstung, in der ein solcher Moment des Erinnerns nicht notwendig gewesen wäre.“ Gleichwohl habe es vor 30 Jahren noch Zeitzeugen bei den Walternienburger Treffen gegeben, die den heute Lebenden von jenen furchtbaren Erlebnissen berichten konnten, die dem Grauen des Krieges Name, Gesicht und Stimme gaben. „In jenen Tagen hätte wir wohl nur mit dem Kopf geschüttelt, wären diese Erinnerungsberichte mit Warnungen vor einer drohenden Wiederholung der historischen Ereignisse verbunden worden. Heute, am 13. April 2024 sieht die Lage, sieht die Welt anders aus“, sagte Andreas Dittmann. Im Frühjahr 2014 besetzte Russland die Krim, der Friedensplan von Minsk aus dem Jahr 2015 scheiterte.

„Es geht gerade nicht um die Ermutigung eines Aggressors. Schon deshalb nicht, weil wir inzwischen noch ganz andere Fragen zu beantworten haben und ganz andere Fragen ernsthaft diskutiert werden“, positionierte sich Dittmann.