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Gericht Ein Kläger mit Gedächtnislücken

Auch am dritten Prozesstag, an dem zwei Schönebecker auf der Anklagebank saßen, fiel kein Urteil im Magdeburger Landgericht.

Von Melanie Dahrendorf 21.07.2018, 01:01

Schönebeck/Magdeburg l Ein 28- Jähriger und sein 27-jähriger vermeintlicher Komplize müssen sich noch immer vor Gericht verantworten. Nachdem Kläger und Opfer Mike R. am vergangenen Prozesstag unerwartet fehlte,  konnte er nun angehört werden. Zwei Männer sollen den Kläger mehrfach aufgesucht, bestohlen, bedroht und schlussendlich entführt haben. Warum Mike R. zuvor trotz Ladung nicht erschienen war? Dem Kläger, 30 Jahre alt und arbeitssuchend, fiele es „manchmal schwer, das Haus zu verlassen“, berichtet sein Zeugenbeistand. Manchmal befinde er sich mit seinen Gedanken in einem tiefen Loch. Er habe Angst gehabt, zuvor soll er nach dem ersten Prozesstag von einem Mitglied eines Motorradclubs bedroht worden sein. Dieser habe ihm Gewalt angedroht, für den Fall, dass er vor Gericht auspacken wolle. Daraufhin blieb der Kläger eingeschüchtert weg.

Mike R. wurde mit jeder Rückfrage der Anwälte und des Richters zunehmend nervöser. „Ich weiß nicht“ war an diesem Tag bis auf wenige Ausnahmen seine Standardantwort. „Es ist schwierig  mit den Zeugenaussagen eines Klägers, der sich kaum noch an den Tathergang erinnern kann“, bewertet der Staatsanwalt die Situation. Richter Theo Buß könne nicht verstehen, warum die Situation immer aufgeregter werde. „Die Täter waren bereits geständig“, so Buß. „Sie brauchen hier nichts zu befürchten.“

Nach einer kurzen Pause  in der knapp vierstündigen Verhandlung gab der Pflichtverteidiger bekannt, dass sich Kläger Mike R. und Hauptangeklagter Benjamin O.  vor der Tür die Hände geschüttelt haben: Benjamin O. zahlte mit 250 Euro die erste Rate des vereinbarten Schmerzensgeldes für den Geschädigten und entschuldigte sich. Der Pflichtverteidiger plädierte außerdem darauf, das Verfahren für den vermeintlichen Mittäter Adrian B. einzustellen. Sein Mandant habe sich „alles zu Herzen genommen“ und solle die Chance erhalten, sein aufgebautes Sozialleben aufrecht zu erhalten.

Die zuständige Sachverständige verlaß das psychologische Gutachten, in dem Benjamin O. als „charmant, lieb und geflissentlich“ beschrieben wurde. Seine Gewaltbereitschaft wurde mit seinen eigenen schlechten Erfahrungen in der Kindheit begründet.  Negativ fiel im Gutachten auf, dass er zwar seit 2010 keinen Alkohol mehr, dafür jedoch Drogen konsumierte. Dem Hauptangeklagten wird in diesem Fall Diebstahl, Erpressung und eine Entführung zur Last gelegt. Das Urteil soll Anfang August gefällt werden.