Gymnasium Schönebeck Kritik an Entscheidungen

Ulrich Plaga vom Gymnasium Schönebeck und Landrat Markus Bauer sind momentan nicht gut aufeinander zu sprechen.

Von Heike Liensdorf 26.03.2020, 00:01

Schönebeck l „Unfassbar, was sich hier abspielt“, wettert Dr. Ulrich Plaga, Leiter des Gymnasiums Schönebeck. Es ist kein Schulunterricht – eine von vielen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus‘ einzudämmen. Für seine Kollegen – Landesmitarbeiter und ihm unterstellte Beamte – habe er nach und nach ein Arbeiten von daheim angeordnet. Pflicht sei nur, dass unterhalb der Woche von 9 bis 13 Uhr ein Mitglied der Schulleitung vor Ort sein müsse, erklärt er. Eine Notbetreuung muss einen Tag vorher angemeldet werden, damit Lehrer vor Ort sind – bis dato habe es noch keinen Bedarf gegeben.

Doch dieser Tage ist nicht nur eine Person der Schulleitung im Haus anzutreffen. Auch zwei Mitarbeiterinnen im Sekretariat und drei, vier Reinigungskräfte. Das löst bei Ulrich Plaga Kopfschütteln aus, denn sie dürften aus seiner Sicht nicht da sein. Doch über deren Einsatz entscheidet nicht er: Die Sachbearbeiterinnen sind beim Kreis als Träger des Gymnasiums angestellt, der Kreis ist Auftraggeber für die Reinigungsfirma. Am Montag habe er in zwei Mails an die Verwaltung seinem Unmut Luft gemacht, am Dienstag auch in einem Brief an den Landrat – keine Antwort.

Seit Wochen und bei hoher Arbeitsbelastung, so Ulrich Plaga, sei immer nur eine Sachbearbeiterin da gewesen. Genau seit dem Tag verstärkter Maßnahmen zum Infektionsschutz sei nun die zweite Mitarbeiterin wieder am Gymnasium. Beide würden in einem kleinen Büro arbeiten. „Ein vernünftiger Sicherheitsabstand lässt sich nicht realisieren“, schreibt der Schulleiter in seinem Brief.

Zudem sollte ein Elektriker allein die Geräte in den Räumen kontrollieren. „Da hieß es, das geht nicht – Infektionsgefahr“, sagt Ulrich Plaga im Gespräch mit der Volksstimme. „Andererseits feudeln drei, vier Putzkräfte durch das Haus und wedeln die Viren auf.“ Vergangenen Freitag habe er gesagt, dass er nicht wolle, dass geputzt wird – „am Montag sind sie wieder aufgetaucht.“

In seinem Brief an den Landrat heißt es: „Nunmehr ist es dringend geboten, die Kontaktflächen im Haus zu minimieren. Ihre getroffenen Entscheidungen führen zu einer grundlosen und willkürlichen Ausweitung der Kontaktflächen ... Sie nehmen Schäden an der Gesundheit Ihrer Mitarbeiter grob fahrlässig in Kauf.“ Sein „dringender Rat“ an den Landrat: Bis auf Weiteres keine Reinigung des Schulgebäudes, eine Sachbearbeiterin im Homeoffice.

Landrat Markus Bauer (SPD) glaubt seinen Augen und Ohren nicht zu trauen. „Jeder sollte sich um seinen Tanzbereich kümmern.“ Er halte sich konsequent an die Anordnungen des Landes, betont er. Das Gymnasium werden weiterhin gereinigt – basierend auf der Zweiten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus vom 24. März. Paragraf 5, Absatz 7. Darauf verweist Bauer und merkt an, dass die Reinigung nicht gestoppt werden könne. Immerhin müsse jederzeit eine Notbetreuung möglich sein. „Auch wenn heute kein Kind da ist, kann das morgen ganz anders sein.“ Zudem habe man eine Verantwortung für die Zeit nach der Schulschließung und eine Pflicht gegenüber den Partnern, mit denen man Reinigungsverträge habe. Nun könnten Arbeiten passieren, die nicht tagtäglich anliegen wie das Reinigen der Heizkörper.

Und, so Landrat Bauer, die beiden Sachbearbeiterinnen bleiben vor Ort. „Das Sekretariat mit seiner Größe von etwa 31 Quadratmeter ermöglicht, dass beide mit ihren Schreibtischen über zwei Meter Abstand auseinander sitzen. Sie haben auch die Möglichkeit, andere, derzeit nicht besetzte Büros zu nutzen und können sich jederzeit an anderen PCs anmelden. Beide kennen ihre Möglichkeiten und erbringen ihre Arbeit unter Einhaltung aller hygienisch notwendigen Maßnahmen“, teilte dazu Sprecherin Marianne Bothe auf eine vorherige Anfrage mit.

Das Argument der Infektionsgefahr bezüglich des Elektrikers weist sie zurück. Es habe vermehrt Anfragen von Firmen gegeben, Wartungen vorzuziehen. Dem wolle man aber nicht entsprechen, wenn kein Bedarf da ist.

Er halte sich an die geltenden Verordnungen, betont Markus Bauer wiederholt. Anders Ulrich Plaga, so der Landrat. So sei er – unmittelbar nach Landes-Entscheidung, Kitas und Schulen zu schließen – nicht bei einem Treffen aller Schul- und Kitaleiter im Landratsamt gewesen. Dort sei beraten worden, wie man die Notbetreuung gewährleisten könne. „Gerade in der Krisenzeit ist es doch wichtig, dass alle an einem Strang ziehen“, so Bauer.

In seinem Brief an den Landrat habe der Schulleiter geschrieben, dass er seine Lehrer nach Hause geschickt und „verfügt“ habe, dass sie „das Gebäude nicht mehr betreten dürfen“. Darüber ist Markus Bauer mehr als empört. „Das darf nicht sein. Im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten und dem Bildungsminister ist das anders besprochen worden.“ Es müssten Lehrer für die Notbetreuung da sein. Deshalb wolle der Landkreis eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen, da Plaga aus Sicht des Landrates seine Pflicht verletzt habe. Das Landesschulamt sei informiert.

Und ja, das ist es. „Wir werden uns mit dem Schulleiter unterhalten und ihn auf seine Pflichten hinweisen. So ist das nicht in Ordnung“, sagt Tobias Kühne vom Landesschulamt. Die Schulleitung habe eine Präsenzpflicht. Die Kollegen könnten gern von zuhause aus arbeiten. „Es kann aber sein, dass sie zu einer Absprache zusammengerufen werden. Daher ist das Aussprechen eines Betretungsverbotes schon ungewöhnlich und nicht rechtens. Darüber werden wir ihn noch einmal informieren.“ Und die Notbetreuung, auf die Fünft- und Sechstklässler im Bedarfsfall Anspruch haben, muss gewährleistet sein. Dann müssten Lehrer zur Schule kommen – und damit mache ein Betretungsverbot keinen Sinn. „Wir sind bestrebt, den Konflikt aus der Welt zu schaffen und eine Lösung für beide Seiten zu finden“, so Kühne.