Ende des Zweiten Weltkrieges in Barby Heftige Kämpfe zwischen der Wehrmacht und der US-Division „Thunderbolt“ im April 1945 im Raum Barby
Vor 78 Jahren bäumten sich die Kampfhandlungen bei Barby auf, als die vorrückenden Amerikaner versuchten, über die Elbe zu setzen. Es gab hohe Verluste auf beiden Seiten. Auf dem Barbyer Friedhof wurde Ludwig Köhler begraben, der am 12. April 1945 fiel. Eine geschichtliche Rekonstruktion.

Barby - Als Ludwig Köhler vom Regimentsfotografen abgelichtet wird, trägt er noch die „Schwalbennester“ der Militärmusiker unter den Schulterstücken. Der junge Mann guckt entschlossen am Fotografen vorbei, wie man es ihm gesagt hat. Doch mit der Musik und den schönen Künsten soll es bald vorbei sein. Das Tragen von Schwalbennestern wird an der Wehrmachtsuniform verboten: Scharfschützengefahr. Mit seinen 31 Jahren gehört Ludwig Köhler schon zu den „Alten“ des 1. Wehrmacht-Bataillons des 1064. Regiments der neu aufgestellten Armee Wenck.
Hitler hat den Befehl gegeben, einen Großverband aufzustellen, um gegen die vorrückenden Amerikaner eine Verteidigungslinie aufzubauen. Die verläuft westlich der Elbe auch bei Barby. Der eilig zusammengewürfelte Truppenverband trifft mit der Eisenbahn am 11. April 1945 auf dem Barbyer Bahnhof ein. Für die Menschen der Elbestadt bedeutet das nichts Gutes. Wo Armeen aufeinander treffen, gibt es Tod und Zerstörung. Viele Barbyer flüchten in den Burgwald, zur Domäne Monplaisir oder in Richtung der Tornitzer Saaleauen. Sie wollen sich weit außerhalb der Stadt in Sicherheit bringen, wenn die Kämpfe beginnen.
Beschuss bis zu den Maizena-Werken
Die Aufgabe der deutschen Soldaten: Um das Vorrücken der Amerikaner zur Elbe zu verhindern, muss ein Sperrriegel gebildet werden. Die Verteidigungslinie erstreckt sich vom Werkleitzer Weg, über den Barbyer Bahnhof bis zu den Maizena-Werken. Die Soldaten der Wehrmacht sind schlecht ausgerüstet. Sie haben kaum eine Chance gegen die Amerikaner. Die einzige, zweifelhafte Waffe ist ihr Idealismus, den die nationalsozialistische Propaganda mit Erfolg über Jahre aufbaute.
Oberfeldwebel Ludwig Köhler teilt diesen Idealismus nicht. Er ist bereits 19 Jahre alt, als Hitler 1933 an die Macht kommt. In diesem Alter ist man nicht mehr so leicht beeinflussbar wie ein Zehnjähriger. Ludwigs älterer Bruder Albert gilt seit 1941 in Russland als vermisst. Ludwig versucht wenigstens seinen 17-jährigen Halbbruder Anton davon zu überzeugen, sich nicht freiwillig zu melden. Doch umsonst: Anton wird Soldat und fällt in Polen. Ludwig Köhler denkt an seine junge Frau und die Söhne Gerhard und Werner. Wird er sie wiedersehen? An der Elbe scheint sich das Schicksal Deutschlands zu entscheiden.

Jetzt springt der Mann aus Baden-Württemberg also irgendwo in Mitteldeutschland aus dem Zug, um doch noch das Ruder herumzureißen. Die Propaganda kündigt immerfort eine „Wunderwaffe“ an. Doch so recht glauben Ludwig und die älteren seiner Kameraden nicht mehr daran. Sie sind sich ihrer verzweifelten Lage bewusst. Ludwig Köhler hat sich in der befohlenen Verteidigungslinie eingegraben. Das Grummeln von Geschützen ist zu hören, in westlicher Richtung sind die ersten amerikanischen Panzer zu sehen.
Am Breiten Tor ist eine Batterie mit vier leichten 7,5-Zentimeter-Infanteriegeschützen in Stellung gegangen, die wenig später auf den Elbwerder umsetzt. Hier sieht es so unwirklich friedlich aus, die ersten Obstbäume beginnen ihre Pracht zu entfalten. Ein Granatwerferzug bezieht Stellung am Rittergut. Alles nichts gegen die technische und personelle Übermacht des Feindes. Die Deutschen haben nicht mal ein Panzerabwehrgeschütz. Nur mit ein paar Panzerfäusten ließen sich die amerikanischen Sherman-Panzer attackieren.
David gegen Goliath
Am 12. April, gegen 13.30 Uhr, beginnt das Gefecht. Die amerikanische Infanterie und Panzer feuern ohne Unterbrechung. Die Deutschen erwidern mit Maschinengewehren und Panzerfäusten. Es ist ein Kampf wie David gegen Goliath. Am Bahnhof versucht ein Güterzug in Richtung Osten über die Elbbrücke zu fahren. Er hat Stangenpulver für Geschützgranaten, Telefonapparate und Roggenmehl geladen. Er wird von amerikanischer Artillerie zerstört. Der Marienkirchturm erhält einen Treffer, weil die Amerikaner dort oben deutsche Artilleriebeobachter vermuten. Die Uhrzeiger bleiben 13.37 Uhr stehen. Wenige Stunden später, um 19.45 Uhr, wird die Elbbrücke mit ohrenbetäubendem Getöse gesprengt. Das Sprengzündgerät wird nahe der Nuthe auf ostelbischer Seite ausgelöst.
Infolge aufkommender Dunkelheit ziehen sich die Amerikaner zu ihrer Ausgangsstellung bei Pömmelte zurück. Deutsche Soldaten, die wegen ihrer Tarnung in ihren Schützenlöchern übersehen wurden, eröffnen jetzt das Feuer auf die Amerikaner. Die GIs reagieren sofort und vernichten mit Geschossgarben aus Panzern und Sturmgeschützen die Deutschen in ihren Erdlöchern.
Keiner überlebt. Unter ihnen ist auch Oberfeldwebel Ludwig Köhler … Der Fuhrunternehmer Steinhausen aus der Magdeburger Straße überführt am 16. April die toten deutschen Soldaten von den Kampfplätzen mit einem Pferdeleiterwagen zum Friedhof.
Quelle: Heinz Ulrich, „Kriegschronik Barby/Elbe“, 2003