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Hochwasserschutz Stadtmauern mit und ohne Funktion

Mit Gründung unserer Städte wurden auch Stadtmauern angelegt. In Barby existieren noch zwei Drittel der alten Stadtbefestigung.

Von Thomas Linßner 02.01.2020, 19:00

Barby/Calbe/Schönebeck l Warum ausgerechnet Barby soviel Stadtmauer vorweisen kann, ist in seiner geografischen Lage gegründet. In Richtung Osten und Südosten verhindern die immer wiederkehrenden Hochwasser eine Ausdehnung der Stadt. Gleichsam wird sie dort von der Stadtmauer begrenzt, die zudem eine wichtige Hochwasserschutzfunktion hat.

Auch handfeste statische Gründe sprachen in den letzten 250 Jahren dagegen. In jener Zeit wurden viele Stadttore und Mauern der Baustoffe wegen abgerissen. Teile der Stadt sind in der Zeit ihres Bestehens stellenweise um über zwei Meter gewachsen. Das ist besonders deutlich am Elbwerder zu sehen, auf den man vom Fischer- oder Brücktor „hinunter blickt“.

Die Stadtmauer gibt dieser gewachsenen Anschüttung Halt. Hätte man sie entfernt, wären einige Grundstücke regelrecht „abgerutscht“. Vor etwa 40 Jahren drohte das am Wachturm „Prinz“. Dort war der innerstädtische Bodendruck so groß, dass das Terrain auf der entgegenliegenden Seite aufgefüllt werden musste. Was optisch der alten Mauer natürlich an Imposanz nahm. Erst mit Sanierung der Mauer nach der ersten Jahrhundertflut von 2002 wurde das Terrain wieder abgetragen, sodass die Mauer wie früher wirkt.

Die Gründe für das Wachsen einer Stadt waren vielfältig. Weil es vor 500 Jahren noch keine Containerdienste gab, die Bauschutt auf ferne Kippen transportierten, beließ man den Bruch, wo er war. Besonderes Wachstum beschieden Stadtbrände. So wurden in Barby nach dem großen Feuer von 1798, bei dem über ein Drittel der Stadt niederbrannte, Schutt und Asche vor Ort einplaniert und neue Häuser darauf gebaut. Bei Tiefbauarbeiten stößt man heute immer mal wieder auf eine teilweise 30 Zentimeter mächtige Schuttschicht, die vor zwei Jahrhunderten liegen blieb.

In Calbe war das nicht anders. Obwohl heute die Geschäfte immer weniger werden, wurde der sanierte Abschnitt der Wilhelm-Loewe-Straße von den Bürgern und Einkaufsbummlern in Besitz genommen. Als Ende der 1990er Jahre auch der Handwerkerhof seiner Bestimmung übergeben wurde, erkannte man dort eine interessante Besonderheit. Andersfarbiges Straßenpflaster erinnert an den Verlauf der ehemaligen Stadtmauer. Die alte Befestigungsanlage verlief von der Neustadt kommend (eine der wenigen Stellen, wo sie rekonstruiert wurde und sichtbar ist) weiter zwischen Breite und Arnstedtstraße, querte die heutige Loewe­straße, um in Richtung Norden zwischen Magdeburger- und August-Bebel-Straße zu verlaufen. In Calbe existierte teilweise eine doppelte Stadtmauer, wie am Brumbyer Tor, nahe dem heutigen Friedensplatz. Außer diesem gab es ursprünglich noch das nördliche Barbyer- oder Schlosstor und das Bernburger Tor im Süden.

Anders als in Barby, wo zwei Drittel der mittelalterlichen Stadtbefestigung existieren, sind in Schönebeck nur noch wenige Meter davon erhalten. Prägendstes Zeichen ist der Salzturm, der ein 1839 abgerissenes Stadttor flankierte.

Die 1988 erschienene Broschüre „Baudenkmale im Kreis Schönebeck“ beschreibt den Verlauf so: Die Stadtmauer verlief zwischen Markt und der Kreisvolkshochschule, hinter den Gärten des nördlichen Marktes und der Elbstraße zum ehemaligen Elbtor, ging dann weiter parallel zur Elbe bis zum heutigen Landratsamt, wandte sich nach Süden, unterbrochen vom Barbyer Tor, bis hinter die Kollwitzschule, um schließlich hinter der Jacobikirche nach Westen geführt das Salzer Tor zu erreichen. Die Höhe der Stadtmauer lag zwischen vier und fünf Meter; ihre Dicke zwischen ein und vier Meter.

1996 sanierten Gesas-Mitarbeiter die alten Wehrfragmente. Es folgte ein Teilstück zwischen Elb- und Grabenstraße. Derweil die „offizielle Ansicht“ aus Richtung Grabenstraße von der Höhe her weniger beeindruckend ist, zeigt sich zur dahinter liegenden Mauerseite eine erhebliche Differenz. Dort ist die Stadtmauer fast vier Meter hoch, auf der anderen Seite gerade mal die Hälfte. Das kam auch dort durch jahrhundertelange Aufschüttungen des Terrains. Böse Zungen behaupten, die Grundstücksbesitzer warfen ihre Gartenabfälle einfach über die Mauer, die dort verrotteten.