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Rolandstatue Wie Plötzky zu Stadtrecht kam

Stolz trägt so manche Stadt den Titel „Rolandstadt“. Doch auch das kleine Plötzky unweit der Elbe kann Anspruch auf diesen Titel erheben.

Von Paul Schulz 23.10.2020, 01:01

Plötzky l Er steht nicht nur in Burg und Magdeburg, in Stendal und Haldensleben, in Calbe und Zerbst, sondern auch im kleinen Plötzky: der Roland. Doch was hat es mit den Rolandstatuen auf sich und wie passt Schönebecks Ortsteil in die Liste der Rolandstädte?

Mit diesen Fragen hat sich auch Wilfried Kiske beschäftigt. Der Heimatforscher und ehemalige Vorsitzende des Plötzkyer Heimatvereins hat sich mit dem Thema umfangreich auseinandergesetzt und unter anderem dafür gesorgt, dass im Jahr 2005 in Plötzky wieder ein Roland aufgestellt wurde. Über die Bedeutung der Statuen sagt Kiske: „Der Roland ist eine Symbolfigur des Mittelalters. Er steht für das Stadtrecht, das Marktrecht und die Gerichtsbarkeit.“

Plötzky und Stadt- beziehungsweise Marktrecht – wie passt das denn? Dazu muss man sich mit der Geschichte des Ortes beschäftigen. Plötzky war nämlich keine unbedeutende Siedlung an der Elbe. Wilfried Kiske erklärt: „Die günstige geografische Lage an der alten Salzstraße von Groß Salze ins Jerichower Land und auch die Lage unmittelbar an der Alten Elbe sorgten dafür, dass Plötzky an Bedeutung gewann. Der Ort wurde zu einem wichtigen Handelsplatz und Umschlagsort für Fischereierzeugnisse, Produkte aus Land- und Forstwirtschaft sowie für den in den Steinbrüchen abgebauten Quarzit.“ Aufgrund des regen Handels erhielt Plötzky so schließlich das Marktrecht. So ist im Laufe der Jahre aus dem Flecken „Plozeke“, wie Plötzky einst hieß, eine stadtartige Siedlung geworden – sogar mit Rathaus. „In alten Chroniken wird Plötzky auch direkt als Stadt in der Anhaltischen Burggrafschaft Magdeburg bezeichnet“, weiß Wilfried Kiske.

So richtig befeuert wurde der Aufschwung des Ortes zudem mit der Entstehung des Zisterzienser-Nonnen-Klosters, welches 1210 gegründet wurde. „Gemeinsam mit dem Kloster, aber auch allein wurde im Ort die Gerichtsbarkeit ausgeübt“, erklärt Kiske. Mit diesen Informationen im Hinterkopf ist es gar nicht mehr so abwegig, dass in Plötzky einst ein Roland stand. Das Marktrecht, das Stadtrecht und auch die Gerichtsbarkeit lassen sich plausibel begründen – und der Roland versinnbildlichte diese.

Auch die Aussagen in der Chronik „Altertümer von Plötzky, Prezzin und Elbenau“ des Magisters Justus Christianus Thorschmidt aus dem Jahre 1725 untermauern, dass Plötzky ein echter Rolandort ist und sich in die Liste der Rolandstädte einreihen darf. Wilfried Kiske gibt den Inhalt der Chronik sinngemäß wieder: „Nahe beim damaligen Rathaus, das unmittelbar neben dem Kloster stand, befand sich eine aufrechte Figur, die kunstvoll aus Holz gestaltet wurde.“

Kiske geht davon aus, dass Plötzky bereits im 14. Jahrhundert einen aus Holz gefertigten Roland besaß, der bis Anfang des 18. Jahrhunderts in unmittelbarer Nähe des Klosters stand. „Mit der Auflösung und Umgestaltung des Klosters verschwand diese Figur. Ab 1725 wurde wahrscheinlich ein neues – ebenfalls hölzernes – Standbild hergestellt“, sagt Kiske. Diese Figur, bei der der Heimatforscher von dem Roland ausgeht, wurde im Vorgarten des Pfarrhauses aufgestellt, wo sie bis etwa 1916 gestanden haben soll.

Was genau mit dem Roland geschah, ist nicht bekannt. Als sehr wahrscheinlich gilt aber, dass Plötzkys Standbild, so wie viele andere Holz-Rolande auch, zu Brennholz verarbeitet und verbrannt wurde.

Es folgten Jahrzehnte, in denen sich scheinbar niemand an den Roland erinnerte oder sich für ihn interessierte. Bis Wilfried Kiske im Jahr 1996 bei einem Vortrag im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg erstmals erfuhr, dass Plötzky wohl mal einen Roland hatte. Vier Jahre später gründete sich der Plötzkyer Heimatverein – Kiske war natürlich mit dabei. „Und da wir uns dem Ziel verschrieben haben, die Geschichte des Ortes aufzuzeigen, war es naheliegend, dass wir die Geschichte des Rolands von Plötzky aufgreifen“, erklärt Wilfried Kiske.

Und nichts könnte besser dazu geeignet sein als eine Rolandstatue selbst. Doch diese kostet natürlich auch etwas. Der Heimatverein ruft deshalb zu Spenden auf – und die Bürger lassen sich nicht lange bitten und unterstützen das Vorhaben kräftig. Auch das Land Sachsen-Anhalt stellt Fördermittel bereit.

Vor 15 Jahren war es dann endlich soweit: Die Plötzkyer bekommen wieder ihren Roland. Der 2,10 Meter große Koloss wurde am 1. Oktober 2005 auf einen 60 Zentimeter hohen Sockel an der Bundesstraße 246 a mitten im Ort aufgestellt. Dafür war auch schweres Gerät erforderlich, denn ohne Kran ließ sich der Roland nur schwerlich bewegen – schließlich wurde er diesmal aus Sandstein und nicht aus Holz gefertigt.

In der rechten Hand trägt der Roland ein Schwert, offen nach oben und ohne Scheide. Ein Symbol. „Es handelt sich bei dem Roland um keinen Krieger, sondern um einen Ritter. Er trägt kein Kriegsschwert, sondern ein Gerichtsschwert, das dem Wohle und dem Schutz der Bürger dient. Deshalb ist im Griff auch eine Rose als Zeichen für die ehemals ausgeübte Gerichtsbarkeit eingelassen worden“, erklärt Wilfried Kiske.

Ein Blickfang ist auch die Gürtelschnalle der Rolandfigur. In dieser ist ein Engel eingearbeitet, der eine Laute bespielt. So wird die Verbundenheit zum einstigen Kloster veranschaulicht.

Und selbst die Stulpenhandschuhe, die der Roland an den Händen trägt, sind symbolträchtig. Sie stehen nämlich für das Marktrecht. „In früheren Zeiten war die Verleihung des Marktrechts durch den Herrscher mit der Übersendung eines Handschuhs verbunden“, weiß Kiske.

Und nicht zuletzt ist da natürlich noch der Schild des Rolands. Auf diesen stützt sich die Statue mit dem linken Arm ab. Auf dem Schild selbst ist das Plötzkyer Wappen abgebildet.

Für Wilfried Kiske wurde mit der Wiedererrichtung des Rolands eine ganz besondere Herzensaufgabe abgeschlossen. Als Initiator der ganzen Aktion ist er sichtlich stolz, wenn er von seinen Recherchen und vom neuen Roland berichtet. Und für den Heimatforscher steht fest: „Wenn man bedenkt, dass fast immer nur große Städte sich ihrer geschichtlichen Vergangenheit stellen und diese aufarbeiten, dann zeigt unser Beispiel, dass auch eine kleine Gemeinde mit Erfolg ihre Heimathistorie für das Wohl und die Entwicklung des Ortes und der Bürger nutzen kann.“ Kiske ist überzeugt: Die Plötzkyer können stolz auf ihren Roland sein. Und stolz darauf, dass sie den Mut aufgebracht haben, ein solch geschichtsträchtiges Vorhaben zu verwirklichen.

Außerdem können sie sich sicher sein, dass ihrem neuen Roland nicht das gleiche Schicksal ereilt wie dem davor. Sandstein eignet sich nämlich glücklicherweise nicht zum Verfeuern.