Sommerserie Schönebeck: Als Kellner im Kurparkcafé mitten im Trubel zwischen Eis und Kaffee
Die Berufswelt ist vielfältig. Was verbirgt sich hinter welcher Tätigkeit? Volksstimme-Redakteure schnuppern in der Sommerserie „Einen Tag als ...“ in so manch interessanten Beruf hinein und geben Ihnen, liebe Leser, einen besonderen Einblick. Heute verbringt Reporter Paul Schulz einen Tag im Kurparkcafé Venezia.

Bad Salzelmen - Wenn man schon während des Sommers in einen anderen Beruf hineinschnuppert, dann doch wohl in einen, wo man die Chance hat, ein Gratis-Eis abzustauben. Mit diesem Plan schlage ich an einem Mittwochnachmittag, etwa zehn Minuten vor Eröffnung, beim Kurparkcafé Venezia in Bad Salzelmen auf. Verblüfft stelle ich fest, dass sich schon jetzt zwei Menschentrauben vor dem Café gesammelt haben. Ein rot-weißes Kettchen vor dem Eingang sperrt die Gäste aber noch aus.
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Im Eiscafé erklärt mit Geschäftsführerin Elke Krause: „Vom Wochenende abgesehen ist mittwochs schon am meisten los. Ich sage immer: Das ist Senioren-Kaffee-Tag.“ Naja, so stressig wird es schon nicht werden, denke ich mir und werfe das Venezia-T-Shirt über. Neben Chefin Elke Krause und mir sind noch über ein halbes Dutzend junger Frauen im Café. Fast ausnahmslos sind es Studentinnen, die parallel zum Studium im Café von Elke Krause als Kellnerinnen jobben. Bei so viel Personal wird es sicher entspannt für mich, denke ich. Naja ... Irren ist ja menschlich.
Trubel beginnt direkt nach Öffnung
Kaum wird die Kette vom Eingang entfernt, da strömen die Gäste auch schon ins Café. Die Kellnerinnen schwärmen aus und nehmen die Bestellungen auf und reichen diese weiter. Es ist kaum zwei Minuten geöffnet und schon stellt Elke Krause die ersten Eisbecher zusammen – das ist Chefsache. Am nach draußen gerichteten Eistresen steht Amelie Jortzik und versorgt die Laufkundschaft mit leckerem Eis. Ich stehe leicht überfordert im Durchgang zwischen Theke und Küche – noch unsicher, wie ich helfen kann. Dauernd wuselt jemand vorbei, reicht Bestellungen durch, und Kellnerinnen bringen Eis, Kaffee oder Kuchen zu den Gästen. Mehr als einmal habe ich das Gefühl, nur im Weg zu stehen.

Doch dann: Mein großer Auftritt. „Zwei Mal Schwedeneisbecher zu den Damen dahinten“, sagt Elke Krause und drückt mir die Teller mit den darauf stehenden Eisbechern in die Hand. „Mit dem Daumen den Eisbecher auf den Teller drücken“, rät sie mir noch.
Erste Erfolge, erste Patzer
Ich balanciere die kalte, süße Fracht durch das Café – zwar wie auf Eierschalen und merklich langsamer als der Rest vom Team, aber die Eisbecher kommen unversehrt bei den zwei Frauen an. Auch die beiden Damen sind überrascht, dass direkt so viel los ist, berichten sie mir. „Wir haben beim Eis-Test der Volksstimme gelesen, dass es hier am besten schmecken soll, darum sind wir heute hier“, sagen sie noch.

Als nächstes soll ich eine Flasche stilles Wasser zu Tisch 11 nach draußen bringen. Das mir ausgerechnet bei einer so einfachen Aufgabe der erste Fehler unterläuft, wurmt mich. Denn nicht nur, dass ich an mehreren Tischen nachfragen musste, ob hier das Wasser bestellt wurde. Nein, natürlich habe ich auch noch die Sprudelvariante gegriffen und serviert. „Ach, macht nichts. Das geht auch“, nimmt es des Gast gelassen.
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Um mich herum sind die Kellnerinnen und Elke Krause unablässige im Einsatz. Bestellungen aufnehmen, weitergeben, zubereiten, servieren, kassieren. Und obwohl soviel los ist, haben alle ein Lächeln im Gesicht und sind freundlich.
Kaffeekochen im Akkord
Iliriana Sens, die schon seit neun Jahren im Eiscafé arbeitet und in Magdeburg Medienbildung studiert, nimmt sich die Zeit, mich mit einer neuen Aufgabe vertraut zu machen: Kaffee kochen. Gut, im Grunde macht alles die moderne Kaffeemaschine, und ich muss nur auf den richtigen Knopf drücken, aber dennoch gibt es mehr zu beachten, als ich geahnt hätte. So werden natürlich Kaffee, Espresso, Latte macchiato, Cappuccino und Co. in unterschiedlichen Tassen serviert. Bei einem Kännchen Kaffee kommen zwei Milchbecherchen auf die Untertasse, bei einer Tasse nur einer. Außerdem muss noch ein Keks mit dazu gelegt werden – aber nicht überall der gleiche, das wäre ja zu einfach! Selbst die Positionierung von Löffel und Keks ist vorgegeben, damit es einheitlich aussieht.

Und wir reden hier nicht von „mal eine Tasse Kaffee fertig machen“. Die Bestellungen waren eher von diesem Kaliber: „Acht Kännchen Kaffee, zwei Latte, ein Cappuccino, zwei Milchkaffee“ – und das am laufenden Band.
Ich mache also ein Heißgetränk nach dem anderen fertig. Sobald die Maschine ein Getränk zubereitet hat, schiebe ich die nächste Tasse darunter. Dann wieder Untertassen rausstellen, die passende Tasse drauf, Löffel, Milch und Keks dazu. Zwischendurch den Behälter mit dem Kaffeesatz leeren und Zack: nächste Bestellung. So allmählich komme ich in den Rhythmus und habe endlich das Gefühl, mal eine Hilfe zu sein und nicht nur im Weg zu stehen. Allerdings unterläuft mir auch hier ab und an ein kleinerer Patzer. Statt eines Milchkaffees habe ich einen Cappuccino fertig gemacht. „Macht nichts, das passiert. Dann trink du ihn“, sagt Iliriana Sens.
Große Auswahl mit 30 verschiedenen Eissorten
Eine größere Seniorengruppe verabschiedet sich schließlich. Es wird ein klein bisschen ruhiger im Café, und ich helfe dabei, zusammengeschobene Tische wieder auseinanderzustellen. Allerdings ist es nur die sprichwörtliche „Ruhe vor dem Sturm“, denn bei Elke Krause hat sich bereits die nächste größere Gruppe angekündigt. Ich nutze den etwas entspannteren Moment, um mit weiteren Gästen ins Gespräch zu kommen. Draußen sitzt eine Familie aus Biere und genießt Sonne und Süßes. „Wenn es ums Kaffeetrinken oder Eisessen geht, ist das hier immer die erste Adresse“, sagt Mutter Patricia. Doch welches Eis schmeckt bei dem Wetter am besten? „Ganz klar: Vanille“, sagt die Biererin, während sich Töchterchen Eva für Schokoladen-Eis ausspricht. Oma Mira empfiehlt Joghurteis oder Stracciatella, während Opa Andy lachend sagt: „Das schmeckt alles gut!“

Pro Tag stehen den Gästen im Venezia dabei etwa 30 verschiedene – und selbst gemachte – Eissorten zur Auswahl. „Manchmal experimentiere ich auch etwas mit den Sorten. Wir haben beispielsweise auch schon Lakritz-Eis, Ouzo-Eis oder Eis aus Ziegenmilch gemacht“, berichtet Elke Krause. Insgesamt habe sie etwa 200 verschiedene Rezepte auf Lager. Doch wie auch das Beispiel der Familie aus Biere zeigt: Vanille und Schokolade bleiben der Verkaufsschlager.

Dann ist es soweit: Die nächste Gruppe nimmt an den Tischen draußen Platz. Meine Kolleginnen nehmen die Bestellungen auf, und kurz darauf balanciere ich die ersten Eisbecher nach draußen – allerdings immer noch mit großer Vorsicht, schließlich will ich nicht für ein Malheur verantwortlich sein. Mal gibt es fruchtig-süße Varianten, dann verführerische Schokoladen-Nuss-Kreationen und hin und wieder die klassischen Schwedeneisbecher.

So langsam läuft mir das Wasser im Mund zusammen und ich frage Elke Krause: „Wie hält man das eigentlich aus, dauernd so viele Leckereien um sich zu haben?“ Sie komme damit nach über 30 Jahren im Geschäft problemlos klar, sagt sie lachend. „Doch wenn es mal etwas ruhiger ist, rufen wir die ’Eis-Zeit’ aus, und die Kolleginnen können sich eine kalte Leckerei gönnen“, verrät sie.
Mein Einsatz bei Elke Krause und dem freundlichen Team des Cafés neigt sich schließlich dem Ende entgegen. Meine persönliche Bilanz: Es war deutlich mehr Trubel, als ich erwartet hatte, und ebenso gilt es, allerlei Kleinigkeiten zu beachten. Außerdem scheint mein Balancegefühl ausbaufähig zu sein. Aber ganz unnütz war ich offenbar auch nicht, denn wenn es bei der Volksstimme mal nicht so laufe, könne ich gerne im Café anfangen, gibt mir Elke Krause mit auf den Weg.

Und dann bricht schließlich auch für mich die „Eis-Zeit“ an. Als Dank für meine Hilfe darf ich mir einen Eisbecher aussuchen. Ja! Meine Hoffnungen haben sich erfüllt. Und so endet mein Einsatz im Venezia, wie er begonnen hat: Mit einem Schwedeneisbecher.