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Temposünder Das Blitzer-Experiment von Schönebeck

Die Stadt Schönebeck kontrolliert ein Jahr lang die Einhaltung des Tempolimits. Ob es danach weitergeht, ist noch unklar.

Von Jan Iven 27.03.2019, 00:01

Schönebeck l Der Spitzenreiter donnerte mit bis zu 126 Kilometern in der Stunde durch Schönebeck. Selbst vor einer Grundschule wurde ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von mehr als 90 Stundenkilometern geblitzt, und das in einer Tempo-30-Zone. „Manche Autofahrer sind leider nicht sehr einsichtig“, sagt René Nickel vom Ordnungsamt der Stadt Schönebeck. Nickel betreut ein einjähriges Projekt zur Geschwindigkeitsüberwachung durch die Stadt. Damit soll die Verkehrsüberwachung der Polizei ergänzt werden. „Wir können bei Hinweisen von Bürgern schneller reagieren und selber entscheiden, wo wir die Geschwindigkeiten messen“, sagt René Nickel.

Für die einjährige Erprobungsphase hat die Stadt Schönebeck keine eigene Mess- technik angeschafft. Das würde sich nicht lohnen, da die Technik teilweise mehr als 100.000 Euro kostet. „Wir mieten die Messgeräte“, sagt René Nickel. Bei Spezialfirmen leihe die Stadt je nach Bedarf unterschiedliche Geräte aus, die in der Regel mit Laser-Technik arbeiten. Zum Teil können die Blitzer neben der Vorderfront des Fahrzeugs auch das hintere Kennzeichen erfassen. Gerade bei Motorradfahrern sei das sinnvoll.

Sechs Mitarbeiter aus dem Ordnungsamt wurden bisher im Umgang mit der Technik geschult. Im Gespräch mit der Volksstimme möchten sie sich nicht öffentlich äußern. „Sie werden bei ihrer Arbeit schon genug angefeindet“, sagt René Nickel. Zum Teil müssten sie sich ziemlich heftige Beschimpfungen von den Autofahrern anhören. Zwar würden viele Bürger fordern, dass vor ihrer Haustür geblitzt wird, um den Verkehr zu beruhigen. An anderer Stelle würden sie es mit dem Tempolimit aber auch nicht so genau nehmen.

Dass Autofahrer mit Hilfe der Geschwindigkeitsmessungen abgezockt werden sollen, wie es oftmals heißt, weist René Nickel zurück. „Es vor allem um die Erhöhung der Verkehrssicherheit“, beteuert er. Durch die Blitzer konnte demnach die Verstoßquote auf weit unter 40 Prozent gesenkt werden. „Nach einer Kontrolle hält der Effekt etwa zwei Wochen an, wie Nachprüfungen ergeben haben“, sagt René Nickel. Danach fahren die Leute an einem Standort wieder wie vorher. Regelmäßige Kontrollen seien daher sinnvoll. Schwerpunkte der Verkehrsüberwachungen sind vor allem Schulen, Kitas, Tempo-30-Zonen, Kurven uns sonstige Gefahrenstellen. Die genauen Standorte werden natürlich nicht verraten, auch wenn sie sich über den Verkehrsfunk im Radio oder Internetseiten schnell herumsprechen würden.

Seit vergangenem Juni hat das Ordnungsamt bisher an 51 Tagen die Geschwindigkeit gemessen. „Immer in enger Absprache mit der Polizei“, betont René Nickel. Wobei es auch schon mal vorgekommen ist, dass ein Standort bereits von den Blitzern der Polizei besetzt war. Dann sucht sich das Ordnungsamt eine andere Stelle. Davon gebe es mehr als genügend in Schönebeck.

Ein Ergebnis der Erprobungsphase, die noch bis zum Mai andauert, gibt es bisher noch nicht. „Es läuft aber besser, als erwartet“, sagt René Nickel. Tatsächlich lasse sich die allgemeine Geschwindigkeit durch einen stetigen Kontrolldruck in der Stadt reduzieren. Über Kosten und Einnahmen kann auch die Stadtverwaltung nach eigenen Angaben vor Abschluss der Erprobungsphase noch keine konkreten Aussagen machen. Die Höhe der Verwarngelder sei aber hinter der Verkehrssicherheit auch nur von nachrangiger Bedeutung. René Nickel schätzt, dass die Technik in etwa kostenneutral betrieben werden kann. Manche Kommune haben Medienberichten zufolge die Blitzer mittlerweile aber tatsächlich als lukrative Einnahmequelle entdeckt und rüsten daher mit zusätzlicher Technik auf. So prüft etwa die Stadt Magdeburg derzeit die Anschaffung eines zweiten eigenen Blitzers.

So weit ist man in Schönebeck allerdings noch nicht. Derzeit sei kein Ankauf von Technik geplant, versichert Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz. Nach dem Abschluss der Erprobungsphase müssten zunächst die gesammelten Daten und Statistiken ausgewertet werden. „Die zukünftige Gestaltung der Geschwindigkeitsüberwachung erfolgt in Abhängigkeit von den gewonnenen Erkenntnissen. Entsprechende Festlegungen erfolgen noch im Jahr 2019“, teilte Wannewitz weiter mit. Nach den bisherigen positiven Erfahrungen werde aber eher nicht damit gerechnet, dass die Geschwindigkeitsmessungen wieder komplett eingestellt werden, heißt es aus dem Rathaus.