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Verein  Wie geht es weiter mit der Geflügelzucht?

Seit 1921 gibt es den Rassegeflügelzuchtverein Großmühlingen. Nun blickt der Verein in eine ungewisse Zukunft.

Von Heike Liensdorf 15.10.2018, 01:01

Großmühlingen l Kreisjugend-Jungtierschau am Wochenende. 113 Tauben und Hühner präsentieren sich in einer Hallenseite in ihren Käfigen den Besuchern. Auf der anderen Seite sitzen Züchter und Freunde der Geflügelzucht bei Kaffee und Kuchen beieinander. Es wird viel erzählt, so manches gefachsimpelt.

Trotz guter Resonanz ist die Stimmung bei den Großmühlinger Zuchtfreunden gedrückt. Zukunftsängste schlagen aufs Gemüt.

Zu Spitzenzeiten hat der Verein, der 1921 gegründet wurde, 35 Mitglieder gezählt. Drei Mal hintereinander hat er den Kreismeister-Titel geholt, gehörte von den Leistungen her zu den stärksten Vereinen im Altkreis. Jetzt sind sie noch 22, davon gehören zehn zum harten Kern. Es hat einen heftigen Einbruch gegeben, sagt Stephan Kralisch, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Verein. Erkrankt, verstorben, weggezogen, andere Interessen: In den vergangenen vier Jahren habe der Verein elf Zuchtfreunde verloren. Weniger Züchter – weniger Tiere bei Schauen.

Und dann ist da noch die sogenannte Jungtierkrankheit, die auch bei Mitgliedern des Großmühlinger Vereins zugeschlagen hat. „Die Tiere erkranken von heute auf morgen. Ein Zuchtfreund hat innerhalb von wenigen Tagen 60 Tiere verloren. Eine ganze Zucht – weg“, erzählt Kralisch und ist fassungslos ob der Krankheit, der anscheinend keiner Herr werden kann. Die Tiere würden auf einmal abmagern und verenden. Man könne sie impfen lassen, aber eine Garantie, dass sie dann überleben, gebe es nicht. Jeder rate etwas anderes, doch es helfe bislang nichts.

An diesem Wochenende sind 113 Jungtiere zu sehen. Mehr als 35 Tiere werden von den fünf Jungzüchtern gestellt: Finn Funk aus Atzendorf, Dominik und Vincent Richter aus Biere, Moritz Fries aus Eggersdorf und Yves Buhrau aus Calbe. „Sonst hatten wir immer eine Reihe Käfige, locker 30 bis 40 Tiere, mehr“, blickt Stephan Kralisch auf bessere Zeiten zurück.

Das Team um den Vorsitzenden Holger Zwernemann weiß, dass es handeln muss. „Wir müssen uns zusammensetzen und reden, ob wir mit den paar Leuten in Zukunft Ausstellungen stemmen können, ob wir uns mit anderen Vereinen zusammen- oder anschließen wollen“, spricht Stephan Kralisch mögliche Alternativen an. Mit Eickendorf, Eggersdorf und Kleinmühlingen gebe es in der näheren Umgebung auch Vereine, die sich der Geflügelzucht widmen. Vielleicht könne man einander helfen oder in der Zukunft einen gemeinsamen Weg einschlagen, sollte es alleine nicht mehr weitergehen.

Nach der jetzigen Kreisjugend-Jungtierschau steht im November die Kreisschau an. Eigentlich. Jährlich waren um die 320 Tiere in Großmühlingen zu sehen. Bislang liegen gerade einmal rund 210 Anmeldungen vor, weiß Stephan Kralisch. „Wir überlegen: Ausfallen oder nicht ausfallen lassen.“ Die Züchter würden offen über die derzeitigen Probleme reden. Und ihnen ist anzumerken, es würde schmerzen, wenn sie ihren Verein aufgeben müssten. „Großmühlingen hat mal so viele Vereine gehabt. Fußball, Radsport, Pferdesport. Und jetzt?“ Er frage sich, wie der Verein Leute aus dem Ort begeistern kann, wenn keiner aus dem Dorf zur Schau kommt, sondern nur Gäste aus der Umgebung. Oder wie könne man für ein Hobby begeistern, wenn derzeit die unberechenbare Jungtierkrankheit grassiere? „In Leipzig findet am zweiten Dezember-Wochenende die 100. nationale Rassegeflügelausstellung statt. Wir haben Tiere angemeldet und hoffen eigentlich nur, dass sie heil hin und zurück kommen“, gibt Kralisch zu.

Von all den Zukunftssorgen merkt Finn Funk nichts. Der neunjährige Atzendorfer stellt Kingtauben blau mit schwarzen Binden aus. Er ist auf seine Tiere stolz und hat richtig viel Ahnung und Ehrgeiz. Immerhin weiß er: Nur wenn die Tauben eine gute Figur abgeben, kann man auch einen Preis mit nach Hause nehmen. Seit zwei Jahren züchtet er selbst – Papa Torsten hat ihn begeistert. Ob Großmühlingen seine erste Schau sei? Kopfschütteln. In diesem Jahr ist es schon die zweite und im Dezember will er nach Leipzig zur Jugend-Meisterschaft. Schon aufgeregt? Er lacht und nickt. Und Finn erzählt, als sei es das Normalste, wie die Tiere sich idealerweise bei einer Ausstellungen zeigen sollten: „Die Füße müssen gewaschen sein. Krallen und Schnabel dürfen nicht zu spitz sein. Der Flügel muss schön rund sein. Es dürfen keine Federn fehlen – zum Beispiel sollten es zwölf Schwanzfedern sein.“

Immer wieder werde geübt, dass sie vernünftig stehen. Nehmen sie eine Abwehrhaltung ein oder schlagen mit den Flügeln, gebe es Punktabzug, erklärt Torsten Funk, der schon elf Jahre Tauben züchtet.

Und Oma Ines stellt dann die Frage aller Fragen: „Und wo sind die Tauben am besten?“ Finn fängt an zu schmunzeln und antwortet: „Im Topf.“ Das sei nun mal der Kreislauf, merkt Ines Funk an. „Wir haben 84 Jungtiere beringt, haben insgesamt 200 Tauben, wenn wir die alle behalten sollten ...“, erklärt Torsten Funk.