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Ostelbien Wer zahlt den Abriss von Datschen?

Auf die Pächter von Wochenendgrundstücken könnten ab 2023 erhebliche Mehrkosten zukommen.

Von Jan Iven 22.02.2020, 05:04

Schönebeck/Staßfurt l Wenn es ganz schlimm kommt, müssen Pächter von Wochenendgrundstücken ab 2023 den Abriss ihrer Bungalows komplett selbst bezahlen. „Bei größeren Anlagen können schon mal bis zu 30.000 Euro für den Rückbau zusammenkommen“, sagt Holger Wald, Vorsitzender des Erholungs- und Freizeitvereins Plötzky, der die Interessen von rund 450 Pächtern und Besitzern von Bungalows in Plötzky und Pretzien vertritt. So manche Vereinsmitglieder machen sich daher Sorgen.

Grund für die Verunsicherung bei Pächtern weit über den Salzlandkreis hinaus ist eine Gesetzesänderung, die ab dem 1. Januar 2023 ihre Wirkung entfalten wird. Dann soll der Schutz von Grundstückspächtern weiter zurückgefahren werden. Konkret geht es um das sogenannte Schuldrechtsanpassungsgesetz, dass die Weiterführung von Pachtverträgen nach dem altem DDR-Recht regelt. Denn im Gegensatz zu heute war es damals möglich, dass die Datsche dem Nutzer gehört, der das Grundstück dazu aber nur gepachtet hat. Heute liegen Eigentum an Gebäuden und Grundstücken in einer Hand. Ausnahme bilden die alten Pachtverträge nach DDR-Recht, die vor der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 geschlossen wurden.

Diese alten Verträge sollen nun aber nach und nach dem bundesrepublikanischen Recht angepasst werden. Für die Grundstückspächter hat das zur Folge, dass sie ab 2023 im Falle einer Kündigung die kompletten Kosten für den Abriss ihres Gebäudes tragen müssen. Und zwar unabhängig davon, wer die Kündigung ausspricht.

Bisher teilen sich die Pächter bei einer eigenen Kündigung die Kosten mit dem Eigentümer des gepachteten Grundstücks. Wenn der Grundstückseigentümer hingegen die Kündigung ausspricht, muss er den kompletten Abriss selbst tragen.

Im Schuldrechtsanpassungsgesetz steht allerdings, dass diese alten Regelungen 2023 auslaufen. Danach muss der Pächter in jedem Fall sämtliche Kosten tragen. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) fordert daher ein Eingreifen der Politik. „Alle Parteien sind gut beraten, eine der letzten verbliebenen offenen Fragen der Wiedervereinigung zu lösen und das Schuldrechtsanpassungsgesetz zu ändern“, teilte VDNG-Präsident Christian Gräff mit. „Ansonsten drohen zehntausenden Pächtern Rechtsunsicherheit und Kosten in fünfstelliger Höhe.“

Der Verband der Grundstücksnutzer fordert daher eine komplette Streichung des entsprechenden Paragraphen im Schuldrechtsanpassungsgesetz, in dem das Auslaufen der alten Regelung zu 2023 festgelegt wird. Dann hätte die bisherige Praxis dauerhaft Bestand. Nach Schätzungen des VDGN gibt es in ganz Ostdeutschland noch rund 200 000 Datschen mit alten DDR-Verträgen.

Doch wie ist die Lage in Ostelbien? „Die Bungalows in der Region sind sehr begehrt. Wenn ein Pächter aufgibt, kann in der Regel ein Nachnutzer gefunden werden“, sagt Holger Wald vom Plötzkyer Verein. Abrisse sind in der Regel gar nicht notwendig. Damit stellt sich auch die Frage der Kostenübernahme nicht. Den Anteil der alten DDR-Verträge im Naherholungsverein schätzt er auf etwa 30 bis 40 Prozent.

Trotzdem muss sich der Erholungsverein mit dem Thema beschäftigen. „In manchen Regionen gibt es die Befürchtung, dass die Eigentümer ihren Pächtern ab 2023 kündigen könnten, um die Kosten für den Abriss auf sie abzuwälzen“, sagt Wald. Danach könnte das Land teuer verkauft oder bebaut werden. „Wir gehen aber nicht davon aus, dass das in absehbarer Zeit in Ostelbien passiert“, so Wald. Denn die Bungalows sind beliebt. Zudem würde es für das Naherholungsgebiet keine Bebauungspläne für größere Objekte geben.

Der Verein hat mit anderen Problemen zu kämpfen. Für Ärger sorgen die Gebühren für Abwasser und Abfall. Für die Mitglieder stellt sich zukünftig eher die Frage nach einer angemessenen Entschädigung oder Ablöse für ihren Bungalow, sollten Verträge irgendwann gekündigt werden.

Trotzdem sorgt das Schuldrechtsanpassungsgesetz immer wieder für Verwirrung.

Selbst manche Kleingärtner sorgen sich, dass ihnen deswegen ihre Sparte gekündigt werden könnte. „Das ist aber völliger Blödsinn“, sagt Karin Libbe, Vorsitzende des Verbandes der Gartenfreunde Schönebeck. Denn die Kleingärten unterliegen überhaupt nicht dem Schuldrechtsanpassungsgesetz, sondern dem Bundeskleingartengesetz. Das sehe keine Gesetzesänderungen vor. Zwar müssen sich Kleingärtner mit dem Thema Rückbau beschäftigen. Doch das hat nichts mit dem Schuldrechtsanpassungsgesetz zu tun.

Das werde aber in den Medien und der öffentlichen Diskussion immer wieder durcheinander gebracht. „Vor ein paar Jahren hat uns sogar ein Staßfurter Stadtrat gedroht, dass unsere Pachtverträge angelbich auslaufen würden“, erzählt Ingo Knabe, Vorsitzender des Regionalverbandes Staßfurter Kleingärtner. Da sei aber natürlich nichts dran gewesen. Der Politiker sitze auch nicht mehr im Stadtrat.