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Ameos Kein Platz für Kritiker?

Nach ersten Erlösausfällen durch die Streiks in Staßfurt hat der Krankenhausbetreiber Ameos die ersten 20 Beschäftigten fristlos entlassen.

16.12.2019, 17:17

Staßfurt/Schönebeck l Der Countdown läuft. Für die Geschäftsleitung der Ameos-Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt ist der 27. Dezember ein wichtiger Tag. Wenn bis zu diesem Tag nicht 85 Prozent des Pflegepersonals dem vorgelegten „Zukunftspaket“ für moderate Gehaltssteigerungen von neun Prozent bis 2024 samt Bonuszahlungen zugestimmt haben, dann könnten Köpfe rollen. Dann könnte Personal entlassen werden.

Wie ist der Stand? „Wir haben jetzt 160 Rückmeldungen“, sagt Regionalgeschäftsführer Lars Timm. Das entspräche etwa acht bis zehn Prozent des Personals. Für Timm ist es nicht unrealistisch, dass die erforderlichen 85 Prozent bis nächste Woche erreicht werden. „Wir sind zuversichtlich. Viele entscheiden sich im letzten Moment dafür.“

Die Gewerkschaften fordern Tarifverträge und deulich höhere Gehaltszuwächse. Seit über zwei Wochen gibt es Warnstreiks.

Gegen unliebsame Mitarbeiter scheint Ameos aber schon jetzt knallhart vorzugehen. Zwanzig fristlose Kündigungen im Ameos-Gebiet für Ärzte und Pfleger hat Timm in den letzten Tagen unterschrieben. „Es gibt bereits Erlösausfälle. Wir mussten reagieren“, so Timm. So gibt es laut Timm unter anderem durch OP-Ausfälle in Bernburg Verluste. „Wir haben uns von Mitarbeitern getrennt, mit denen wir keine gemeinsame Zukunft mehr haben“, sagt Timm.

Hier soll es vor allem um Mitarbeiter gehen, die sich kritisch gegen ihren Arbeitgeber geäußert haben. Um jene Mitarbeiter, die sich nicht betriebskonform verhalten haben. Ameos behält sich vor, weitere solche Kündigungen auszusprechen.

Von den 1800 Arbeitsplätzen im Salzlandkreis wackeln laut Ameos in 2020 insgesamt etwa 500, sollten die Streiks fortgeführt werden. Das sind 27,77 Prozent. „Anfang des Jahres wird es einen Erörterungstermin geben beim Ministerium“, erklärt Timm. Dort möchte Ameos seine Maßnahmen für die Streichung von Arbeitsplätzen erklären.

Unabhängig davon hatte Katja Pähle – Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag – beim Streik in Bernburg angekündigt, Lars Timm nach Magdeburg einladen zu wollen zu einem Gespräch mit Petra Grimm-Benne (SPD), Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration. „Eine entsprechende Anfrage von Frau Dr. Pähle liegt vor. Die Terminabstimmung läuft. Einen konkreten Termin für das Gespräch kann ich Ihnen noch nicht benennen“, teilt Ministeriumssprecherin Ute Albersmann mit.

Nach Ostern, so kündigt es Lars Timm jetzt an, könnte dann das Schließen und Zusammenlegen von Abteilungen innerhalb von Ameos beginnen. Insgesamt stehen 800 von 3900 Arbeitsplätze auf der Streichliste, sollten die Streiks weiter andauern.

Wulf Gallert (Linke), Vizepräsident des Landtags von Sachsen-Anhalt, war vergangene Woche bei den Streiks in Schönebeck vor Ort. Er will sich am Mittwoch zusammen mit seiner Fraktion zu den Geschehnissen bei einer Landtagsdebatte äußern.

„Die Linke hat die Privatisierung von Krankenhäusern immer für einen entscheidenden Fehler gehalten. Das demonstriert Ameos gerade in skandalöser Art und Weise. Diesen Krankenhausträger interessieren weder die Patienten noch die Mitarbeiter, sondern nur die Rendite“, teilt er gegenüber der Volksstimme mit. „Aufgrund der schon seit langem besonders schlechten Arbeitsbedingungen in diesem Krankenhauskonzern wird die Personalnot immer größer und eine qualitativ vernünftige Versorgung der Bevölkerung wird immer weniger gewährleistet.“

Und weiter: „Die Bedrohungen der Geschäftsleitung von Ameos gegen diejenigen in der Belegschaft, die sich engagieren, inklusive der ausgesprochenen Kündigungen dokumentieren die Skrupellosigkeit der Konzernleitung. Wir schrecken nicht davor zurück, im Falle von Ameos die Eigentumsfrage zu stellen.“

An den Ameos-Standorten finden unterdessen sogenannte aktive Mittagspausen statt. Auch in Bernburg und Schönebeck stehen unter anderem Krankenschwestern und Ärzte in ihren Pausen auf der Straße und demonstrieren still gegen ihren Arbeitgeber. Bedingung dabei ist, dass die Beschäftigen in zivil und nicht auf dem Betriebsgelände protestieren. Mehrere Hundert Ameos-Mitarbeiter würden sich laut der Gewerkschaft Verdi an diesen Aktionen beteiligen.

Ameos will weiter nicht verhandeln. „Das wird es nicht geben“, bekräftigt Timm erneut. Zu Beginn des neuen Jahres möchte Verdi eine Urabstimmung für einen unbefristeten Erzwingungsstreik durchführen.

In Schönebeck hatte Ameos einen geplanten Klinikweihnachtsmarkt für Mitarbeiter ersatzlos abgesagt.  Stattdessen – so scheint es – hat das Unternehmen zu einer öffentlichen „Weihnachtsspendenaktion“ eingeladen.